BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9276 21. Wahlperiode 06.06.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Ovens (CDU) vom 30.05.17 und Antwort des Senats Betr.: Deutsches Internet-Institut in Berlin – Kein Modell für Hamburg? Mitte Mai gab Bundesforschungsministerin Wanka die Gründung des Deutschen Internet-Instituts in Berlin bekannt. Fünf Hochschulen sollen künftig über die Folgen des digitalen Wandels forschen – gefördert mit 50 Millionen Euro. Das Berliner Konsortium – angeführt vom Wissenschaftszentrum (WZB), dazu gehören mit FU, HU, TU, UdK und Uni Potsdam alle großen Universitäten der Region sowie weitere außeruniversitäre Institute, – setzte sich gegen Konkurrenz aus München, Bochum, Karlsruhe und Hannover durch. 50 Millionen Euro vom Bund sollen in den kommenden fünf Jahren fließen, nach einer positiven Evaluation könnten fünf weitere Jahre dazukommen . Es ist zu erwarten, dass sich das Institut zu einem „Leuchtturm in der internationalen Wissenschaft“ entwickelt. Das Deutsche Internet-Institut ist binnen kurzer Zeit das zweite große IT-Zentrum, das in Berlin gegründet wird. Bereits im April 2017 nahm das Einstein Center Digital Future seine Arbeit auf, das mit 38,5 Millionen Euro vom Land Berlin, seinen Hochschulen sowie von Unternehmen finanziert wird und unter dessen Dach 50 neu geschaffene IT-Professorinnen und -Professoren forschen sollen. Neben Forschungseinrichtungen beteiligen sich 20 Unternehmen, wie SAP, Intel, Zalando oder die Deutsche Telekom an der Finanzierung und dem Aufbau des Zentrums. Beide Institute zeichnen sich damit durch ein Gesamtvolumen von knapp 90 Millionen Euro sowie 60 bis 70 IT-Professoren aus. Schließlich wurde jüngst auch die Gründung einer privaten IT-Hochschule, der Code University, verkündet, welche den Digitalstandort Berlin mit seiner pulsierenden Start-up-Szene und den neuen Forschungsinstituten einzigartig in Deutschland und vermutlich in Europa werden lässt. Vor diesem Hintergrund wirkt das vom Hamburger Senat annoncierte Programm ahoi.digital, welches ein Gesamtfördervolumen von gerade einmal 32,9 Millionen Euro hat, davon 13,6 Millionen Euro finanziert durch die Hamburger Hochschulen, mit 35 neuen Professorenstellen doch eher gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die zuständige Behörde und die beteiligten Hochschulen – Universität Hamburg (UHH), Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), Technische Universität Hamburg (TUHH) und HafenCity Universität (HCU) – haben im Februar 2017 die Realisierung der Informatikplattform „ahoi.digital“ bekannt gegeben und umgehend mit der konkreten Maßnahmenplanung und Umsetzung begonnen. Ziel ist ausdrücklich nicht der Aufbau einer eigenen Institutsstruktur, sondern, entsprechend den Empfehlungen des Wissenschaftsrates, der Auf- und Ausbau von Vernetzungen Drucksache 21/9276 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 und Kooperationen der beteiligten Einrichtungen und die Stärkung der Kerndisziplin Informatik in Hamburg, beispielsweise durch einen beträchtlichen Aufwuchs der Informatikprofessuren. Hierdurch wird die Plattform die Sichtbarkeit Hamburgs als Informatikstandort nach außen erhöhen. Sie basiert dabei auf den drei tragenden Säulen „Bildung“, „Forschung“ und „Transfer“: Als Kompetenzzentrum und Netzwerk gibt sie außerdem Impulse für Gründung und Innovation. Sie soll die Kooperation mit den städtischen Clustern stärken und die Verbindung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ausbauen. ahoi.digital versteht sich damit als Teil der gesamtstädtischen Digitalisierungsstrategie . Das Deutsche Internet-Institut verfolgt dagegen den Ansatz, eine ortsgebundene Institutsstruktur aufzubauen und ist geleitet von einer soziologisch ausgerichteten Fragestellung , die die Informatik als Fachdisziplin nur teilweise betrifft. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften des Hans-Bredow-Instituts (HBI) und der Hochschulen wie folgt: 1. War dem Hamburger Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde die Ausschreibung für die Errichtung des Deutschen Internet-Instituts bekannt? a) Wenn ja: seit wann? b) Wenn ja: Warum beziehungsweise auf welcher Entscheidungsgrundlage hat sich Hamburg mit seinen Universitäten und Hochschulen nicht um den Zuschlag für das Deutsche Internet-Institut beworben beziehungsweise warum hat Hamburg sich nicht an der Ausschreibung beteiligt? c) Wenn nein: warum nicht? Unter welchen Voraussetzungen und Prämissen hätte sich Hamburg an der Ausschreibung beteiligt? Die Ausschreibung der Projektförderung erfolgte im September 2015. Das HBI hat umgehend einen Netzwerkantrag „Networked Institute for Advanced Internet Studies (NAIS)“ koordiniert, an dem sich über 20 Partner in der ganzen Republik beteiligten, und diesen fristgerecht für die erste Auswahlrunde eingereicht. Das Konsortium wurde jedoch nicht zur Abgabe eines Vollantrages aufgefordert. 