BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9327 21. Wahlperiode 09.06.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Jennyfer Dutschke (FDP) vom 01.06.17 und Antwort des Senats Betr.: Leistungsmissbrauch auch in Hamburg? Auf eine Anfrage im Deutschen Bundestag (vergleiche BT.-Drs. 18/12322 – Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 8. Mai 2017 eingegangenen Antworten der Bundesregierung) beantwortete der zuständige Staatssekretär im Finanzministerium die Frage nach den Erkenntnissen zur missbräuchlichen Beantragung von Kindergeld durch EU-Ausländer wie folgt: „Der Bundesregierung liegen aus Stichproben und Überprüfungen Erkenntnisse über die missbräuchliche Beantragung von Kindergeld vor. Erkennbar ist ein Anstieg von Leistungsmissbrauch in organisierter Form.“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Vor dem Hintergrund von Hinweisen auf organisierten Sozialleistungsmissbrauch in einigen Ländern hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Anfang des Jahres zu einer Bund-Länder-Besprechung eingeladen, um die Länder für das Thema zu sensibilisieren. Hamburg hat dies zum Anlass genommen, eine behörden- und ämterübergreifende Arbeitsgruppe einzusetzen, die aufklären soll, ob es in Hamburg zu organisiertem Sozialleistungsmissbrauch gekommen ist. Hierbei werden auch unberechtigte Kindergeldbezüge mit berücksichtigt. Dementsprechend sind Arbeitsaufträge an die an der Arbeitsgruppe beteiligten Ämter und Behörden, einschließlich der Familienkasse, erteilt worden. Die Abarbeitung dieser Aufträge ist noch nicht abgeschlossen, Insofern liegen derzeit noch keine konkreten Erkenntnisse vor. Im Übrigen wird nach Angaben der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit (BA) dem unrechtmäßigen Bezug von Kindergeld durch verschiedenste reguläre Prüfmechanismen entgegengetreten, zum Beispiel durch den Abgleich mit Daten der Einwohnermeldeämter . Ein wichtiger Schritt zur Verhinderung von Missbrauch ist die Einführung der Steueridentifikationsnummer zum 1. Januar 2016 als Identifizerungskriterium für den Bezug von Kindergeld sowohl beim Berechtigten als auch bei den Kindern, für die Kindergeld beantragt wird. Da es sich beim Kindergeld um eine steuerrechtliche Leistung handelt, werden bei einem Verdacht des Leistungsmissbrauchs seitens der Familienkasse Ermittlungen hinsichtlich einer Steuerhinterziehung eingeleitet. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Familienkasse der BA wie folgt: 1. In welchem Umfang haben oben genannte Stichproben auch in Hamburg stattgefunden und mit welchem Ergebnis? Siehe Vorbemerkung. 2. Drucksache 21/9327 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 A) Wie viele Kindergeldberechtigte gibt es insgesamt in Hamburg? (Bitte aufschlüsseln für die Jahre 2014 – 2016 sowie für das laufende Jahr.) B) Wie viele davon leben im EU-Ausland (bitte nach Land aufschlüsseln )? C) Wie viele davon leben im Nicht-EU-Ausland (bitte nach Land aufschlüsseln )? D) Wird statistisch erhoben, ob die Kindergeldberechtigten Inländer, EU-Ausländer oder Nicht-EU-Ausländer sind? Falls ja bitte aufschlüsseln. 