BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9268 21. Wahlperiode 06.06.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Kruse (FDP) vom 30.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Elbvertiefung – Wie gut ist der Senat vorbereitet? (VII) hier: Flächen zur Kohärenzsicherung und Gespräche mit Reedereien Nach dem Urteil vom 9. Februar 2017 hat das Bundesverwaltungsgericht nun in seiner schriftlichen Begründung bestätigt, dass die Planfeststellungsbeschlüsse für den Fahrrinnenausbau von Unter- und Außenelbe gegen das Habitatschutzrecht verstoßen. Das Gericht hat die Beschlüsse für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Deutlich hat das Gericht die Regelungen der Planfeststellungsbeschlüsse zur Kohärenzsicherung beanstandet. Die durch gesonderten Planfeststellungsbeschluss zugelassene Maßnahme „Spadenlander Busch/Kreetsand“ scheidet als Kohärenzmaßnahme aus. In der Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 21. Februar 2017 erklärte der Senat, dass ein „Pool“ mit möglichen Flächen erstellt wird. Der Hamburger Senat muss nun zeitnah alternative Flächen finden, die Nachbesserungen zügig umsetzen und die Maßnahme endlich zum Abschluss führen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Unmittelbar nach der mündlichen Verkündung des Urteils am 9. Februar 2017 hat der Senat den Kontakt zu den Nachbarländern aufgenommen und im Übrigen gemeinsam mit der Bundeswasserstraßenverwaltung verabredet, wie den gerichtlichen Beanstandungen Rechnung getragen werden kann. Die zuständigen Behörden Niedersachsens wirken seither an den Arbeiten mit. Schleswig-Holstein hat seine Bereitschaft zur Unterstützung zugesagt. Die Verwaltungen des Bundes wie auch Hamburgs arbeiten seitdem an einer Planergänzung. Dabei wurden mehr als 70 Einzelflächen im gesamten Lebensbereich des Schierlings-Wasserfenchels bereits auf ihre Eignung für eine weitere Kohärenzmaßnahme überprüft. Im Wege der Abschichtung werden derzeit die am besten geeigneten Möglichkeiten auf eine technische, hydrologische und umweltrechtliche Machbarkeit näher untersucht. Der Senat geht davon aus, schon in naher Zukunft die klagenden Umweltverbände und die EU-Kommission über konkrete Pläne informieren zu können. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Hamburg Port Autorität AöR (HPA) wie folgt: 1. Inwieweit sind dem Senat alternative Flächen zur Kohärenzsicherung bekannt, die den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts entsprechen könnten? a. Wenn ja, um welche Flächen für die Kohärenzsicherung handelt es sich, wo liegen diese und wie schnell sind diese verfügbar (bitte genau darstellen)? b. Wie ist der aktuelle Stand der Gespräche mit dem Landkreis Stade? Wie viele Gespräche wurden nach dem Urteil mit welchem Ergebnis Drucksache 21/9268 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 zu welchen alternativen Kohärenzmaßnahmen geführt? Wer hat vonseiten Hamburgs sowie vonseiten Niedersachsens daran teilgenommen ? c. Inwieweit kommen Flächen aus Schleswig-Holstein gegebenenfalls als Alternativen in Betracht? Welche Gespräche sind dazu mit welchem Ergebnis wann geführt worden? Wer hat vonseiten Hamburgs und vonseiten Schleswig-Holsteins daran teilgenommen? d. Gab es ein konkretes Angebot von Schleswig-Holstein zu einer bestimmten Ausgleichsfläche? Wenn ja, wann und um welche Fläche handelt es sich? Wie hat sich der Senat beziehungsweise die zuständige Stelle mit dem Angebot befasst? Inwieweit gab es Antwortschreiben vonseiten des Senats und Gespräche dazu? Wenn nein, warum nicht? e. Welche weiteren Flächen von Dritten kommen als Alternativen in Betracht? Wo befinden sich diese Flächen und wie ist dazu der aktuelle Stand? f. Welche Maßnahmen werden nun wann ergriffen, um eine zügige Umsetzung der Planergänzungen und Nachbesserungen zu gewährleisten? g. Wann wird der genannte Flächen-Pool erstellt sein? Falls er schon erstellt ist: Wie viele und welche Flächen sind darin enthalten? 