BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/93 21. Wahlperiode 24.03.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 18.03.15 und Antwort des Senats Betr.: Zentrum zur Telekommunikationsüberwachung Nord Im Jahr 2011 wurde ein Projekt über die technische Kooperation bei der Telekommunikationsüberwachung der Polizei im Verbund der norddeutschen Küstenländer begonnen. Auf der Homepage von Innensenator Neumann ist hierzu zu lesen: „Vor diesem Hintergrund haben sich die fünf Nordländer (HH, HB, SH, Nds, MV) Ende 2011 darauf verständigt, eine gemeinsames Rechen- und Dienstleistungszentren an den Standorten Hannover und Hamburg einzurichten [sic]. Die Vorarbeiten haben bereits begonnen, eine Inbetriebnahme dieser gemeinsamen Einrichtung ist für 2016 vorgesehen. Alle teilnehmenden Länder werden von dieser Zentralisierung fachlich und wirtschaftlich profitieren: neben einer Technik auf modernstem Stand können zugleich merkliche Einsparungen im Bereich der Investitions- und Betriebskosten erwartet werden.“ (http://www.neumann-hamburg.de/2012/02/07/ norddeutsche-zusammenarbeit-in-der-inneren-sicherheit/). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie lautet die konkrete Vereinbarung zur Errichtung des TKÜ Nord? Die Konferenz der Innenminister und -senatoren der norddeutschen Küstenländer (Nord-IMK) sah auf ihrer Sitzung am 27. September 2010 in der Zentralisierung der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) im Bereich der Polizeien der Länder Bremen , Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein eine geeignete Maßnahme zur Erzielung von fachlichen und technischen Vorteilen sowie von Synergieeffekten. Die Nord-IMK begrüßte die durch eine Arbeitsgruppe vorgeschlagene schrittweise Umsetzung. Diese umfasste in einer ersten Phase die Realisierung einer technischen Kooperation der vorhandenen ländereigenen TKÜ-Anlagen sowie in einer zweiten Phase die Zentralisierung in einem redundant ausgelegten Rechen- und Dienstleistungszentrum (RDZ). Die Nord-IMK bat um schnellstmögliche Realisierung der technischen Kooperation (Phase 1) und um Einleitung der für die weitere Realisierung vorgesehenen Schritte (Phase 2). 2. Wie ist der Planungsstand hinsichtlich des Projekts? 3. Wo soll das TKÜ Nord räumlich und organisatorisch angesiedelt werden ? Das länderübergreifende Projekt RDZ wurde am 18. Juli 2011 auf Veranlassung des Landespolizeipräsidenten Niedersachsens – stellvertretend für die Leiter der Polizeiabteilungen aller norddeutschen Innenministerien und -behörden – beim Landeskrimi- Drucksache 21/93 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 nalamt Niedersachsen eingerichtet. Die Projektleitung ist im LKA Niedersachsen angegliedert. Im Jahr 2012 erging der Beschluss der Nord-IMK, das RDZ räumlich und organisatorisch am Standort des LKA Niedersachsen in Hannover zu errichten. Der Betrieb der Phase 1 (technische Kooperation der vorhandenen ländereigenen TKÜ-Anlagen) wurde Ende 2012 aufgenommen. Im Jahr 2014 legte die Nord-IMK das Jahr 2020 als Zeitpunkt für die Inbetriebnahme des RDZ fest. Gleichzeitig wurde beschlossen, die Vereinbarung zwischen den beteiligten Ländern für die Einrichtung und den Betrieb des RDZ im Rahmen eines Staatsvertrages zu regeln und hierzu in das förmliche Verhandlungsverfahren zum Abschluss eines Staatsvertrages über die Einrichtung und den Betrieb des RDZ einzutreten . Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Darüber hinaus hat die Nord-IMK die Mitglieder ihres Arbeitskreises II beauftragt, unverzüglich die notwendigen Schritte zur weiteren Realisierung des RDZ einzuleiten. Die hierfür erforderliche Planung des Projektes befindet sich aktuell in der Abstimmung . 