BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9214 21. Wahlperiode 30.05.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 23.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Belastung der Hamburger Justiz – Situation der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird schlechter? In den letzten Jahren rückte die Belastung der Hamburger Verwaltungsgerichtsbarkeit anlässlich unter anderem stetig steigender Zahlen in Asylverfahren und einer allgemeinen Zunahme der Verfahrenskomplexität in den Fokus der Öffentlichkeit. Seitens der Justizbehörde wurden Maßnahmen versprochen , die zu einer Entlastung der Verwaltungsgerichte führen sollten. Nach der aktuellen Berichterstattung steigen aber die Zahlen der Asylklagen sprunghaft an. Bundesweit verdoppelte sich die Zahl der eingegangenen Verfahren schon 2016 auf circa 181.000 Haupt- und Eilverfahren. Alleine im 1. Quartal 2017 gingen rund 97.000 Asylklagen bei den Gerichten ein. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Anzahl der Neuzugänge bei den Klagen in Asylsachen ist bereits in den Monaten März (695, siehe Drs. 21/8557) und April (480, siehe Drs. 21/8934) deutlich niedriger als in den Vormonaten. Damit bestätigen sich die Erwartungen, dass die Eingangszahlen sinken werden (siehe Drs. 21/8334). Die Anzahl der Neuzugänge in diesen Verfahren im 1. Quartal ist für eine Hochrechnung für das gesamte Jahr 2017 daher nicht geeignet. Übereinstimmend mit der Präsidentin des Verwaltungsgerichts hält die zuständige Behörde die Ausstattung des Gerichts und die organisatorischen Maßnahmen für geeignet, mittelfristig die Bestände anhängiger Verfahren abzubauen. Weitere Schritte werden gegebenenfalls nach vollständiger Umsetzung und Wirksamkeit der bereits getroffenen personellen und organisatorischen Maßnahmen erfolgen. So werden zum Beispiel einige der zusätzlichen Stellen im Servicebereich nach Abschluss der Ausbildung im September 2017 qualitativ hochwertig besetzt werden. Des Weiteren wird die Richterassistenz um eine weitere Stelle ausgebaut. Des Weiteren ist zu erwarten, dass die ergriffenen Maßnahmen und eine fortschreitende Spezialisierung zu einer Erhöhung der Anzahl der Erledigungen führen werden. Im Übrigen wird die aktuelle Situation regelmäßig analysiert und der regelmäßige Austausch mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fortgesetzt, um gegebenenfalls weitere Maßnahmen zeitnah ergreifen zu können. Auch die zuständige Behörde und das Verwaltungsgericht befinden sich in einem ständigen Austausch, in dem unter anderem Handlungsbedarfe im personellen Bereich identifiziert werden. Seit dem Jahr 2015 wurde das Verwaltungsgericht daraufhin bereits mehrfach deutlich personell verstärkt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie haben sich die Zahlen der Neuzugänge von 2015 bis zum 1. Quartal 2017 am Hamburger Verwaltungsgericht bezogen auf Drucksache 21/9214 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 a. Klagen in allgemeinen Sachen, b. Klagen in Asylsachen, c. Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in allgemeinen Sachen, d. Verfahren im asylrechtlichen Eilverfahren entwickelt? Verwaltungsgericht Hamburg – Neuzugänge 2015 2016 1. Quartal 2017 Klagen in allgemeinen Sachen 1.673 1.796 455 Klagen in Asylsachen 1.702 3.514 2.443 Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in allgemeinen Sachen 2.950 2.544 488 Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in Asylsachen 1.318 933 331 2. Wie stellen sich die durchschnittlichen Verfahrensdauern am Verwaltungsgericht und am Oberverwaltungsgericht von 2014 bis zum Mai 2017 dar, auch im Vergleich zum Bundesdurchschnitt? Verwaltungsgericht Hamburg – Durchschn. Verfahrensdauer in Monaten 2014 2015 2016 1. Quartal 2017 1 Klagen in allgemeinen Sachen 13,9 14,6 15,0 15,7 Klagen in Asylsachen 9,7 9,3 9,8 8,8 Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in allgemeinen Sachen 1,7 1,6 1,7 2,0 Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in Asylsachen 1,6 2,5 2,4 2,1 Verwaltungsgerichte im Bundesgebiet – Durchschn. Verfahrensdauer in Monaten 2 2014 2015 2016 1. Quartal 2017 Klagen in allgemeinen Sachen 10,3 10,6 k.A. k.A. Klagen in Asylsachen 8,6 7,8 k.A. k.A. Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in allgemeinen Sachen 2,3 2,3 k.A. k.A. Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in Asylsachen 1,1 1,1 k.A. k.A. Oberverwaltungsgericht Hamburg – Durchschn. Verfahrensdauer in Monaten 2014 2015 2016 1. Quartal 2017 1 Berufungen und Berufungszulassungen in allgemeinen Sachen 11,7 15,3 12,0 12,6 Berufungen und Berufungszulassungen in Asylsachen 14,0 10,0 5,8 21,0 Oberverwaltungsgerichte im Bundesgebiet – Durchschn. Verfahrensdauer in Monaten 2 2014 2015 2016 1. Quartal 2017 Berufungen und Berufungszulassungen in allgemeinen Sachen 11,1 11,1 k.A. k.A. Berufungen und Berufungszulassungen in Asylsachen 7,2 5,4 k.A. k.A. 1) Die durchschnittliche Verfahrensdauer wird quartalsweise ermittelt. 2) Die bundesweiten Vergleichsdaten werden einmal jährlich zusammengestellt und den Landesjustizverwaltungen zur Verfügung gestellt. Für die Jahre 2016 und 2017 liegen die Daten noch nicht vor. 3. Wie stellt sich die Entwicklung bei der Richterbesetzung beim Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht von 2014 bis zum Mai 2017 dar? Gemäß der Personalverwendungsstatistik stellt sich die Richterbesetzung wie folgt dar: 2014 2015 2016 2017 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9214 3 Verwaltungsgericht 44,18 47,31 52,70 57,40 Oberverwaltungsgericht 15,41 15,53 17,41 17,40 4. Welche krankheitsbedingte Fehlzeitenquote ist für das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht in den Jahren 2014 bis Mai 2017 für die Richterinnen und Richter sowie für das Personal im Servicebereich festgestellt worden, auch im Vergleich zum Durchschnitt in der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit der Freien und Hansestadt Hamburg? Oberverwaltungsgericht 2014 2015 2016 Jan-Feb 2017 Bürofach-/Bürohilfskräfte 22,0% 15,4% 6,9% 4,3% Richter/-innen 0,9% 2,2% 2,1% 2,4% Verwaltungsgericht 2014 2015 2016 Jan-Feb 2017 Bürofach-/Bürohilfskräfte 11,8% 12,8% 11,1 % 14,9% Richter/-innen 3,7% 3,3% 2,9% 3,9% Durchschnitt Fehlzeitquote Verwaltungsgerichte gesamt 2014 2015 2016 Jan-Feb 2017 Bürofach-/Bürohilfskräfte 16,9% 14,1% 9,0% 9,6% Richter/-innen 2,3% 5,5% 2,5% 3,2% Durchschnitt Fehlzeitquote Amtsgerichte, Landgericht, HOLG 2014 2015 2016 Jan-Feb 2017 Bürofach-/Bürohilfskräfte 8,5% 8,9% 9,2% 11,3% Richter/-innen 1,8% 1,6% 1,8% 3,5% Die Fehlzeitenquote kann lediglich bis Februar 2017 ausgewertet werden, weil nur bis zu diesem Zeitpunkt qualitätsgesicherte Daten vorliegen. Im Übrigen siehe Drs. 21/8334. 5. Wie viele Ausbildungsplätze für Justizangestellte und Servicekräfte gibt es am Verwaltungsgericht? a. Wie hat sich die Zahl der Ausbildungsplätze von 2014 bis Mai 2017 verändert? b. Gibt es Ausbildungsplätze, die unbesetzt sind? Wenn ja, wie viele und warum? Siehe Drs. 21/3455. 