3. In welcher Höhe wurde Kindergeld an Personen in Hamburg, im EU- Ausland und Nicht-EU-Ausland ausgezahlt? (Bitte nach Land aufschlüsseln für die Jahre 2014 – 2017.) Entsprechende Angaben auf Grundlage der Statistik der Familienkasse der BA sind der Anlage zu entnehmen. 4. Gibt es in der Freien und Hansestadt Hamburg Hinweise auf missbräuchliche Beantragung von Kindergeld? Wenn ja: (bitte bei den Antworten zu 4.a. – f. jeweils Angaben ab 2014 jährlich aufführen) a. Wie viele Hinweise haben die zuständigen Stellen jährlich erhalten? Wie vielen davon wurde nachgegangen? b. In wie vielen Fällen haben die Antragsprüfungen zu dem Ergebnis geführt, dass das Kindergeld ohne Anspruchsberechtigung beantragt wurde? c. In wie vielen Fällen haben Prüfungen und Stichproben zu dem Ergebnis geführt, dass das ausgezahlte Kindergeld ohne Anspruchsberechtigung gezahlt wurde? d. In wie vielen Fällen hat es Rückzahlungsaufforderungen gegeben und auf welches Volumen bemisst sich die Summe insgesamt? (Bitte jährlich aufschlüsseln ab 2014.) e. In welchem Umfang sind die Rückzahlungen geleistet worden? (Bitte prozentual im Verhältnis zu den Forderungen und in absoluter Summe aufführen.) f. In welchem Umfang sind Rückforderungen offen? (Bitte prozentual im Verhältnis zu den Forderungen und in absoluter Summe aufführen .) Die zur Beantwortung der Fragen erforderlichen Daten werden nach Auskunft der Familienkasse der BA statistisch nicht erfasst. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Wird beziehungsweise wurde auch in Hamburg beobachtet, dass die missbräuchliche Beantragung von Kindergeld durch EU-Ausländer zunimmt? (Bitte vorliegende Erkenntnisse erläutern.) Siehe Vorbemerkung. 6. In welchem Umfang ist ein Anstieg von Leistungsmissbrauch „in organisierter Form“ auch in Hamburg zu beobachten? 7. Welche Maßnahmen werden beziehungsweise wurden ergriffen, um die Bewilligung missbräuchlicher Kindergeldanträge auszuschließen? Die zur Beantwortung der Fragen erforderlichen Daten werden nach Angaben der für Justiz zuständigen Behörde im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA nicht zuverlässig erfasst. Hierzu gehören insbesondere der (ausländerrechtliche ) Status eines Beschuldigten sowie die konkrete Art der Tatbegehung. Es Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9327 3 müssten für verlässliche Aussagen daher Verfahren der letzten Jahre, in denen als Delikt der Tatbestand des Betruges (§ 263 StGB) notiert wurde, händisch ausgewertet werden. Es handelt sich hinsichtlich der Aktenzeichenjahrgänge 2015 und 2016 allerdings jeweils um mehr als 25.000 Verfahren. Deren Auswertung ist in der für die Beantwortung von Parlamentarischen Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wird das Merkmal „missbräuchliche Beantragung von Kindergeld durch EU-Ausländer“ nicht erfasst. Nach den aktuellen bundeseinheitlich geltenden PKS-Richtlinien werden Delikte im Sinne der Fragestellungen in der PKS unter Sozialleistungsbetrug (PKS-Schlüssel 517800) erfasst. Es wird allerdings nicht differenziert, um welche missbräuchlich erlangten Geld- oder Sachleistungen es sich handelt. Zur Beantwortung der Fragen wäre eine Durchsicht aller Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums bei der Polizei erforderlich. Die Auswertung von mehreren Zehntausend Akten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Ki nd er ge ld (E St G u nd B KG G ) B es ta nd K in de rg el db er ec ht ig te u nd K in de r n ac h St aa ts an ge hö rig ke it (M W ) H am bu rg Be ric ht sm on at : D ez em be r 2 01 4 St aa ts an ge h. de s B er ec ht ig te n Be re ch tig te Ki nd er ge sa m t D eu ts ch la nd re st lic he E ur op . U ni on re st l. Eu ro p. W irt sc ha fts ra um Tü rk ei eh em al ig es Ju go sl aw ie n üb rig e St aa te n Za hl be trä ge (J an -D ez ) da ru nt er B et rä ge in d as A us la nd (J an -D ez ) In sg es am t 18 6. 43 0 30 0. 43 6 29 8. 83 1 1. 51 9 * 55 * 28 70 3. 63 4. 14 6, 59 1. 39 9. 31 2, 84 D eu ts ch la nd 14 9. 28 7 23 3. 24 1 23 2. 83 8 37 8 * 8 15 53 8. 44 5. 12 5, 08 22 2. 20 8, 70 Al ge rie n 47 93 93 20 0. 91 2, 00 Be lg ie n 45 81 78 3 20 5. 37 4, 67 1. 66 6, 07 Bo sn ie n- H er ze go w in a 61 2 1. 07 7 1. 07 7 2. 61 2. 39 1, 00 Bu lg ar ie n 69 2 1. 03 5 1. 00 5 30 2. 59 5. 62 2, 94 23 .2 61 ,0 0 D än em ar k 14 8 25 6 25 5 * 62 7. 59 2, 12 6. 49 5, 58 Es tla nd 35 49 49 12 4. 96 8, 28 Fi nn la nd 59 88 86 * 18 8. 91 6, 41 Fr an kr ei ch 44 9 78 2 77 7 5 1. 85 9. 10 2, 72 G rie ch en la nd 73 5 1. 22 7 1. 19 2 35 2. 96 6. 05 0, 14 36 .9 84 ,0 0 G ro ßb rit an ni en 31 9 52 0 51 9 * 1. 30 3. 54 2, 73 Irl an d 35 57 57 13 3. 92 5, 00 Is la nd 7 12 12 33 .9 64 ,0 0 Ita lie n 71 3 1. 16 2 1. 14 0 22 2. 71 4. 05 8, 53 Ka na da 3 4 4 9. 01 6, 00 Ko so vo 88 16 1 16 1 38 8. 64 5, 95 Kr oa tie n 59 3 1. 01 2 1. 00 8 3 * 2. 47 0. 05 8, 02 8. 46 4, 00 Le ttl an d 83 12 1 11 6 5 28 9. 45 1, 04 6. 28 2, 39 Li ec ht en st ei n 5 8 8 19 .0 24 ,0 0 Li ta ue n 13 9 19 9 19 0 9 49 0. 27 7, 27 Lu xe m bu rg 9 18 16 * 38 .2 36 ,0 0 M al ta * 3 3 6. 62 4, 00 M ar ok ko 72 13 3 13 3 32 1. 50 5, 00 M az ed on ie n 95 1 2. 06 1 2. 06 1 4. 88 0. 71 9, 00 M on te ne gr o 60 13 9 13 9 34 3. 40 2, 20 N ie de rla nd e 25 3 46 3 43 2 31 1. 05 5. 81 7, 94 9. 08 3, 70 N or w eg en 20 29 29 70 .2 52 ,0 0 Ö st er re ic h 32 2 50 7 50 1 6 1. 21 5. 00 8, 60 11 .6 58 ,0 0 Po le n 3. 49 5 5. 47 7 4. 59 6 88 1 14 .6 37 .2 38 ,6 9 1. 02 1. 94 4, 87 Po rtu ga l 1. 38 8 2. 21 4 2. 17 0 44 5. 36 0. 09 9, 80 73 6, 00 R um än ie n 45 1 67 6 65 2 24 1. 58 7. 55 9, 75 32 .5 40 ,9 7 Sc hw ed en 10 8 18 5 18 5 44 0. 71 0, 00 Sc hw ei z 93 14 9 14 0 9 36 7. 97 4, 20 Se rb ie n 1. 34 1 2. 77 6 2. 77 5 * 6. 94 4. 73 9, 71 Sl ow ak ei 54 85 79 6 19 6. 37 0, 30 36 8, 00 Sl ow en ie n 22 37 37 98 .8 52 ,2 5 eh em . S ow je t. 1. 37 3 2. 11 9 2. 11 7 * 5. 06 5. 34 1, 85 Sp an ie n 51 4 83 4 82 5 9 1. 96 0. 96 5, 67 2. 39 2, 00 Ts ch ec hi en 77 11 5 11 4 * 27 0. 90 4, 00 Tü rk ei 9. 25 0 17 .8 57 17 .8 10 47 43 .9 06 .9 85 ,3 3 Tu ne si en 14 4 28 7 28 5 * 71 6. 10 0, 00 U ng ar n 96 15 1 14 7 4 36 4. 63 7, 21 15 .2 27 ,5 6 U SA 20 31 31 75 .8 58 ,0 0 Zy pe rn 3 5 5 12 .7 68 ,0 0 Ü br ig e 12 .2 18 22 .9 00 22 .8 84 15 * 56 .0 17 .4 59 ,1 9 * = Z ah le n kl ei ne r 3 w er de n au s da te ns ch ut zr ec ht lic he n G rü nd en u nt er dr üc kt . Q ue lle : m on at lic he B es ta nd st at is tik d er B un de sa ge nt ur fü r A rb ei t Fa m ilie nk as se D ire kt io n - S R 1 Se ite 1 W oh ns itz st aa t d er K in de r er st el lt am 0 2. J un i 2 01 7 Drucksache 21/9327 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage 9327ska_text 9327_Anlage