4. In welcher Rechtsform soll das Projekt errichtet werden? Bitte die Gründe angeben. Nach derzeitigem Planungsstand soll das RDZ eine eigenständige und organisatorisch direkt bei der Leitung angebundene Einheit im Landeskriminalamt Niedersachsen werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des RDZ wären personal- und dienstrechtlich Angehörige des LKA Niedersachsen. Als Bindeglied zwischen dem technischen Dienstleister RDZ in Niedersachsen und der polizeilichen Sachbearbeitung, die weiterhin in den Ländern geleistet wird, soll in jedem beteiligten Land eine Zentralstelle eingerichtet werden. In Hamburg wird diese im Landeskriminalamt eingerichtet. Zur Sicherstellung der Berücksichtigung fachlicher Belange und Interessen aller beteiligten Länder soll ein Beirat gebildet werden, der sich als Kontroll- und Beratungsinstanz aus den Leiterinnen und Leitern der Landeskriminalämter zusammensetzt. Die Wahl der Rechtsform ist Ergebnis eines Prüfprozesses, in dem neben der beschriebenen Rechtsform auch die Rechtsformen einer Anstalt öffentlichen Rechts sowie eines Landesbetriebs geprüft worden sind. 5. Welche konkreten Aufgaben sollen durch das Zentrum geleistet werden? Bitte detailliert nach aktuellem Planungsstand auflisten. Das RDZ soll die technische Durchführung sowie die einschlägige fachliche Beratung für TKÜ-Maßnahmen der beteiligten Polizeibehörden leisten. Darüber hinaus soll im RDZ insbesondere durch Marktanalysen, eigene Forschungsund Entwicklungsarbeit, die Beteiligung an fachbezogenen Forschungsprojekten sowie die Mitwirkung in Gremien der Blick auf die aktuelle Fortentwicklung des Telekommunikationsmarktes gerichtet werden, um so Handlungserfordernisse frühzeitig erkennen und umsetzen zu können. 6. Welche Befugnisse soll das TKÜ Nord zur Wahrnehmung dieser Aufgaben in welcher rechtlichen Form erhalten? Bitte detailliert auflisten. Das RDZ ist als zentraler Dienstleister zur technischen Umsetzung von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen für die Länderpolizeien vorgesehen. Die Hoheit des staatlichen Handelns im Bereich der TKÜ verbliebe dezentral bei den beauftragenden Ländern. 7. Welche personenbezogenen Daten sollen im TKÜ Nord auf welcher Rechtsgrundlage und mit welchen technischen Mitteln erhoben und verarbeitet werden? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/93 3 Die Erhebung personenbezogener Daten würde nach den einschlägigen Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO) sowie der Landesgesetze zur polizeilichen Gefahrenabwehr erfolgen. 8. Inwiefern sind die Datenschutzbeauftragten der beteiligten Länder involviert ? Die Landesdatenschutzbeauftragten (LfD) der fünf am Projekt beteiligten Länder wurden frühzeitig entsprechend der Landesdatenschutzgesetze durch die jeweiligen Länder informiert und fortlaufend eingebunden. Die LfD haben sich bereits Anfang 2012 darauf verständigt, ihre Abstimmungen untereinander vorzunehmen und die Kommunikation mit dem Projekt über einen LfD zu führen. Diese Federführung im vorgenannten Sinne liegt beim LfD des Landes Schleswig-Holstein („ULD“). 9. Wie lautet das Konzept zum Datenschutz? Nach welchen rechtlichen Grundlagen richtet sich der Datenschutz im TKÜ Nord? Das Konzept zum Datenschutz für das geplante RDZ wird derzeit noch erarbeitet. Der Datenschutz im RDZ richtet sich unter Berücksichtigung des konkreten Einzelauftrags nach den jeweils einschlägigen Rechtsgrundlagen (insbesondere denen zur Telekommunikationsüberwachung) der StPO, der Landesgesetze zur polizeilichen Gefahrenabwehr beziehungsweise Datenverarbeitung sowie der Landesdatenschutzgesetze . 10. Welche Kosten entstehen für Hamburg durch das TKÜ Nord? Es ist vorgesehen, eine Obergrenze für die Investitionen in den Staatsvertrag aufzunehmen . Die Verhandlungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. 11. Die Pressestelle des Senats der Freien Hansestadt Bremen schrieb: „Die IMK-Nord nimmt den Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppe von Polizei und Verfassungsschutz der norddeutschen Küstenländer „Prüfung der Möglichkeit einer Bildung eines regionalen TKÜ-Zentrums im Verbund der norddeutschen Küstenländer“ zur Kenntnis.