BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9313 21. Wahlperiode 09.06.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Dolzer (DIE LINKE) vom 01.06.17 und Antwort des Senats Betr.: Videoüberwachung im Frauenvollzug und weitere Aspekte In einem Artikel der „Süddeutsche Zeitung“ vom 11. Mai heißt es: „Menschenunwürdige Zustände in einigen deutschen Haftanstalten hat die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter festgestellt. (…) Etwa 13 000 Einrichtungen gibt es in Deutschland, in denen Menschen in irgendeiner Form die Freiheit entzogen wird, von Justizvollzugsanstalten über Jugendhilfeeinrichtungen bis hin zu Pflegeheimen, wo Senioren mitunter fixiert werden.“ In ihrem aktuellen Bericht für das Jahr 2016, in dem etwa 70 Häuser besucht wurden, bemängelt die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter, dass in Haftzellen einiger Gefängnisse und Polizeistationen selbst der Toilettenbereich videoüberwacht sei. Explizit erwähnt werden Frauengefängnisse in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Bremen. Die Aufnahmen liefen in Sicherheitszentralen auf, in denen auch Männer vor den Monitoren säßen. Dass eine Überwachung auch menschenwürdig möglich sei, zeige vorbildlich etwa die JVA in Rohrbach in Rheinland-Pfalz. Dort werde der Toilettenbereich nur verpixelt dargestellt. Kritisch gesehen wird auch, wenn sich Gefangene vollständig entkleiden müssen, um durchsucht zu werden. Dies sei ein „schwerwiegender Eingriff“ in die Persönlichkeitsrechte und dürfe nicht zur Routine werden (http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/ gefaengnisse-menschenrechtler-kritisieren-haftzustaende-in-deutschland- 1.3501140 und http://www.nationale-stelle.de/fileadmin/dateiablage/ Dokumente/Berichte/Jahresberichte/ Jahresbericht_2016_Nationale_Stelle.pdf). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Es liegt im besonderen Interesse aller Anstalten in Hamburg, die Intimsphäre der Gefangenen zu beachten und zu schützen. Insofern erfolgt eine Videoüberwachung in Toilettenbereichen nur bei einer Unterbringung in besonders gesicherten Hafträumen aufgrund von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder aufgrund akuter Selbstverletzungs- oder Suizidgefahr. Um auszuschließen, dass – wie von der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter im Rahmen eines Besuchs der Teilanstalt für Frauen (TAF) im September 2016 bemängelt wurde – eine Person eines anderen Geschlechts als die im besonders gesicherten Haftraum untergebrachte Person den Monitor der Videoüberwachung einsehen kann, ist die Verpixelung des dortigen Toilettenbereichs der durch Videoüberwachung einsehbaren besonderen Hafträume umgehend vorgenommen worden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. In welchen Hamburger Haftanstalten findet eine Videoüberwachung statt? Drucksache 21/9313 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Videoüberwachung findet ausschließlich in den Hamburgischen Anstalten des geschlossenen Vollzuges statt. 