BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9225 21. Wahlperiode 02.06.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse und Dr. Bernd Baumann (AfD) vom 26.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Was macht die von Senator Horch angestrebte Kooperation mit Kuba? Mit großer Medienbegleitung und entsprechend hohen Erwartungen besuchte Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch im Dezember 2015 samt 30- köpfiger Delegation unter anderem aus Reederei-Gewerbe, Hafenwirtschaft und Logistik die Karibikinsel Kuba. Ziel der Gespräche, die der Senator dort unter anderem mit Kubas Wissenschaftsbotschafter „Fidelito“ Fidel Castro Diaz-Balart, dem Sohn des kürzlich verstorbenen Revolutionsführers Fidel Castro, sowie dem Management der westlich von Havanna gelegenen „Sonderwirtschaftszone Mariel“ führte, sollte die Erkundung wirtschaftlicher Kooperationsmöglichkeiten mit der sozialistischen Inselrepublik sein. Weiterhin sollten dabei Themen wie Logistik, Tourismus, erneuerbare Energien und der Umbau des Hafens von Havanna für große Kreuzfahrtschiffe Gegenstand von Gesprächen sein. Darüber hinaus sollte ausgelotet werden, inwieweit Hamburg den Kubanern dabei helfen könne, den günstig nahe dem Panama-Kanal gelegenen Containerhafen der „Sonderwirtschaftszone Mariel “ zur zentralen Drehscheibe für den Containerumschlag in der Karibik und zu einem Standort für ausländische Produktionsbetriebe weiterzuentwickeln. Der hochgradig importabhängige Inselstaat sucht dringend nach ausländischen Investoren mit Geld und Know-how. Im Ergebnis soll es bei den Gesprächen mit Kuba laut Presseberichten um „millionenschwere Aufträge“ gehen. Die Voraussetzungen dazu sind gut, zumal Senator Horch auf allen angesprochenen Gebieten auf die in Hamburg dazu vorliegenden wirtschaftlichen und technischen Kernkompetenzen verweisen kann. Eine Fortsetzung der Gespräche fand Presseberichten zufolge „unter größter Geheimhaltung“ im Oktober 2016 anlässlich eines „Staatsbesuches“ von „Fidelito“ in Hamburg statt; nähere Ergebnisse dazu wurden jedoch nicht bekannt. Die Gespräche mit der kubanischen Seite finden vor dem Hintergrund einer sich aus deutscher Sicht günstig entwickelnden wirtschaftlichen Verbindung mit dem Karibikstaat statt. Vor allem die Tourismuszahlen steigen kräftig; schon 2015 stiegen die Touristenankünfte in Kuba um 17 Prozent. Für 2016 fällt der Zuwachs ersten Schätzungen zufolge noch höher aus. Letztlich geht es aber darum, vor dem Hintergrund der von Ex-US-Präsident Barak Obama in die Wege geleiteten Öffnungspolitik gegenüber Kuba Chancen zu nutzen, bevor US-amerikanische Firmen auf dem Inselstaat in großem Stil aktiv werden. Denn noch sind diesen angesichts weiter geltender gesetzlicher Embargobestimmungen die Hände gebunden. Unsicherheit herrscht allerdings darüber, ob der neue US-Präsident Donald Trump die von Obama eingeleiteten Lockerungen fortführen wird oder ob es – wie vielfach befürchtet und auch schon von Trump angedeutet – im Gegenteil gar zu neuen Rückschlägen im Verhältnis der USA zu Kuba kommen wird. Drucksache 21/9225 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Dies vorausgeschickt fragen wir den Senat: Die Reise diente der Markterkundung in den Bereichen maritime Wirtschaft, Logistik, Kreuzschifffahrt und (erneuerbare) Energien. Dies sind die Bereiche, in denen Kuba die wenigen, staatlich kontrollierten Devisenressourcen prioritär zuteilt. Eine Markterkundung dient dabei nicht der Erschließung konkreter Vorhaben. Im Bereich Luftfahrt bestehen strategische Überlegungen eines Unternehmens, ein Engagement auf Kuba in Betracht