“ (http://www.senatspressestelle.bremen.de/detail.php?id=22598). a) Inwiefern waren die Landesämter für Verfassungsschutz der beteiligten Länder an der bisherigen Ausarbeitung des TKÜ Nord beteiligt ? Bitte detailliert darstellen. b) Inwiefern sollen die Landesämter für Verfassungsschutz der beteiligten Länder an der Datenerhebung beziehungsweise -verarbeitung des TKÜ Nord beteiligt sein? c) Inwiefern sollen die Landesämter für Verfassungsschutz der beteiligten Länder Zugriff auf die durch das TKÜ Nord erhobenen beziehungsweise verarbeiteten Daten haben? d) Inwiefern sollen die Landesämter für Verfassungsschutz der beteiligten Länder räumlich an das TKÜ Nord angeschlossen sein? e) Durch welche konkreten Maßnahmen wird dem Trennungsgebot inwiefern Rechnung getragen? Bitte die konkreten Maßnahmen aufführen beziehungsweise angeben, warum keine konkreten Maßnahmen aufgeführt werden können. Im Jahr 2008 wurde von einer Arbeitsgruppe der Nord-IMK zunächst geprüft, ob die Einrichtung eines regionalen TKÜ-Zentrums im Verbund der norddeutschen Küstenländer unter Beteiligung der jeweiligen Polizeien und Landesämter für Verfassungsschutz möglich ist. Aus rechtlichen Gründen wurde eine Einbeziehung der Landesämter für Verfassungsschutz nicht weiterverfolgt. 12. Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein gibt an: „Das von der Innenministerkonferenz der norddeutschen Küstenländer begonnene Projekt zur Realisierung des gemeinsamen Rechenund Dienstleistungszentrums zur Telekommunikationsüberwachung (RDZ TKÜ) ist zweistufig angelegt. In einer ersten Stufe sollen alle Län- Drucksache 21/93 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 der miteinander kooperieren. Dies bedeutet, dass bei Ausfall oder Überlastung der TKÜ-Anlage in Schleswig-Holstein die TKÜ-Anlage in Hamburg oder Niedersachsen die Überwachungsmaßnahme durchführen kann. Diese erste Phase hat bereits begonnen. Die Länder haben mit Hamburg und mit Niedersachsen Auftragsdatenverarbeitungsverträge geschlossen, welche die Rahmenbedingungen für eine tatsächliche Übernahme einer Telekommunikationsüberwachung regeln.“ (https://www.datenschutzzentrum.de/material/tb/tb34/kap04_2.htm). a) Welche Auftragsdatenverarbeitungsverträge bestehen bereits jetzt zwischen den Ländern? Es besteht ein Verwaltungsabkommen zur technischen Kooperation. In diesem Zusammenhang bestehen zwischen den Landeskriminalämtern Bremen, Niedersachsen , Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg Aufträge zur Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten. b) Inwiefern sind diese Verträge für wen wie einsehbar? Die Auftragsdatenverarbeitungsverträge sind ausschließlich für den polizeilichen Dienstgebrauch bestimmt. c) Welche konkreten Kooperationen werden seit wann gestützt auf diese Verträge durchgeführt? d) Wie oft kam es zu Ausfall oder Überlastung der TKÜ-Anlage eines der beteiligten Länder, sodass die TKÜ-Anlagen der anderen Länder die Überwachungsmaßnahmen durchgeführt haben? Welches Datenschutzkonzept wurde für diesen Fall erarbeitet und nach welchen rechtlichen Grundlagen richtete sich in diesen Fällen der Datenschutz? Ein Kooperationsfall ist bisher nicht eingetreten. Im Übrigen ist kein separates Datenschutzkonzept Kooperationsphase gefertigt worden ; die zwischen den beteiligten Bundesländern auf den einschlägigen Rechtsgrundlagen basierenden Regelungen zur Einhaltung des Datenschutzes für die Kooperationsphase sind insbesondere im Verwaltungsabkommen und in den geschlossenen Verträgen zur Auftragsdatenverarbeitung enthalten. Auch in der Kooperationsphase richtet sich der Datenschutz unter Berücksichtigung des konkreten Einzelauftrags nach den jeweils einschlägigen Rechtsgrundlagen des Bundes- und Landesrechts.