BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9213 21. Wahlperiode 30.05.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 23.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Automatisierte biometrische Gesichtserkennung und Erfassung von Kennzeichen durch Videoüberwachung In Zeiten erhöhter Terrorgefahr werden zunehmend personalisierte Daten durch Videoüberwachung erhoben und gespeichert. Das soll vermeintlich für mehr Sicherheit sorgen, steht jedoch häufig im Konflikt mit dem Datenschutz. Beispielsweise soll ab dem 3. Quartal 2017 am Berliner Bahnhof Südkreuz eine Software getestet werden, die die Gesichter von durch Videoüberwachung aufgezeichneten Personen mit Fotos aus einer Datenbank abgleicht und so die Passagiere identifiziert.1 Zudem darf die Bundespolizei nach einem im 1. Quartal 2017 beschlossenen Bundesgesetz ab sofort im Verkehr an den Bundesgrenzen mithilfe eines unsichtbaren Infrarotblitzes Kennzeichen erfassen und mit einer Fahndungsdatei abgleichen.2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Ist auch in Hamburg ein Pilotprojekt zum Einsatz von automatisierter biometrischer Gesichtserkennung geplant? Wenn ja, a. wo genau und in welchem Zeitraum soll dieses durchgeführt werden ? b. wie viele Kameras und welche Software sollen eingesetzt werden? c. welche Personen sollen identifiziert werden? d. welche Datenbank soll zum Abgleich herangezogen werden? e. welche Behörde ist federführend? f. in welcher Höhe sind Kosten zu erwarten? Maßnahmen, die die Bundespolizei im eigenen Zuständigkeitsbereich trifft, unterliegen nicht der Verantwortung des Senats. Nach Information der Polizei Hamburg wird von der Bundespolizei innerhalb des Projektes EasyPass am Flughafen bei der Einreise des Non-Schengen-Bereichs eine biometrische Gesichtserkennung durchgeführt – hier wird das auf dem Chip des ID-Dokuments (Ausweis, Reisepass) hinterlegte Foto 1 vergleiche http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/04/ sicherheitsbahnhof.html. 2 vergleiche https://www.heise.de/newsticker/meldung/Wofuer-Kfz-Kennzeichen-von-der- Polizei-erfasst-werden-3609732.html und https://www.tagesschau.de/inland/bundespolizeiautokennzeichen -automatische-erfassung-101.html. Drucksache 21/9213 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 mit dem Gesicht des einreisenden Gastes abgeglichen. Nähere Informationen liegen der zuständigen Behörde nicht vor. 2. An welcher Stelle und zu welchem Zweck werden in Hamburg Systeme zur Erkennung von Kennzeichen eingesetzt? Falls dem Senat oder dem Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) Informationen dazu vorliegen, bitte auch angeben, auf welchen privat bewirtschafteten Flächen diese zum Einsatz kommen. a. Wie lange, wo und unter Einhaltung welcher Sicherheitsstandards (zum Beispiel Verschlüsselung) werden die erhobenen Daten an diesen Stellen jeweils gespeichert? b. Wie wird der Führer eines Fahrzeuges an diesen Stellen jeweils auf die Erfassung seines Kennzeichens aufmerksam gemacht (Hinweisschild , Vertragsbedingungen et cetera)? c. Welche Möglichkeiten gibt es an diesen Stellen jeweils, der Erfassung des Nummernschilds zu widersprechen? d. Welche Pflichten gibt es seitens der Betreiber solcher Systeme, über die Nutzung dieser und die Verwendung der erhobenen Daten Rechenschaft abzulegen? Die Polizei verfügt über zwei automatische Kennzeichenlesesysteme (AKLS), die in der Verkehrsdirektion vorgehalten werden. Der Einsatz erfolgt bei Verkehrskontrollen zur Eigensicherung, Verhinderung des Gebrauchs gestohlener Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugkennzeichen sowie zur Verhütung von Anschlussstraftaten. Die Kennzeichenschilder vorbeifahrender Fahrzeuge werden erfasst, Kennzeichen ausgelesen und mit dem Sachfahndungsbestand verglichen. Bei positivem Abgleichergebnis wird dem Bediener des AKLS ein Signal ausgegeben. Erfasste