BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9209 21. Wahlperiode 30.05.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Nebahat Güçlü (fraktionslos) vom 23.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Dienstaufsichtsbeschwerden bei den Jobcentern team.arbeit.hamburg Leistungsbezieher/-innen des Arbeitslosengeldes II stehen zwecks Grundsicherung und Vermittlung in eine Arbeitsstelle im ständigen Kontakt mit ihrem/ihrer Sachbearbeiter/in des zuständigen Jobcenters. Zwischenmenschliche Probleme sind ganz natürlich, ihre Eskalation ist aber häufig vermeidbar . Kürzlich haben sich „Klienten“ des Jobcenters Wandsbek an mich gewandt und von der mehrfachen Nichtbeachtung und dem Verschwinden nachweislich frist- und ordnungsgemäß eingereichter Anträge berichtet. Die Betroffenen beklagten weiter, dass sie bei Nachfragen bezüglich des Verbleibs der eingereichten Anträge von einigen Mitarbeitern unfreundlich, herablassend und diskriminierend behandelt worden sind. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Zum thematischen Zusammenhang siehe Drs. 21/2910. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften von Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) wie folgt: 1) Wie viele Beschwerden gingen seit dem 31.12.2015 bei den Jobcentern t.a.h. ein? Ausweislich der Auswertung der Datenbank „Kundenreaktionsmanagement ADITO online“ am 24.05.2017 gingen vom 01.01.2016 bis 30.04.2017 bei Jobcenter team.arbeit.hamburg insgesamt 1.339 Anliegen mit Beschwerdeinhalt ein. a) Wie viele Beschwerden betrafen Sachanliegen? Von den insgesamt 1.339 Reaktionen mit Beschwerdeinhalt betrafen 1.080 Sachanliegen . b) Wie viele Beschwerden betrafen das Verhalten von Mitarbeitern? Von den insgesamt 1.339 Reaktionen mit Beschwerdeinhalt betrafen 259 das Verhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. c) Ist es möglich, nähere Angaben zu den Beschwerdestellern zu erhalten? Falls ja wird um Angaben zu Geschlecht, Altersgruppe (unter 25 Jahre, 25 bis 40 Jahre, älter als 40 Jahre) und Migrationshintergrund für die Dienstaufsichtsbeschwerden im genannten Zeitraum gebeten. Die Datenbank „Kundenreaktionsmanagement ADITO online“ erlaubt keine validen Angaben, da die Beschwerdeführenden nur als Angehörige einer der möglichen Personengruppen erfasst werden können. Drucksache 21/9209 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Eine Erfassung im Sinne der Fragestellung erfolgt in der Datenbank „Kundenreaktionsmanagement ADITO online“ unter anderem nach dem Geschlecht, nicht jedoch nach dem Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Migrationshintergrundes. Die Erfassung nach Altersgruppe erfolgt nicht im Sinne der Fragestellung. Ausgewiesen in der Datenbank werden nur Angehörige einer der beiden folgenden Personengruppen: Jugendliche unter 25 Jahren; Alter ab 50 Jahren. Von den insgesamt 259 verhaltensbezogenen Beschwerdeanliegen wurden 116 Beschwerdeanliegen von Frauen und 135 von Männern vorgebracht wurden. In acht Fällen wurde keine Zuordnung vorgenommen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2) Ist mittlerweile eine genauere Differenzierung der Beschwerden anhand der Datenbanksoftware ADITO online nach Bezirk und Beschwerdegrund möglich? a) Falls ja, bitte aufschlüsseln nach Jobcenter und nach Beschwerdegrund betreffend aa) der mutmaßlich mangelnden Kompetenz des Sachbearbeiters, ab) der mutmaßlich mangelnden Vorsicht des Sachbearbeiters bei der Bearbeitung oder ac) der mutmaßlichen Verweigerung von Unterstützung trotz des rechtlichen Anspruchs. b) Falls nein, warum hält der Senat es für irrelevant, derartige Daten zum Qualitätsmanagement zu erfassen? Welche anderen Möglichkeiten bestehen, um strukturelle Mängel bei der Umsetzung des SGB II frühzeitig zu erkennen und zu beheben? Eine Differenzierung der Anliegen anhand der Datenbanksoftware ADITO online nach Bezirk und Beschwerdegrund ist nicht möglich. Die zuständige Behörde hält eine Erfassung der Beschwerden nach Standorten des Jobcenters auch für nicht erforderlich. Strukturelle Mängel beziehen sich in der Regel auf die gesamte Organisation beziehungsweise die Abläufe in der Organisation und müssen für das Jobcenter insgesamt behoben werden. Sofern strukturelle Mängel in der Umsetzung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) bei Jobcenter festgestellt werden, werden diese in der Trägerversammlung erörtert und einer Lösung zugeführt. Soweit es sich um strukturelle Probleme handelt, die auf der örtlichen Ebene nicht gelöst werden können, kommuniziert die zuständige Behörde diese gegenüber dem zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der Bundesagentur für Arbeit in den gesetzlich verankerten Gremien zur Beratung und Koordinierung der zentralen Umsetzungsfragen des SGB II (Bund-Länder- Ausschuss, Kooperationsausschuss). Darüber hinaus hat sich der Senat hiermit nicht befasst. 