zu ziehen. Details sind nicht bekannt, da das Unternehmen die weitere Sondierung eigenständig durchführt. Im Bereich Wissenschaft konnten für eine Hochschule Kooperationsmöglichkeiten und interne Netzwerkeffekte bewirkt werden. Im Hafen Mariel wurde aufgrund von Vermittlungen eines Hamburger Unternehmens der Bau einer Müllverbrennungsanlage erreicht. Die Anlage ist fertig und produziert. Für eine Zusammenarbeit mit touristischem Potenzial ist der Kreuzschifffahrtsmarkt auf Kuba geeignet. Die großen Kreuzfahrtreedereien der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) sitzen nur eine Flugstunde entfernt in Miami und das Land hat großen, infrastrukturellen Aufholbedarf. Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass der Kreuzfahrtmarkt sowie die Nachfrage von Kreuzfahrtreedereien nach Liegeplätzen in Kuba seit der Lockerung der Restriktionen im Zusammenhang mit dem Embargo der USA stetig wachsen. Kuba verfügt bereits über mehrere Häfen und weitere Möglichkeiten zum Anlauf von Kreuzfahrtschiffen. Die vorhandenen Kapazitäten sind aber sowohl von der Größe als auch von der Qualität nicht ausreichend, um den wachsenden Markt zu bedienen. Aus diesem Grund unternimmt die Regierung verstärkt Aktivitäten zum Ausbau des Angebotes. Die HPA möchte diese Planungen unterstützen und hat gemeinsam mit einem Hamburger Experten der Kreuzschifffahrtsbranche einen Konzeptvorschlag erarbeitet. Neben einer rein beratenden Consultingtätigkeit zu Fragen wie Marktanalyse, technischer Planung und Strukturaufbau gibt es auch erste Ideen in Richtung eines Joint Ventures, das den Betrieb der Infrastruktur beinhalten würde. Um diesen Gedanken einen formellen Rahmen zu geben, haben die HPA und die nationale Hafenbehörde Kubas im Jahr 2016 ein „Memorandum of Understanding“ unterzeichnet, das von kubanischer Seite durch die stellvertretende Transportministerin und von Hamburger Seite durch den zuständigen Staatsrat der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation gegengezeichnet wurde. Neben der HPA waren auch Hamburg Port Consult (HPC) sowie ein Hamburger Experte für die Kreuzschifffahrtsbranche bei der Unterzeichnung anwesend. Alle genannten Unternehmen sind die bisherigen Schritte gemeinschaftlich gegangen, wobei der HPA hier die zentrale Rolle zukommt. Über die erwähnten Projekte hinaus lässt sich generell sagen, dass das Interesse an einer Zusammenarbeit auf beiden Seiten groß ist. Deutschland genießt in Kuba einen guten Ruf und ist favorisierter Partner. Allerdings sind viele Projekte relativ weit von einer wirtschaftlich vielversprechenden Umsetzung entfernt, da der Fortlauf der Geschäftsbeziehungen in großer Abhängigkeit von der Verfügbarkeit von Devisen steht. Die zuständige Behörde sieht vor allem Potenzial im Bereich Kreuzschifffahrt. Die Kontakte mit der kubanischen Regierung sowie an der Kreuzfahrtbranche beteiligten Personen und Institutionen, die zunächst im Rahmen der oben genannten Markterkundungsreise angebahnt wurden, sind inzwischen weiter vertieft und in einem durch Hamburg vorgestellten inhaltlichen Konzeptvorschlag zusammengefasst. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie ist der aktuelle Stand der Gespräche mit der kubanischen Seite? Wo liegen die Schwerpunkte? Welche konkreten Ergebnisse liegen bislang vor? Bitte detailliert nach den Sparten Tourismus, Kreuzfahrt, Hafenwirtschaft, Container, Logistik, erneuerbare Energien, Industrieansiedlung und Sonstiges aufschlüsseln. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9225 3 2. Welche deutschen beziehungsweise Hamburger Projekte sind aktuell in der kubanischen „Sonderwirtschaftszone Mariel“ angesiedelt? Siehe Vorbemerkung. 