Kennzeichendaten werden nach dem Abgleich automatisch gelöscht. Ausschließlich bei einem positiven Abgleichergebnis erfolgt eine kurzfristige Speicherung (sogenannte TrueCrypt-Container- Verschlüsselung). Nach Einsatzende werden auch diese Daten endgültig gelöscht. Ein Hinweis auf Erfassung erfolgt für Verkehrsteilnehmer nicht. Der Einsatz erfolgt jedoch offen, das heißt, das als Überwachungsgerät offensichtlich erkennbare AKLS steht im Einsatz unverdeckt am Fahrbahnrand neben einem Funkstreifenwagen. Ein Widerspruch ist beim Messposten des AKLS oder bei jeder Polizeidienststelle möglich . Die Polizei protokolliert jeden Einsatz des AKLS und führt Statistik. Der Senat berichtet der Bürgerschaft jährlich über den Einsatz. Am Flughafen Hamburg wird eine Kennzeichenerkennung eingesetzt im: - Taxenhauptspeicher (nur für Vertragspartnerinnen und Vertragspartner), - Parkhaus P5, - Parkhaus P1, - Parkhaus P2-4 (Ebene 2 Gassen N/P nur für Vertragspartnerinnen und Vertragspartner ), - Parkhaus P2-4 (Ebene 2 Gassen J/K und Mitteldeck). Das maskierte Kennzeichen wird zu den jeweiligen Bezahldaten im Parkraummanagementsystem gemäß den gesetzlichen Vorgaben gespeichert. Die Bilddaten werden bei Ausfahrt aus den öffentlichen Kundenparkierungsanlagen spätestens 30 Minuten nach der Ausfahrt gelöscht. Das erkannte Kennzeichen wird nach der Ausfahrt bis auf die ersten drei Stellen inklusive Länderkennzeichen maskiert (zum Beispiel D HH ZZ 0815 wird zu D HH XXXXXXX). Bei den Kundenparkierungsanlagen der Vertragspartnerinnen und Vertragspartner und beim Taxenhauptspeicher werden die Bilddaten spätestens 24 Stunden nach der Ausfahrt aus den Parkierungsanlagen gelöscht. Das Kennzeichen bleibt zusammen mit den jeweiligen Bezahldaten im Parkraummanagementsystem gemäß den gesetzlichen Vorgaben vollständig erhalten. Die gespeicherten Bilddaten werden auf einem separaten Bilderserver im Rechenzentrum der AIRSYS Airport Business Information Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9213 3 Systems GmbH (Tochtergesellschaft der Flughafen Hamburg GmbH) gespeichert. Ein Verfahrensverzeichnis des betrieblichen Datenschutzbeauftragten nach § 4g Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sowie Verträge zur Auftragsdatenverarbeitung beziehungsweise Funktionsübertragung liegen vor. Die Bezahldaten werden im Parkraummanagementsystem des Herstellers DESIGNA Verkehrsleittechnik GmbH und auf dem Back-Up-System im Rechenzentrum der AIRSYS GmbH gespeichert. Ein Verfahrensverzeichnis des betrieblichen Datenschutzbeauftragten nach § 4g BDSG sowie Verträge zur Auftragsdatenverarbeitung bzw. Funktionsübertragung liegen vor. An den Einfahrten wird die Kundin oder der Kunde über die Kennzeichenerkennung auf einem Hinweisschild informiert. Vertragspartnerinnen und Vertragspartner sind vertraglich über die Kennzeichenerfassung informiert. Wenn die Kundin oder der Kunde die Kennzeichenerkennung nicht akzeptiert, hat er die Möglichkeit, auf andere Kundenparkierungsanlagen auszuweichen. Der Einsatz der Kennzeichenerkennung am Flughafen ist mit dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten abgestimmt und vom Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz geprüft und akzeptiert worden. e. Findet eine Prüfung der an diesen Stellen eingesetzten Systeme zur Erfassung von Kennzeichen durch den HmbBfDI statt? Wenn ja, finden die Prüfungen anlassbezogen oder anlassfrei statt? Falls anlassfrei, wie regelmäßig? Wenn nein, warum nicht? f. Wie viele Beschwerden lagen dem HmbBfDI zu Systemen zur Erfassung von Kennzeichen in den Jahren 2013 bis 2016 jeweils vor? i. Was war jeweils das Ergebnis der Beschwerden? ii. Gab es Fälle, in denen die Nutzung solcher Systeme gegen geltendes Datenschutzrecht verstieß? iii. Wenn ja, welche Vorschriften wurden jeweils nicht eingehalten und welche Konsequenzen ergaben sich jeweils aus den Verstößen ? Siehe Drs. 21/7639.