BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9243 21. Wahlperiode 06.06.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Nebahat Güçlü (fraktionslos) vom 29.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Ausbeutung von Dolmetschern/-innen durch Ämter? Die Gesellschaft für politische Bildung e.V., welche das seit 2015 stattfindende Dolmetscher-Treffen in Hamburg betreut, beklagt in einem aktuellen Schreiben, dass es immer häufiger dazu kommt, das Jugend- und Sozialämter wie auch Schulen Dolmetschertätigkeiten nicht angemessen entlohnen wollen. In dem an mich adressierten Brief vom 26. Mai 2017 heißt es: „Dort wird immer wieder versucht, Dolmetscherinnen und Dolmetschern einen niedrigeren Tarif „aufzuschwatzen“, obwohl das nach dem Gesetz nicht zulässig ist. (…) Da freiberuflich arbeitende DolmetscherInnen und Übersetzer Innen alle Versicherungskosten, Altersvorsorge, Risiken der auftragslosen Zeiten im Sommer und so weiter aus diesem Satz decken müssen, führt jeder Tarif unterhalb von 35 Euro dazu, dass sie beim Jobcenter aufstockende Hilfe beantragen müssen. Von Bezirksämtern wurde berichtet, dass teilweise nicht die im Gesetz vorgesehenen 70 Euro bezahlt werden, sondern nur 45 Euro. (…) Schulen, die ebenfalls ausdrücklich an dem Tarif gebunden sind (…) suchen teilweise Dolmetscherinnen und Dolmetscher, die für 18,50 Euro, 20 Euro oder 26 Euro pro Stunde arbeiten.“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Berufsbild und Preisgestaltung der Dolmetscherin oder des Dolmetschers oder des – ein häufig synonym verwendeter Begriff – Sprachmittlers sind gesetzlich nicht normiert . Verbindliche Regelungen finden sich nur bei vereidigten und öffentlich bestellten Dolmetscherinnen und Dolmetschern, die insbesondere bei Gerichten und Staatsanwaltschaften zum Einsatz kommen (zu den Honorarsätzen siehe das Justizvergütungs - und Entschädigungsgesetz – JVEK). Außerhalb dieses im Hamburger Dolmetschergesetz (HmbDolmG) reglementierten Anwendungsbereichs richtet sich die Preisgestaltung grundsätzlich an den Marktbedingungen aus. Insofern kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass sich die Häufigkeit der angebotenen Sprachen auf die Konkurrenzbedingungen und somit auf die Höhe der Honorare auswirkt. Ein Großteil der Dolmetscherinnen und Dolmetschern ist freiberuflich tätig und arbeitet auf Honorarbasis. Für Menschen mit einer Hör- oder Sprachbehinderung gilt zur Wahrnehmung eigener Rechte bei der mündlichen Kommunikation im Verwaltungsverfahren , außer vor Gerichten oder in Ordnungswidrigkeits- oder Strafverfahren, die Hamburgische Kommunikationshilfenverordnung (HmbKHVO) vom 14.11.2006. Eine statistische Auswertung der Personen, die freiberuflich Dolmetschertätigkeiten ausüben und aufstockend Leistung bekommen, ist nicht möglich und im Sinne der einzelnen Fragestellungen dieser Anfrage nicht zielführend, da die Tatsache, dass eine Person aufstockend Leistung bezieht, keine Rückschlüsse auf einen gegebenenfalls gesetzes- oder sittenwidrigen Stundenlohn dieser Person zulässt. Freiberufliche Dolmetscherinnen und Dolmetscher mit einem geringen Stundenlohn und vielen Aufträgen müssen gegebenenfalls keine Leistung beziehen, wohingegen Personen mit Drucksache 21/9243 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 einem hohen Stundenlohn und wenigen Aufträgen aufstockend Leistungen beziehen können. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) wie folgt: 1) Ist dem Senat bekannt, dass es zu Verstößen gegen die gesetzlich und tariflich geregelte Bezahlung von Dolmetschern/-innen kommt? Wenn ja, wie häufig kam es in den letzten zwei Jahren zu Verstößen seitens welcher Einrichtungen? 2) Warum ist es öffentlichen Einrichtungen gestattet, bei dieser essenziellen Tätigkeit, „Lohndumping“ zu betreiben? Dem Senat liegen keine Erkenntnisse über Verstöße im Sinne der Fragestellung vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antwort zu 4. 3) Welche Handlungsmöglichkeiten hat der Senat, um die Einhaltung der, mit den obersten Landesbehörden, geschlossenen Vereinbarungen sicherzustellen? Mit obersten Landesbehörden geschlossene Vereinbarungen finden generell Eingang in fachliche Vorgaben der jeweiligen Fachbehörden und Ämter, die die Arbeitsgrundlage für die Bearbeitung der Einzelfälle bilden. Für juristische Dolmetscherinnen und Dolmetscher siehe Drs. 21/1583 und 21/3004. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4) Wie oft wurde in den letzten drei Jahren Widerspruch von Dolmetschern/ -innen gegen ihre Entlohnung eingelegt? Bitte aufschlüsseln für Schulen, Jugendämter, Sozialämter, Bezirksämter. Vergütungen von Dolmetscherinnen und Dolmetschern werden nicht durch einen Verwaltungsakt festgesetzt, sondern üblicherweise vertraglich vereinbart. Deshalb wäre ein Widerspruch nicht das einschlägige Rechtsmittel. Im Übrigen werden Dissenzen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zur Vergütung nicht erfasst. Vereinzelt berichten einzelne Dienststellen, dass es Missverständnisse gegeben habe, die insbesondere auf folgender Sachlage basierten: Für die Verwaltungsverfahren der Bezirksämter unter Beteiligung von Menschen mit einer Hör- oder Sprachbehinderung gilt die HmbKHVO, siehe Vorbemerkung. Hier liegen die Vergütungsätze deutlich niedriger als bei der Abrechnung nach dem JVEG. Nach Hinweis auf die anzuwendenden Vorschriften haben die Gebärdendolmetscherinnen und -dolmetscher jeweils korrigierte Rechnungen eingereicht. Darüber hinaus gibt es mindestens einen anhängigen Fall im Bezirksamt Wandsbek, bei dem es insbesondere darum geht, ob als abrechnungsfähige Einsatzzeit des Dolmetschers oder der Dolmetscherin auch die Fahrtzeit zu den jeweiligen Terminen zu gelten hat. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.