BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9269 21. Wahlperiode 06.06.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Daniel Oetzel (FDP) vom 30.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Schutz von Kindern in Kindertageseinrichtungen Im Landesrahmenvertrag „Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen“ ist unter Paragraph 13 festgelegt: „§ 13 Schutz von Kindern Die Tageseinrichtungen ergreifen die zum Schutz von Kindern erforderlichen Maßnahmen entsprechend der Rahmenvereinbarung zum Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe gemäß §§ 8 a und 72 a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) (Anlage 4). Zur Unterstützung der pädagogischen Fachkräfte entwickeln die Träger ein Umsetzungskonzept. Aus diesem Konzept muss hervorgehen, nach welchem Verfahren das Gefährdungsrisiko abgeschätzt wird, inwieweit erfahrene Fachkräfte einbezogen, Eltern beteiligt und welche eigenen Maßnahmen zum Schutz der Kinder zu welchem Zeitpunkt ergriffen werden. Des Weiteren muss benannt werden, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form das zuständige Jugendamt beteiligt wird.“ Bestandteil des LRV ist in Anlage 4 die Rahmenvereinbarung zum Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe gemäß §§ 8a Absatz 4 und 72a Absatz 2 u. 4 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Hier steht unter Punkt 3: „Die Träger lassen sich bei Einstellungen, anlassbezogen und in regelmäßigen Abständen von maximal fünf Jahren von den bei ihnen beschäftigten hauptamtlichen Personen und den neben- und ehrenamtlich Tätigen (nach Art, Intensität und Dauer des Kontaktes zu Kindern und Jugendlichen) erneut ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30 Abs.5 und § 30a Abs.1 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) vorlegen.“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Bei Auszubildenden in der Erzieherausbildung und in vergleichbarer Ausbildung muss sich der Träger kein erweitertes Führungszeugnis vorlegen lassen, solange die Ausbildung unter fünf Jahren andauert und das Praktikum mit der Ausbildung verbunden ist, da die Auszubildenden bereits vor Beginn der Ausbildung gegenüber der Ausbildungsstätte (Fachschule) ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen müssen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Zählt ein Praktikum zu den Tätigkeiten, in dessen Rahmen sich die Träger verpflichtet haben, bei Einstellung ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen? Drucksache 21/9269 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Wenn nein, warum nicht? Grundsätzlich ja. In der Anlage 2 der oben genannten Rahmenvereinbarung ist aber festgelegt, dass bei Praktikanten, deren Praktikum weniger als sechs Wochen dauert, kein Führungszeugnis eingesehen werden muss. Dabei handelt es sich in der Regel um Schülerpraktikanten, die nur einen ersten Eindruck vom Beruf erhalten wollen und grundsätzlich nicht allein mit Kindern arbeiten dürfen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Welche regelmäßigen Tätigkeiten in einer Kindertagesstätte können durch Personen erledigt werden, die kein erweitertes Führungszeugnis vorlegen müssen? Solche Personen nehmen während des Praktikums keine eigenständigen pädagogischen Aufgaben wahr und arbeiten unter Aufsicht. 