3) Welche Konsequenzen ergeben sich aus einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das Verhalten von Mitarbeitern? Wie wird verfahren, wenn sich Beschwerden gegen das Verhalten eines/r Sachbearbeiter/in häufen? Wie viele verhaltensbedingte Kündigungen wurden bei Jobcentern t.a.h. in den vergangenen fünf Jahren ausgesprochen? Bei den Mitarbeitenden wird unter Einschaltung der jeweiligen Vorgesetzten eine schriftliche oder mündliche Stellungnahme zum Sachverhalt erbeten. Sofern sich aus der Stellungnahme eine Begründetheit der Beschwerde ergibt, führt der Personalbereich ein persönliches Gespräch mit den Betreffenden, zum Beispiel mit dem Ziel einer zukünftigen Verhaltensänderung. Die weiteren Konsequenzen umfassen zum Beispiel die Möglichkeit einer Jobcenter-internen Umsetzung oder der Beendigung der Zuweisung von Tätigkeiten bei Jobcenter. Trägerbezogen sind auch durch den jeweiligen Arbeitgeber Agentur für Arbeit Hamburg, Freie und Hansestadt Hamburg oder den jeweiligen Amtshilfegeber Ermahnung, Abmahnung und Kündigung möglich. Zu den Gesprächen im Zusammenhang mit der Beschwerde können die Mitarbeiter eine Person des Vertrauens hinzuziehen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9209 3 Jobcenter möchte aus Beschwerden lernen und weiteren Beschwerden die Grundlage entziehen. Das bezieht sich auch auf Dienstaufsichtsbeschwerden, sodass auch Teilnahmen an Fortbildungen die Konsequenz aus Beschwerden sein können. Ergeben sich darüber hinaus aus Beschwerden Hinweise auf organisatorische oder strukturelle Mängel oder sind personelle Konsequenzen zu ziehen, werden notwendige Schritte eingeleitet, um diese Mängel zu beheben. Wenn sich Beschwerden über eine Mitarbeitende beziehungsweise einen Mitarbeitenden häufen, wird dies in die Bewertung einbezogen; die grundsätzliche Vorgehensweise unterscheidet sich nicht. In den letzten fünf Jahren wurde verhaltensbedingt (Verhalten gegenüber Kunden) durch die Träger der gemeinsamen Einrichtung für eine Mitarbeiterin beziehungsweise einen Mitarbeiter die Zuweisung von Tätigkeiten bei Jobcenter aufgehoben. Es gab bei einem Personalkörper von mehr als 2.000 Beschäftigten in den letzten fünf Jahren drei verhaltensbedingte Kündigungen. 4) Besteht in den Jobcentern t.a.h. die Möglichkeit, intern Anregungen zu geben und/oder Beschwerden wegen des Verhaltens von Mitarbeitern/ -innen beziehungsweise Kollegen/-innen vorzubringen? Für interne Anregungen und/oder Beschwerden wegen des Verhaltens von Mitarbeitenden gibt es als Ansprechpartner die jeweiligen Vorgesetzten sowie die dann folgenden Vorgesetzten bis hin zum Geschäftsführer sowie den Personalrat, die Schwerbehindertenvertretung und die Gleichstellungsbeauftragte. 5) Wie hat sich die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Anträgen in den Jobcentern t.a.h. in den letzten zwölf Monaten entwickelt? Wenn möglich, bitte differenzieren nach Antragsart. Vonseiten des Statistik-Service der Bundesagentur für Arbeit erfolgt keine Auswertung im Sinne der Fragestellung. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der Erstanträge beträgt aktuell bei Jobcenter 8,1 Tage. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der Erstanträge im Jahr 2016 lag bei 8,7 Tagen. Der sogenannte Mindeststandard Bearbeitungsdauer der Bundesagentur für Arbeit liegt bei einer Frist von 14 Arbeitstagen. Im Übrigen siehe Drs. 21/151. 6) Wann kam es zuletzt zu einem Bearbeitungsrückstau in den Jobcentern t.a.h.? Wie häufig kam es in den letzten fünf Jahren zu einem Bearbeitungsrückstau in den Jobcentern t.a.h.? Bitte differenzieren nach Standorten und Jahr. Bei der Antragsbearbeitung bestehen keine deutlichen Rückstände. Neu- sowie Weiterbewilligungsanträge werden mit Priorität bearbeitet. Darüber hinaus siehe Drs. 21/2458. Im Übrigen erfolgt vonseiten des Statistik-Service der Bundesagentur für Arbeit keine Auswertung im Sinne der Fragestellung. 7) Bei Sichtung der Statistik der Bundesagentur für Arbeit zu Widersprüchen und Klagen SBG II wird deutlich, dass im Verlauf des vergangenen Jahres die Anzahl von Untätigkeitsklagen in Hamburg gestiegen ist, von 327 Untätigkeitsklagen im April 2016 auf 370 im April dieses Jahres. Wie bewertet der Senat diese Entwicklung? Es handelt sich bezogen auf 102.383 Bedarfsgemeinschaften (Stand Januar 2017) mit einer Vielzahl zu bearbeitender Anträge, um eine moderate Steigerung im Jahresverlauf (absolut 43 Fälle). Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst.