BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9325 21. Wahlperiode 09.06.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Michael Westenberger und Dennis Thering (CDU) vom 01.06.17 und Antwort des Senats Betr.: Innovationslinie 109 – Evaluationsbedarf Laut Angaben auf der Website1 der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN) verkehrt seit Dezember 2014 auf der knapp zehn Kilometer langen Strecke zwischen dem Hauptbahnhof/ZOB und dem U-Bahnhof Alsterdorf die sogenannte „Innovationsbuslinie 109“. Auf dieser Strecke würden seither ausschließlich Busse mit „innovativen Antrieben“ getestet: Volvo-Plug-In-Elektro- Hybridbus, Brennstoffzellenhybridbus, Batteriebus mit Brennstoffzelle als Range Extender sowie dieselelektrischer Hybridbus. Ab 2016 sollten reine Batteriebusse hinzukommen. Etwa sieben Kilometer der Strecke sollen bislang rein elektrisch zurückgelegt werden. Die Rede ist von 15.000 Fahrgästen . Durch die Maßnahme sollen einerseits für ganz Hamburg geeignete Busse gefunden werden als auch die Antriebe dieser Buslinie weiterentwickelt werden. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die Linie 109 führt seit Dezember des Jahres 2014 den Zusatz Innovationslinie. Auf der Innovationslinie 109 werden Fahrzeuge mit innovativen Antrieben mit dem Ziel erprobt, die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Buskonzepte im Alltagsbetrieb zu bewerten. Dabei geht es zunächst ausschließlich um die Praxistauglichkeit der Busse im Betrieb, um langfristig eine stufenweise Umstellung der Busflotte auf rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge zu ermöglichen. Die HOCHBAHN wird weitere emissionsfreie Busse beschaffen und auf anderen Linien einsetzen. Damit entfällt die bisherige alleinige Ausrichtung auf die Innovationslinie 109. Diese hat bereits einen wesentlichen Beitrag zur Absicherung künftiger Investitionsentscheidungen sowie zu einem wachsenden Bewusstsein für die Bedeutung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) beim Klima- und Umweltschutz durch die Hamburger Bürgerinnen und Bürgern geleistet. Zudem trägt sie zu einer positiven Wahrnehmung Hamburgs im Bereich des öffentlichen Verkehrs bei Ministerien und Entscheidungsträgern des Bundes sowie anderer Länder bei. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN) wie folgt: 1. Welche Modelle mit welchen Antriebstechnologien verkehren und verkehrten von wann bis wann auf der genannten Strecke der Innovationslinie 109? (Bitte jeweils einzeln aufschlüsseln.) 1 http://dialog.hochbahn.de/bus-in-zukunft/innovationslinie-109-hamburg/, letzter Zugriff: 1. Juni 2017. Drucksache 21/9325 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Es kommen dort folgende Bustypen mit alternativen Antriebstechnologien zum Einsatz : Fahrzeugtyp Im Einsatz seit Im Einsatz bis Brennstoffzellenbus Dezember 2014 laufend Batteriebus mit Brennstoffzelle als Range Extender Februar 2015 laufend serieller Dieselhybridbus Dezember 2014 Oktober 2016 paralleler Dieselhybridbus Dezember 2014 laufend Plug-In Bus Dezember 2014 laufend Batteriebus November 2016 laufend 2. Aus welchen Gründen wurden welche Modelle mit welchen Antriebstechnologien wann ausgesetzt, zusätzlich eingesetzt und weiterhin eingesetzt ? (Bitte jeweils einzeln aufschlüsseln.) Sofern Fahrzeugtypen mit alternativen Antriebstechnologien nicht durchgehend von Dezember des Jahres 2014 bis heute auf der Innovationslinie 109 zum Einsatz gekommen sind (siehe Antwort zu 1.), ist dies darauf zurückzuführen, dass dieser Fahrzeugtyp erst später in den Fuhrpark der HOCHBAHN aufgenommen wurde beziehungsweise bereits wieder aus dem Fuhrpark ausgeschieden ist. Die seriellen Dieselhybridbusse wurden im Oktober des Jahres 2016 aus dem Fuhrpark genommen , da der Servicevertrag für diese Fahrzeuge ausgelaufen war und ein neuer Servicevertrag nicht wirtschaftlich war. 3. Sind seit Jahresbeginn 2016 reine Batteriebusse auf der Strecke eingesetzt worden, wie auf der Website der HOCHBAHN beschrieben? Wenn ja, seit wann genau? Wenn nein, warum nicht? Im Hochbahn-Blog vom 18.12.2014 ist dargestellt, dass batterieelektrische Busse „voraussichtlich 2016“ auf der Linie 109 eingesetzt werden sollen. Dies ist seit November 2016 der Fall. 4. Welche Energieformen/-quellen werden bei den eingesetzten Modellen verwendet und welche Kosten produzieren die Busse der Innovationslinie 109 auf 100 Kilometern dieser Strecke? (Bitte jeweils einzeln aufschlüsseln .) Auf der Innovationslinie 109 werden die folgenden Energieformen (mit ihren Quellen) eingesetzt: Typ Energieträger Bemerkung Volvo-Plug-In-Elektro- Hybridbus Diesel, Strom Strom für rund 60 % der Leistung aus erneuerbaren Energien (EE) von Hamburg Energie Brennstoffzellenhybridbus Wasserstoff, Strom Wasserstoff 50 % aus EE, 50 % Beiprodukt Industrieprozesse Batteriebus mit Brennstoffzellen als Range-Extender Wasserstoff, Strom Strom aus EE von Hamburg Energie, Wasserstoff aus EE bzw. Beiprodukt Batteriebus Strom Strom aus EE von Hamburg Energie Dieselelektrischer Hybridbus Diesel Diverse Lieferanten (Mineralöl-wirtschaft) Bei den ermittelten Daten handelt es sich um Werte für Erprobungsfahrzeuge, die noch nicht die bei Dieselbussen vorhandene langjährige technische Optimierung durchlaufen haben. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9325 3 Ein Kostenvergleich ist derzeit noch nicht möglich, da die eingesetzten Fahrzeuge einen unterschiedlichen technischen Entwicklungsstand haben. Dieser reicht von annähender Serienreife (dieselelektrischer Hybridbus) mit optimiertem Energiemanagement bis zu Prototypen (technische Machbarkeit), bei denen der Schwerpunkt nicht auf der Optimierung des Energieverbrauches liegt. Bei den Volvo-Bussen kommt eine fossile Heizung zum Einsatz. Die anderen Hersteller haben elektrische Lösungen in der Erprobung. Zudem bieten die Busse aktuell nicht die Möglichkeit, den Stromanteil für den Antrieb beziehungsweise die Heizung und Klimatisierung der Busse zu messen. Für Diesel und Strom gibt es ein eingespieltes Produktionsverfahren mit stabilen Preisen. Die Produktion und Preisbildung von Wasserstoff, wie er für Brennstoffzellenbusse benötigt wird, befinden sich noch am Anfang der Entwicklung – hier ist noch nicht absehbar, welchen Preis Wasserstoff zukünftig haben wird. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Wie viel Diesel verbraucht ein dieselgetriebener ÖPNV-Bus in Hamburg durchschnittlich auf 100 Kilometern und welche Kosten werden dadurch versursacht? Der Durchschnittsverbrauch der konventionellen Dieselbusse der HOCHBAHN beträgt abhängig von der jeweiligen Gefäßgröße circa 42 l/100 km bis circa 75 l/100 km. Für das aktuelle Jahr wurde ein Kraftstoffpreis von circa 0,90 Euro/l (inklusive Energiesteuer exklusive MwSt.) in der Planung unterstellt. 6. Wie viel Benzin verbraucht ein benzingetriebener ÖPNV-Bus in Hamburg durchschnittlich auf 100 Kilometern und welche Kosten werden dadurch versursacht? Benzingetriebene Busse werden von der HOCHBAHN nicht eingesetzt. 7. Welche emissionsreduzierenden Effekte erzielte und erzielt die Innovationslinie 109 durch welche eingesetzten Modelle? (Bitte jeweils einzeln aufschlüsseln.) Soweit die Busse ganz (Hybridbusse) oder anteilig (Plug-in-Hybrid-Busse) mit Diesel betrieben werden, sind sie mit Abgasnachbehandlungssystemen entsprechend Euro 6 ausgestattet. Damit werden die Emissionen von Feinstaub und Stickoxid fast bis zur Nachweisgrenze reduziert. Alle Hybridbusse verfügen außerdem über eine Systematik zur Rekuperation (Rückgewinnung) von Energie etwa beim Bremsen. Damit können je nach ihrem Einsatz bis zu 20 Prozent Treibstoff eingespart werden. Busse mit Wasserstoff sind auch bei CO2 völlig emissionsfrei, wenn vollständig Wasserstoff aus erneuerbaren Energien genutzt wird. 8. Welche Informationen und Effekte hat die Innovationslinie 109 bislang insgesamt gebracht und welche Erkenntnisse liegen für die früher und derzeit eingesetzten Modelle diesbezüglich vor? (Bitte jeweils einzeln aufschlüsseln.) 9. Welche Schlussfolgerungen konnten wann und können aktuell für andere Linien und Strecken daraus gezogen werden? (Bitte jeweils einzeln aufschlüsseln.) Parallel zur derzeit laufenden Erprobung im Praxisbetrieb finden intensive Gespräche mit den Herstellern der Busse statt. Diese wurden ergänzt um wissenschaftliche Studien zu dezentralen Ladekonzepten, Wasserstoffinfrastruktur auf Busbetriebshöfen der HOCHBAHN sowie den Auswirkungen auf das Stromnetz bei Umstellung vollständiger Betriebshöfe auf elektrisches Laden. Ausgehend von diesen Erkenntnissen richtet sich die HOCHBAHN in den nächsten Jahren primär auf den Einsatz von Batteriebussen mit Laden auf Busbetriebshöfen, überwiegend in der Nacht, aus. 10. Stehen weitere ÖPNV-Buslinien als Innovationslinie ebenfalls in Planung ? Wenn ja, welche und wenn nein, warum nicht? Die Verkehrsbetriebe Hamburg Holstein GmbH (VHH) verwendet auf der Linie 48 Elektrobusse. Künftig sollen innovative Busse nicht mehr nur gezielt auf bestimmten Drucksache 21/9325 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Linien eingesetzt werden, sondern auf linienübergreifenden Fahrzeugumläufen, wie dies auch im konventionellen Betrieb üblich ist. 11. Was kostet jeder bislang und aktuell eingesetzte Bus der Innovationslinie 109 im Vergleich zu einem diesel-/benzingetriebenen Bus, der auf anderen Linien eingesetzt wird? Bei den derzeit auf der Innovationslinie 109 eingesetzten Bussen mit innovativen Antrieben handelt es sich um Erprobungsbusse. Aufgrund dieser Tatsache und unter Berücksichtigung des noch relativ kurzen Einsatzzeitraumes lassen sich zu diesen Bussen noch keine verlässlichen Aussagen treffen. Die Beschaffung dieser Busse war mit einem erheblichen finanziellen Mehraufwand verbunden, der zum Teil aus Fördermitteln finanziert wurde. Da die HOCHBAHN noch in diesem Monat ein Qualifizierungs - und Beschaffungsverfahren zur Beschaffung von 60 rein elektrischen 12-Meter-Bussen einleitet, ist aus Wettbewerbssicht eine vergleichende Kostenübersicht über die bisher gezahlten Preise für Elektrobusse von verschiedenen Herstellern vergaberechtlich problematisch, zumal mit den Lieferanten entsprechende allgemeine Vertraulichkeitsvereinbarungen geschlossen wurden. 12. Welche Auswirkungen hat die verdichtete Verkehrssituation auf dem Mittelweg auf die Evaluation der Innovationslinie 109? Wie haben sich Verbrauche und Fahrzeiten dadurch verändert? Wurden hier und in den umliegenden Straßenzügen Verkehrsströme im Zusammenhang der veränderten Nutzung des Harvestehuder Wegs und des Klostersterns gemessen? Wenn ja, wann und welche Ergebnisse brachten diese Messungen hervor ? Wenn nein, warum nicht? Besondere Verkehrssituationen können Auswirkungen auf den Busbetrieb haben. Spezifische Auswirkungen der oben genannten Verkehrssituation auf zum Beispiel den Energieverbrauch der Innovationslinie 109 werden durch die HOCHBAHN nicht gesondert erfasst. 13. Wie viele Fahrgäste nutzen die Innovationlinie 109 täglich? Wie hat sich die Nutzung seit Dezember 2014 verändert? (Bitte jeweils einzeln nach Richtung aufschlüsseln.) Durchschnittliche Anzahl Einsteigerinnen und Einsteiger Mo-Fr: Linie 109 2015 2016 Richtung Hbf. 7.375 7.433 Richtung U Alsterdorf 6.790 6.809 Summe 14.165 14.242 Veränderung Einsteigerinnen und Einsteiger Mo-Fr: Richtung Hbf. +0,8% Richtung U Alsterdorf +0,3% Summe +0,5% 14. Welchen Zeitraum sieht das Projekt der Innovationslinie 109 derzeit vor und hat sich die Laufzeit aus welchen Gründen verändert? Das Projekt Innovationslinie 109 ist zeitlich nicht befristet und im Wesentlichen davon abhängig, dass die gewünschten Erkenntnisse vorliegen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 15. Welche Testbusse verkehren derzeit auf dem Jungfernstieg? Um welches Modell handelt es sich hierbei und ist dieses Modell eine Konsequenz aus der Innovationslinie 109 oder hat dieses Modell umgekehrt Auswirkungen auf die Modelle der Innovationslinie 109? Die HOCHBAHN setzt alle Busse mit alternativen Antriebstechnologien regelmäßig auf der Innovationslinie 109 ein, sodass diese auch auf dem über den Jungfernstieg verlaufenden Linienweg verkehren. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9325 5 16. Welcher Aspekt steht bei der Innovationslinie im Vordergrund: Fahrgäste , Verkehrsfluss, Emission oder Kosten? Aus umwelt- und klimapolitischen Gesichtspunkten hat der Senat sich zum Ziel gesetzt, ab dem Jahr 2020 nur noch emissionsfreie Busse zu beschaffen. Im Rahmen der Entwicklung entsprechender Fahrzeuge ist es sowohl für die Industrie als auch für die Verkehrsunternehmen von großer Bedeutung, neue Modelle unter den anspruchsvollen Bedingungen im großstädtischen Praxisbetrieb zu erproben (siehe auch Antwort zu 4.). Neben der Gewinnung von Erkenntnissen zu technischen und betrieblichen Fragen sind dabei auch die Interessen der Fahrgäste von Bedeutung. Befragungen bei den Fahrgästen haben ergeben, dass diese die Vorteile des leisen und emissionsfreien Antriebes positiv würdigen. Im Ergebnis werden damit das Erkenntnisinteresse der HOCHBAHN, eine steigende Attraktivität für die Fahrgäste und die Reduzierung von Schadstoffemissionen schlüssig zusammengeführt.