2. Inwieweit hätte das Deutsche Internet-Institut aus Sicht des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde eine Erweiterung beziehungsweise eine Bereicherung des Projektes ahoi.digital sein können? 3. Welche Aspekte und Strukturen des neuen Deutschen Internet-Instituts Berlin sind aus Sicht des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde auf das Hamburger Projekt ahoi.digital übertragbar beziehungsweise bei welchen fachlichen Aspekten können Wettbewerbssituationen entstehen? Die Zielsetzungen und Strukturen des Projekts ahoi.digital und des Berliner Instituts sind sehr unterschiedlich, insofern erscheinen Übertragungen nicht sinnvoll und Konkurrenzsituationen unwahrscheinlich. Beim Themenschwerpunkt „Information Governance Technologies“, der im Konzept von ahoi.digital vorgesehen ist, ist eine Zusammenarbeit denkbar. Im Rahmen der Landesforschungsförderung arbeiten derzeit die TUHH, der Fachbereich Informatik der UHH und das Hans-Bredow-Institut an einem entsprechenden Projekt, das die Bildung eines größeren, interdisziplinären Forschungsverbundes ermöglichen soll. Im Übrigen entstand die Projektinitiative zu einer Hamburger Informatikplattform im Jahre 2016 im Anschluss an die Empfehlungen des Wissenschaftsrates bezüglich der MINT-Studiengänge in Hamburg, ist also wesentlich jünger als die Ausschreibung für das Deutsche Internet-Institut. 4. Bis wann sollen die neuen Professuren des ahoi.digital-Programms besetzt sein? Wann werden die beiden Berliner Institute mit voller Besetzung arbeiten? Die Ausschreibung der zusätzlichen Professuren an den Hamburger Hochschulen erfolgt ab Juli 2017; zusätzlich werden zehn Juniorprofessuren im Rahmen des Ten- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9276 3 ure-Track-Programms des Bundes beantragt. Die Antragsfrist hierfür läuft bis zum 6. Juni 2017. Die Förderung der ersten Bewilligungsrunde beginnt zum 1. Dezember 2017, die zweite Bewerbungsrunde findet im Jahr 2019 statt. 5. Wie viele und welche externe Partner aus Verwaltung und Wirtschaft sind an dem Hamburger Projekt ahoi.digital in welchem finanziellen Umfang beteiligt? Wenn es keine Beteiligung der Privatwirtschaft gibt: warum nicht? Gegenwärtig finden in Abstimmung mit den zuständigen Behörden Sondierungsgespräche mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der Hamburger Wirtschaft statt, die mögliche Formen der Zusammenarbeit und der Beteiligung betreffen. Diese Gespräche sind angesichts der noch sehr kurzen Projektlaufzeit noch nicht abgeschlossen. 6. Google eröffnete jüngst ein großes Forschungszentrum in München anstatt am Stammsitz in Hamburg. Offenbar sind dort Infrastruktur und Personal für die zukünftig bis zu 800 IT-Ingenieure gegeben, in Hamburg nicht. Wie will der Senat den Standort Hamburg im Wettbewerb mit Berlin und München zukünftig aufstellen? Welche strategische und finanzielle Priorität wird die Entwicklung des Digitalstandorts zukünftig haben, und welche Maßnahmen sind bislang geplant, damit Hamburg nicht noch weiter zurückfällt? Hamburg gehört bundesweit zu den führenden Digital-Standorten und konnte diese Position in den letzten Jahren festigen. Die Hamburger Wirtschaft ist bezüglich der Transformation von analogen Geschäftsprozessen hin zu digitalen gut aufgestellt und findet gute Rahmenbedingungen vor, was auch unabhängige Studien belegen. So hat der Bitkom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) im Bundesländervergleich 2016 festgestellt, das Hamburg mit 3,8 Prozent den höchsten Anteil von Informatikern an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten besitzt. Die Digitalisierung des Hafens nach der Philosophie des smartPorts wurde bereits 2015 mit dem Preis „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“ für den Bereich „Stadt, Land, Netz! Innovationen für eine digitale Welt“ prämiert . Nach einer aktuellen Studie von PricewaterhouseCoopers und dem Institut für Verkehrsforschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist Hamburg im Bereich der digitalen Mobilität die modernste deutsche Stadt. Der aktuelle Gründungsmonitor der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) kommt zu dem Ergebnis, dass Hamburg Gründerhauptstadt ist. Schließlich dokumentieren zahlreiche Ansiedlungen digitaler Unternehmen die starke Stellung Hamburgs als Digitalstandort. Der Senat wird daher seine positive Arbeit und die Umsetzung des Koalitionsvertrages fortführen .