3. Wie wird eine regelmäßige Vorlage eines aktuellen erweiterten Führungszeugnisses sichergestellt und dokumentiert? Die Kita-Aufsicht der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) prüft bei Einzelunternehmern, Vereinsvorständen und Geschäftsführern, die selbst in der Kita tätig sind, die Führungszeugnisse und dokumentiert dies. Ansonsten liegt die Verantwortung für das Personal bei den Trägern. Aus diesem Grund verfügt die für Kindertagesbetreuung zuständige Behörde nicht über alle erforderlichen Daten zur vollständigen Beantwortung der Frage. Sie hat deshalb die Vertragspartner des Landesrahmenvertrages „Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen “ (Arbeiterwohlfahrt, Landesverband Hamburg e.V.; Caritasverband Hamburg e.V.; Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Hamburg; Der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband Hamburg e.V.; Diakonisches Werk Hamburg e.V., Kindermitte – Bündnis für soziales Unternehmertum und Qualität in der Kindertagesbetreuung e.V., SOAL – Alternativer Wohlfahrtsverband e.V., Elbkinder – Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH) gebeten die entsprechenden Auskünfte zu erteilen. In der für die Beantwortung dieser Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit hat die zuständige Behörde nur zwei verwertbare Rückmeldungen erhalten: Der Träger Deutsches Rotes Kreuz KiJu teilte mit, dass gemäß seines Schutzkonzeptes sämtliche Personen, die mit den Kindern arbeiten, ein aktuelles erweitertes Führungszeugnis vorlegen müssen. Dieses würde in Kopie in den Einrichtungen vorgehalten werden. Das betreffe zum Beispiel pädagogische Fachkräfte, Leiharbeitnehmer, Auszubildende, Praktikanten, Küchenpersonal, in- und externe Therapeuten und so weiter. Kein Führungszeugnis müssten zum Beispiel Handwerker, die ins Haus kämen, belegen. Die Anwesenheit von Fremdfirmen würde jedoch dokumentiert werden und die Leitung würde sicherstellen , dass diese Personen nie alleine Umgang mit den Kindern hätten. Der Träger Elbkinder – Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH hat mitgeteilt, dass die Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses vor Aufnahme der Tätigkeit und vor Abschluss des Arbeitsvertrags erfolgt. Bei Einstellung eines beziehungsweise einer Mitarbeitenden wird sowohl das Datum der Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses als auch das Ausstellungsdatum im Personalmanagementsystem hinterlegt. Quartalsmäßig wird ausgewertet und mit einem dreimonatigen Vorlauf werden diejenigen Mitarbeitenden angeschrieben, deren Führungszeugnis ausläuft. Sechs Wochen vor der Fälligkeit dieses Anschreibens erfolgt eine automatisierte Terminerinnerung an die Sachbearbeiter. Die Mitarbeitenden erhalten dann das Informationsschreiben mit der Aufforderung, sich ein erneutes Führungszeugnis ausstellen zu lassen und dieses anschließend in der Personalabteilung zur Einsicht einzureichen. Die Dokumentation erfolgt im Personalmanagementsystem. Auch von Honorarkräften und regelmäßig ehrenamtlich Tätigen wird ein Führungszeugnis eingefordert. Auch die Mitarbeitenden der Elbkinder in der Zentrale haben Führungszeugnisse vorgelegt, da viele von ihnen auch dienstliche Aufgaben in Kitas wahrnehmen. Für externe Firmen, die in den Kitas arbeiten (Gartenbaufirmen, Handwerker), haben die Elbkinder einen Verhaltenskodex entwickelt, der Voraussetzung zur Vergabe eines Auftrags ist. Bei diesem Verhaltens- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9269 3 kodex für externe Dienstleister geht es darum, keine wahrscheinlich gut gemeinten Verhaltensweisen den Kindern gegenüber zuzulassen, die die Gefahr eines Übergriffs bergen oder von Kindern oder deren Eltern missverstanden werden könnten: keine körperlichen Kontakte, das Anraten zu einem distanzierten Verhalten den Kindern gegenüber, Geschenke an Kinder nur in Absprache mit der Kita-Leitung, keine vertraulichen Gespräche mit einzelnen Kindern. 