6. Wie hoch ist die krankheitsbedingte Fehlzeitenquote für Justizangestellte und Servicekräfte am Verwaltungsgericht? Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Belastungssituation am Verwaltungsgericht anhand der gestiegenen Komplexität der gerichtlichen Verfahren? Siehe Vorbemerkung und Antwort zu 4. 7. Wie viel zusätzliches Personal benötigt das Verwaltungsgericht, um die Neuzugänge, insbesondere im Asylverfahren und in asylrechtlichen Eilverfahren , besser bearbeiten zu können? Siehe Vorbemerkung. 8. Wie bewertet der Senat die Belastungssituation am Oberverwaltungsgericht , gerade vor dem Hintergrund der überproportional aufwändiger gewordenen Verfahren, wie zum Beispiel im Medienrecht, im Telekommunikationsrecht , in Normkontrollverfahren gegen Bebauungspläne sowie im Hochschulzulassungsrecht? Welche Konsequenzen zieht die zuständige Behörde daraus? Welche Veränderungen, Verbesserungen in der Binnenorganisation könnten zu mehr Effektivität beitragen? Übereinstimmend mit dem Präsidenten des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts ist die zuständige Behörde der Überzeugung, dass das Gericht der Belastung durch Drucksache 21/9214 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 die aufwändiger gewordenen Verfahren derzeit und absehbar aufgrund der getroffenen Maßnahmen gewachsen ist. Es besteht ein enger Austausch über die Belastungssituation . Für das Hamburgische Oberverwaltungsgericht ist die Einrichtung des 5. Senats sowie dessen Fortführung wesentliche Voraussetzung für eine effiziente Arbeitsorganisation. Die Belastung durch Asylverfahren ist auch am Hamburgischen Oberverwaltungsgericht gestiegen. Der Anstieg liegt aber deutlich unter jenem des Verwaltungsgerichts. Zu beobachten ist zudem ein Anstieg der Eilverfahren im Aufenthaltsrecht, der Kapazitäten bindet. Im Hinblick auf die Gesamtbelastung wird – gegebenenfalls temporär – eine zusätzliche Stelle zum 1. September 2017 besetzt werden. Dies ist einerseits trotz insgesamt leicht sinkender Eingangszahlen in 2016 im Hinblick darauf geboten, dass die Verfahren in vielen Sachgebieten aufwändiger geworden sind; hierzu zählen auch die aufgeführten Sachgebiete (Medienrecht, Telekommunikation, Normenkontrollverfahren , Hochschulzulassungsrecht). Andererseits ist dies dem beobachteten Anstieg von asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren in 2017 geschuldet. Zum 1. Januar 2016 ist der für Baurecht und Normenkontrollverfahren gegen Bebauungspläne zuständige Senat bei Reduzierung der Senatsbesetzung um 1,0 AKA (Arbeitskraftanteile) aufgrund eines Wechsels eines Mitglieds des Senats weitgehend von Zuständigkeiten außerhalb des Baurechts entlastet worden. Mitte Juli 2016 erfolgte eine langfristige Aufstockung um 0,5 AKA. Der unter anderem für Medienrecht und Telekommunikationsrecht zuständige Senat ist zum 1. August 2016 von den asyl- und aufenthaltsrechtlichen Zuständigkeiten und ab dem 1. Januar 2017 von weiteren Zuständigkeiten entlastet worden. Im Laufe des Jahres 2017 wird eine temporäre Verstärkung im Zuge einer Abordnung erfolgen. In die Überlegungen zur Verstärkung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts zum Herbst dieses Jahres wird auch der für das Hochschulzulassungsrecht zuständige Senat einbezogen; zuständig für die Zuteilung eines Richters zu einem Senat ist das Präsidium des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts. Derzeit ist dieser Senat hinreichend besetzt.