3. Inwieweit bindet der Senat bei seinen Gesprächen mit der kubanischen Seite Hamburger „Start-up“-Unternehmen ein? Bitte detailliert erläutern. An der oben genannten Delegationsreise haben keine „Start-up“-Unternehmen teilgenommen . Die zuständige Behörde ist gerne bereit, diesen Unternehmen bei Bedarf Kontakte nach Kuba zu ermöglichen. 4. Gab es beim Besuch von Fidel Castro Diaz-Balart im Oktober 2016 Fortschritte bei den Kooperationsgesprächen? Falls ja, bitte erläutern. Falls nein, warum nicht? Der Besuch stand nicht im Zusammenhang mit oben genannter Reise oder konkreten Projekten. 5. Wo liegen aus der Sicht des Senats für Hamburger Unternehmen die größten Schwierigkeiten, um mit der kubanischen Seite Geschäftsbeziehungen aufnehmen zu können, und auf welche Weise kann der Senat dabei helfen? Siehe Vorbemerkung. 6. Mit Kuba kooperationswillige Unternehmen klagen häufig über schwierige Finanzierungsvoraussetzungen als entscheidendes Investitionshemmnis , da involvierten Banken wegen der weiter geltenden US- Embargogesetze häufig empfindliche Geldbußen drohen. So musste die Commerzbank in der Vergangenheit wegen Verstoßes gegen US- Sanktionsbestimmungen im Zusammenhang mit dem Iran schon Strafzahlungen in Milliardenhöhe hinnehmen. Trotz der inzwischen erfolgten Lockerung im Verhältnis zwischen den USA und Kuba fürchten viele Banken nach wie vor hohe Geldbußen und halten sich daher zurück. Spielt dieser Gesichtspunkt auch bei den Gesprächen des Senats mit Kuba eine Rolle? Falls ja, bitte konkretisieren und erläutern, inwieweit Hamburg sich – zum Beispiel über die Bundesregierung oder die EU – dafür einsetzt, die Folgen der US-Embargobestimmungen für deutsche Unternehmen und Finanzinstitute abzumildern. Relevante Themen, die für wirtschaftliche Aktivitäten eine Rolle spielen, wurden und werden angesprochen. Vorhandene interne Probleme Kubas, wie beispielsweise die Devisenknappheit, können jedoch nicht von außen gelöst werden. Die Diskussion um US-Embargobestimmungen obliegt der Bundesregierung. Hier unterstützt der Senat die Haltung der Bunderegierung und setzt sich für die Bereitstellung von ausreichenden Euler-Hermes-Kreditversicherungen ein. 7. Gibt es aus Sicht Hamburgs unterschiedliche Voraussetzungen/ Probleme bei der Etablierung von Geschäftsbeziehungen mit der Republik Kuba auf der einen und der kubanischen „Sonderwirtschaftszone Mariel“ auf der anderen Seite? Falls ja, bitte erläutern, wo die Unterschiede liegen und welche Bedeutung diese haben. Der Hafen Mariel bietet als Sonderwirtschaftszone besondere Bedingungen. Da sich das Hauptinteresse auf die Kreuzschifffahrt bezieht (siehe Vorbemerkung), spielt dieser Hafen derzeit keine Rolle bei der Etablierung von Geschäftsbeziehungen. 8. Kuba weist im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland sowie zu Hamburg ein strukturell hohes Handelsbilanz-Defizit aus. So verdoppelte sich der Exportüberschuss Hamburgs im Verhältnis zu Kuba nach vor- Drucksache 21/9225 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 läufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes von 6,8 Millionen Euro (2015) auf 13,4 Millionen Euro im Jahre 2016. Ist das kubanische Außenhandelsdefizit zu Deutschland beziehungsweise Hamburg Gegenstand der Gespräche von Senator Horch gewesen? Falls ja, mit welchem Ergebnis? Nein. 9. Welche weiteren Schritte plant der Senat, um die Geschäftsbeziehungen Hamburger Unternehmen mit Kuba weiter voranzubringen und wie schätzt der Senat die zukünftigen Erfolgschancen ein? Bitte detailliert erläutern. Siehe Vorbemerkung.