2. Auf welche Rechtsgrundlage stützt sich die Videoüberwachung in Hamburger Haftanstalten? Die Videoüberwachung stützt sich auf folgende Rechtsgrundlagen: § 119 Hamburgisches Strafvollzugsgesetz (HmbStVollzG) § 115 Hamburgisches Jugendstrafvollzugsgesetz (HmbJStVollzG) § 102 Hamburgisches Untersuchungshaftvollzugsgesetz (HmbUVollzG) § 105 Hamburgisches Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz (HmbSVVollzG) § 51 Hamburgisches Jugendarrestvollzugsgesetz (HmbJAVollzG) i.V.m. § 115 HmbJStVollzG Erfolgt die Videoüberwachung zur Beobachtung in besonderen Hafträumen, sind zudem folgende Rechtsgrundlagen heranzuziehen: § 74 HmbStVollzG § 74 HmbJStVollzG § 54 HmbUVollzG § 69 HmbSVVollzG § 51 HmbJAVollzG i.V.m. § 74 HmbJStVollzG 3. Inwiefern werden Daten aus dieser Überwachung gespeichert? Die durch die Videoüberwachung erstellten Bildaufnahmen werden in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder, in der JVA Fuhlsbüttel sowie in der JVA Hahnöfersand unter Beachtung der rechtlich zulässigen Dauer aufgezeichnet. In der Untersuchungshaftanstalt wird derzeit die Aufzeichnungsmöglichkeit und -kapazität getestet. a) Auf welcher Rechtsgrundlage? Siehe Antwort zu 2. b) Welche Stellen haben auf welcher Rechtsgrundlage Zugriff auf die Daten? Zugriff auf die gewonnen Daten haben die Anstalten. In der JVA Billwerder sind dies der Koordinator für Sicherheitstechnik sowie dessen zwei Vertreter, in der JVA Fuhlsbüttel sind vier Bedienstete berechtigt (stellvertretende Anstaltsleiterin, Sicherheitsdienstleiter , Leiter Revision, Vollzugsdienstleiter). In der JVA Hahnöfersand sind die Anstaltsleitung und deren Vertretung, die Sicherheitsdienstleitung und deren Vertretung sowie die Vollzugsleitungen berechtigt, in der Untersuchungshaftanstalt ist dies derzeit nur der mit der Testung beauftragte Dienstleister. c) Wie ist die Löschung der Daten technisch sichergestellt? Die Löschung ist durch eine sogenannte Ringspeicher-Technik sichergestellt. Die Daten werden nach Ablauf einer festgelegten Zeit automatisch durch neue Daten überschrieben. 4. In welchen Bereichen der Haftanstalten findet diese Videoüberwachung statt? (Bitte nach Haftanstalten und Bereichen aufgliedern.) In der JVA Billwerder, der JVA Fuhlsbüttel, der Sozialtherapeutischen Anstalt Hamburg und der Untersuchungshaftanstalt werden die mechanischen Anlagen der Außensicherung , die Eingangsbereiche, die Freiflächen innerhalb der Anstalten und bestimmte sicherheitsrelevante Bereiche innerhalb der Gebäude videoüberwacht. In der JVA Hahnöfersand werden die mechanischen Sicherungsanlagen des geschlossenen Jugendvollzuges, ganz überwiegend die Freiflächen innerhalb der Anstalt, sowie bestimmte sicherheitsrelevante Bereiche innerhalb der Gebäude videoüberwacht. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9313 3 5. In welchen Hamburger Haftanstalten werden die Toilettenbereiche Videoüberwacht? Toilettenbereiche werden in der JVA Billwerder, in der JVA Fuhlsbüttel, in der JVA Hahnöfersand sowie in der Untersuchungshaftanstalt und der TAF videoüberwacht, dies betrifft ausschließlich besonders gesicherte Hafträume. 6. Wo wird die Videoüberwachung von Toilettenbereichen eingesehen? (Bitte nach Haftanstalten aufgliedern). In den genannten Anstalten läuft die Videoüberwachung in der jeweiligen Stationsaufsicht vor Ort auf. Die jeweilige Sicherheitszentrale der Anstalt kann sich zusätzlich aufschalten. In der Untersuchungshaftanstalt erfolgt mangels Bildaufzeichnung aktuell keine Einsichtnahme (siehe Antwort zu 3.). 7. Ist in einer oder mehreren Hamburger Haftanstalten die Videoüberwachung von Frauentoiletten für männliches Sicherheitspersonal einsehbar ? (Bitte nach Haftanstalten aufgliedern.) 