2. Werden die benötigten oben genannten Flächen auch auf Hamburger Gebiet gesucht? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Um den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts zu entsprechen, muss Lebensraum für den Schierlingswasserfenchel (SWF) in geeignetem Umfang (rund 200 Pflanzen) geschaffen werden. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen dieser Pflanze eignen sich dafür nur Flächen, die tidebeeinflusst sind, unter keinem oder möglichst geringem Salzwassereinfluss stehen und im Übrigen auch eine Begleitvegetation möglich machen, die für den SWF günstig ist. Die Schaffung geeigneten, zusammenhängenden Wuchsraums darf aber nicht kehrseitig einhergehen mit anderen Eingriffen in Natur und Umwelt, die ihrerseits unzulässig wären. Zudem sind Flächen zu bevorzugen, die nicht bereits als Schutzgebiete nach der Fauna-Flora- Habitat-Richtlinie (FFH-RL) ausgewiesen oder auszuweisen sind. Schließlich ist die Möglichkeit einer unkomplizierten und zügigen Projektrealisierung anzustreben. An diesen Voraussetzungen gemessen prüfen die Behörden von Bund und Hamburg das gesamte Verbreitungsgebiet des SWF (von der Störmündung bis Geesthacht) nach prinzipiell geeigneten Wuchsorten. Eine Festlegung auf eine bestimmte Maßnahme ist noch nicht erfolgt, da sie einen gewissen Konkretisierungsgrad der Machbarkeit, der technischen Vorplanung und der naturschutzrechtlichen Vertretbarkeit voraussetzt. Das schleswig-holsteinische Wirtschaftsministerium hatte auf Staatssekretärsebene auf eine Nachfrage Hamburgs unmittelbar nach dem 9. Februar 2017 seine Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Flächen angeboten, sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt. Vor dem Hintergrund der bereits weitreichenden Erkenntnisse zum vorgenannten Anforderungsprofil geeigneter Flächen bedurfte es keine weiteren Unterstützung in Gesprächen mit den Nachbarländern oder Dritten bei der Suche nach alternativen Standorten – wie auch umgekehrt weder die Nachbarländer noch Dritte geeignete Standorte empfohlen haben. Geeignet erscheinende Standorte werden gegenwärtig geprüft auf ihre technische und hydrologische Machbarkeit, ihre Umweltverträglichkeit, ihre Verträglichkeit mit den Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9268 3 Regeln des Artenschutzes, ihre Verträglichkeit mit den Anforderungen der FFH-RL und gegebenenfalls der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) sowie auf ihre naturschutzrechtliche Zulässigkeit. 3. Welche Behörden, öffentliche Unternehmen und Stiftungen sind seit dem 9. Februar 2017 angesprochen worden, um potenzielle Flächen, die aus Ausgleichs- und Kohärenzflächen in Betracht kommen, zu melden? Die Behörde für Umwelt und Energie (BUE), die HPA sowie die Stiftung Lebensraum Elbe. Die zuständigen Behörden des Bundes sind an der Suche nach geeigneten Standorten kontinuierlich beteiligt, weil sie gemeinsam mit Hamburg die Fahrrinnenanpassung zu verantworten haben. 4. Welche der vorgenannten Institutionen haben jeweils welche Fläche gemeldet? Verschiedene der benannten Flächen waren auf mehreren Seiten bereits bekannt, sodass sich eine Urheberschaft nicht exakt zuordnen lässt. Prüffähige Vorschläge wurden unterbreitet von der BUE und von der Stiftung Lebensraum Elbe. Einzelne Vorschläge kamen auch von den Gutachterbüros. 