4. Gibt es Mechanismen beziehungsweise Instrumente, die Abweichungen von der Wiedervorlagepflicht des erweiterten Führungszeugnisses kenntlich machen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Dies ist grundsätzlich nicht notwendig, da bei Einleitung eines einschlägigen strafrechtlichen Verfahrens gegen eine Person, die in einer Kita tätig ist, Arbeitgeber und Aufsichtsbehörde eine Mitteilung von der Polizei (LKA) beziehungsweise der Staatsanwaltschaft erhalten. Der Träger Elbkinder – Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH hat mitgeteilt, dass sofern keine Rückmeldung der Mitarbeitenden vor Ablauf der Fünfjahresfrist erfolgt, derjenige beziehungsweise diejenige von der Arbeit freigestellt wird, bis er beziehungsweise sie das erneuerte Führungszeugnis vorlegt. Kann der beziehungsweise die Mitarbeitende einen Einzahlungsbeleg vorlegen, auf dem die Beantragung des Führungszeugnisses ersichtlich ist, kann er beziehungsweise sie, nach Abgabe einer Versicherung, dass es keine Einträge gibt, den Dienst wieder aufnehmen . Das Führungszeugnis muss dann zeitnah vorgelegt werden. 5. Wie oft erlangte die zuständige Behörde seit 2015 Kenntnis von Anlässen , die eine erneute „anlassbezogene“ Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses notwendig machten? Welche Anlässe waren dies? In zwei Fällen war dies notwendig. In diesen Fällen wurde durch die BASFI festgestellt , dass der Träger seiner Dokumentationspflicht in der Personalaktenverwaltung nicht sorgfältig nachgekommen war. Beide Träger mussten umgehend für alle einschlägig Beschäftigten aktuelle erweiterte Führungszeugnisse gegenüber der BASFI belegen. Des Weiteren wurden Sie hinsichtlich organisatorischer Maßnahmen und Veränderungen intensiv beraten und im Anschluss wurde deren Einhaltung engmaschig überprüft. 6. Welche weiteren Maßnahmen der Tageseinrichtungen sind dem Senat bekannt, die im Kontext der Umsetzung des § 13 „Schutz von Kindern“ umgesetzt werden a. zur Einschätzung des Gefährdungsrisikos? b. zur Einbeziehung erfahrener Fachkräfte? c. zur Beteiligung von Eltern? d. zur weiteren Stärkung des Kinderschutzes? e. zur Einbeziehung und Beteiligung des Jugendamtes? Wenn dem Senat zu den Punkten 6.a. – 6.e. keine Informationen vorliegen , auf welche Weise hält der Senat die Einhaltung des § 13 „Schutz von Kindern“ ein? Alle Hamburger Kindertageseinrichtungen hatten zum 30.6.2015 in der für Kindertagesbetreuung zuständigen Behörde Kinderschutz-Konzepte einzureichen, in denen dargestellt werden muss, wie die Rahmenvereinbarung zum Schutzauftrag der Kinderund Jugendhilfe gemäß §§ 8a und 72a SGBVIII inklusive der Einschätzung des Gefährdungsrisikos, der Einbeziehung erfahrener Fachkräfte und der Beteiligung des Jugendamtes umgesetzt werden sollen. Zusätzlich war eine konzeptionelle Darstellung gefordert, wie die Themen Beteiligung von Eltern in Form partnerschaftlicher Zusammenarbeit, die Beteiligung und der Umgang mit Beschwerden von Kindern, Grenzüberschreitungen/-Verletzungen von Mitarbeitenden gegenüber Kindern sowie Übergriffe von Kindern untereinander umgesetzt werden. Schließlich muss dargestellt Drucksache 21/9269 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 werden, welche Fortbildungen zu den Themen geplant sind beziehungsweise besucht werden. Für circa 95 Prozent aller Kitas liegen diese Schutzkonzepte der Fachbehörde vor. Mit den Kitas, die aktuell noch kein Schutzkonzept vorgelegt haben, ist die BASFI im Kontakt, um eine Vorlage der Schutzkonzepte zu erwirken. Der Träger Deutsches Rotes Kreuz KiJu verwies zudem auf sein Rahmenschutzkonzept und individuelle (ergänzende) Konzepte in allen seinen Einrichtungen. Der Träger habe flächendeckend „insofern erfahrene Fachkräfte“, die bei allen verdächtigen Vorfällen hinzugezogen werden (unter anderem gemäß Ablaufplänen bei Kindeswohlgefährdung oder Ähnlichem). Die Eltern werden bei der Erarbeitung der Schutzkonzepte einbezogen. Ihre Rolle bei entsprechenden Vorfällen sei genau beschrieben. Der Träger stärke den Kinderschutz darüber hinaus durch sein strategisches Arbeitsfeld „Partizipation“, durch sein Beschwerdemanagement (in der Weiterentwicklung) sowie durch ständige Fortbildungsmaßnahmen. Bezüglich der Einbeziehung der Jugendämter verweist er auf Vereinbarungen unter dem Titel „Zusammenarbeit Kita- ASD“. Die gelebte Praxis weise im Regelfall eine funktionierende Zusammenarbeit auf.