8. Plant der Senat eine Verpixelung der Videoüberwachung der Toilettenbereiche ? Falls nein, warum nicht? Die Videoaufnahmen der Toilettenbereiche in der TAF sowie in der JVA Hahnöfersand sind bereits verpixelt. Eine Ausweitung der Anwendung dieser Technik auf andere Standorte wird geprüft. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 9. Es können mehrere Gründe vorliegen, aus denen Frauen den Besuch eines Gynäkologen ablehnen. Besteht, wie die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter es fordert, in oder seitens den/der Hamburger Haftanstalten die Möglichkeit für Frauen, eine Gynäkologin aufzusuchen, ohne dass sie dies auf Grundlage der Offenlegung persönlicher Informationen begründen müssen? Es ist organisierbar, Patientinnen, die in Billwerder nicht von dem männlichen Gynäkologen untersucht werden möchten, im Zentralkrankenhaus (ZKH) der unter Vertrag stehenden Gynäkologin vorzustellen. Bisher sind solche Anfragen jedoch nicht gestellt worden. 10. Wird in den Hamburger Haftanstalten bei vollständiger Entkleidung vor Justizbeamten/-innen das Zweiphasenmodell angewandt, bei dem stets ein Teil der Kleidung anbehalten werden kann? (Dieses Modell betrachtet die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter als die beste Praxis zur Wahrung der Würde.) Das Zweiphasenmodell wird in der JVA Fuhlsbüttel angewendet. Eine Ausnahme stellt die mit Entkleidung verbundene Durchsuchung auf der Sicherungsstation dar. Hier wird der Gefangene bis auf die Unterhose entkleidet, welche dann für einen kurzen Moment von dem Gefangen bis zu den Knien herabgelassen und nach der Inspektion wieder hochgezogen werden kann. Diese letztgenannte Verfahrensweise wird auch in der JVA Billwerder sowie in der JVA Hahnöfersand angewendet. 11. Fanden seit 2015 Fälle von Fixierungen in der Jugendhaftanstalt Hahnöfersand statt? Wenn ja, a) bitte Anzahl und Gründe auflisten. b) für welchen maximalen Zeitraum? c) auf welcher Rechtsgrundlage? Fixierungen an die Bettstatt JVA Hahnöfersand 2015 Zeitraum Begründung Rechtsgrundlage 1 14 Std., 40 Min. Gewalt gegen Personen und Sachen § 54 (2) Nr. 6 HmbUVollzG Drucksache 21/9313 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Fixierungen an die Bettstatt JVA Hahnöfersand 2015 Zeitraum Begründung Rechtsgrundlage 2 1 Std., 35 Min. Gewalt gegen Personen und Sachen § 54 (2) Nr. 6 HmbUVollzG 3 6 Std., 20 Min. Gewalt gegen Personen und Sachen § 54 (2) Nr. 6 HmbUVollzG 4 1 Std., 58 Min. Gefahr der Selbstverletzung § 54 (2) Nr. 6 HmbUVollzG 5 19 Std.,30 Min. Gewalt gegen Personen und Sachen § 74 (2) Nr. 6 HmbJSt- VollzG 6 3 Std., 50 Min. Gewalt gegen Personen und Sachen § 54 (2) Nr. 6 HmbUVollzG 7 21 Std., 05 Min. Gefahr der Selbstverletzung § 54 (2) Nr. 6 HmbUVollzG 8 23 Std., 15 Min. Gewalt gegen Personen und Sachen § 54 (2) Nr. 6 HmbUVollzG 9 19 Std., 25 Min. Gefahr der Selbstverletzung § 74 (2) Nr. 6 HmbJSt- VollzG 2016 1 43 Std., 46 Min. Gefahr der Selbstverletzung § 74 (2) Nr. 6 HmbJSt- VollzG 2 14 Std., 05 Min. Gewalt gegen Personen und Sachen § 74 (2) Nr. 6 HmbJSt- VollzG bis 31.05.2017 1 17 Std., 30 Min. Gefahr der Selbstverletzung § 54 (2) Nr. 6 HmbUVollzG 2 34 Std., 25 Min. Gewalt gegen Personen und Sachen § 54 (2) Nr. 6 HmbUVollzG