5. Welche Stelle in welcher Behörde hat daraufhin welche Fläche auf Geeignetheit als Kohärenzfläche überprüft? Die Prüfung auf Geeignetheit obliegt den Vorhabensträgern der Fahrrinnenanpassung , also für den Bund dem Wasser- und Schiffahrsamt Hamburg und für Hamburg der HPA. Es erfolgt zudem eine Abstimmung mit fachlich versierten Dienststellen, also etwa der BUE und der Bundesanstalt für Gewässerkunde. 6. In welchem Zeitrahmen ist eine Fertigstellung der Nachbesserungen geplant? Wann rechnet der Senat mit der sofortigen Vollziehbarkeit und mit dem Beginn der Baumaßnahmen? Wie weit könnte sich nun die Elbvertiefung aus Sicht des Senats verzögern (bitte insbesondere Zeitraum für möglichen Baubeginn angeben)? Eine verlässliche Angabe ist im Hinblick auf das Prüfprogramm nicht möglich und auch nicht angezeigt. Nach Fertigstellung entsprechender Planergänzungsunterlagen wird ein Beteiligungsverfahren durchzuführen sein. Werden die Planergänzungsunterlagen festgestellt, dann ist die Fahrrinnenanpassung abermals sofort vollziehbar. 7. Mit welchem Ergebnis sind die Gespräche von Wirtschaftssenator Frank Horch und HPA-Geschäftsführer Jens Meier mit MSC, Maersk und CMA CGM beendet worden? Werden gegebenenfalls Vereinbarungen geschlossen? Den drei größten europäischen Reedereien, die wichtige Kunden des Hamburger Hafens sind, wurde vom Ausgang des Gerichtsverfahrens berichtet. Alle Reedereien haben deutlich gemacht, dass man zum Hamburger Hafen auch weiterhin stehe. Mit MSC und Maersk wurden zudem unternehmerische Überlegungen zum Standort Hamburg erörtert. Insgesamt war die Besuchsreise erfolgreich. Besonders wichtige Kundinnen und Kunden wurden persönlich über aktuelle Entwicklungen des Hafens informiert und deren Loyalität zum Standort wurde durch diese besondere Art der Kundepflege erhalten. a. Wurden den Reedereien gegebenenfalls Angebote unterbreitet, damit diese trotz ausbleibender Elbvertiefung den Hamburger Hafen anfahren? Wenn ja, was hat Wirtschaftssenator Horch ihnen angeboten? Den Reedereien wurde angeboten, sie auch weiterhin über den Verlauf der Fahrrinnenanpassung zu informieren. b. Welche weiteren Vertreter der Freien und Hansestadt Hamburg haben an den Gesprächen teilgenommen? Drucksache 21/9268 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 An den Gesprächen haben neben dem Senator Vertreter der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, der HPA und zeitweise der Hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung mbH teilgenommen. c. Weshalb reist Wirtschaftssenator Horch in Begleitung des HPA- Chefs Meier? Die HPA ist mit der Planung und Realisierung der Fahrrinnenanpassung betraut. d. Weshalb reisen keine hochrangigen Vertreter der beiden großen Terminalbetreiber mit dem Wirtschaftssenator? Die Reise diente der Information wichtiger europäischer Kundinnen und Kunden des Hamburger Hafens über den aktuellen Sachstand der Fahrrinnenanpassung. Damit stand die Information seitens der zuständigen Behörde und der Hafenverwaltung im Fokus. 8. Mit welchen Kostenerhöhungen bei den Maßnahmen zur Fahrrinnenanpassung rechnet der Senat nach dem Urteil vom 9. Februar 2017? Wann werden aktualisierte Kostenschätzungen vorliegen? 9. Welche Vorkehrungen hat der Senat getroffen beziehungsweise wird er treffen, um weitere Kostensteigerungen bei der Fahrrinnenanpassung zu vermeiden? 10. Welche der bisherigen Kostensteigerungen bei der Fahrrinnenanpassung sind durch Verzögerungen im Projektablauf entstanden? Die Überlegungen sind hierzu noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen siehe Drs. 21/8790, 21/6194, 21/2368, 20/14001 und 20/10595.