BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9355 21. Wahlperiode 13.06.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus (DIE LINKE) vom 06.06.17 und Antwort des Senats Betr.: Einschränkung des Wahlrechts der Eltern von Kindern mit einer Behinderung beim Übergang in die weiterführenden allgemeinen Schulen Das Recht der Eltern von Kindern mit einer Behinderung ist beim Übergang in die weiterführenden allgemeinen Schulen in Hamburg gegenüber anderen Schülerinnen und Schüler dadurch eingeschränkt, dass sie in der Regel nur in Schwerpunktschulen aufgenommen werden. In den letzten Jahren wurde mit der Handreichung Schulorganisation und Förderbedarf § 12 HmbSG das Aufnahmeverfahren für den Jahrgang 5 folgendermaßen beschrieben: „Eine Schwerpunktschule nimmt vorrangig Kinder mit speziellem Förderbedarf auf. Hat die Schwerpunktschule noch freie Plätze in den Lerngruppen, wird die Aufnahme von Kindern mit einem Förderbedarf in den Bereichen Lernen, Sprache oder emotionale und soziale Entwicklung geprüft.“ (Handreichung Schulorganisation und Förderbedarf §12 HmbSG, Schuljahr 2016/2017, Seite 5/6.) Mit dieser Regelung war zumindest gewährleistet, dass Eltern von Kindern mit einer Behinderung eine kleine Auswahlmöglichkeit zwischen erreichbaren Schwerpunktschulen hatten. Eingeschränkt wird diese Auswahlmöglichkeit durch die Verordnung über die Ausbildung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (AO-SF). Im §15(2) heißt es: „Bei der Festlegung des Lernortes sind … insbesondere zu berücksichtigen: … 5. die Erreichbarkeit der Schule unter Berücksichtigung der Aspekte der Schülerbeförderung.“ Dies wurde behördenintern zeitweilig so interpretiert, dass eine Schülerbeförderung von maximal 7 km als zulässig gilt, wenn nicht die nächstgelegene Schwerpunktschule von den Eltern angewählt wurde. Nach unserer Kenntnis wurde für die Anmelderunde für den Jahrgang 5 2017/2018 die oben genannte Handreichung von der Schulbehörde nicht an die Schulen verschickt und damit entfiel auch die oben genannte Vorgabe: Drucksache 21/9355 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 „Eine Schwerpunktschule nimmt vorrangig Kinder mit speziellem Förderbedarf auf.“ Nach unserer Kenntnis haben mehrere Eltern von Kindern mit einer Behinderung von der von ihnen gewählten Schwerpunktschule eine Ablehnung erhalten und wurden ohne nähere Begründung der nächstgelegenen Schwerpunktschule zugewiesen. Dies geschah auch in Fällen, in denen eine Schülerbeförderung nicht notwendig ist. Ich frage den Senat: 1. Ist es zutreffend, dass in der diesjährigen Anmelderunde die Handreichung Schulorganisation und Förderbedarf § 12 HmbSG von der Schulbehörde nicht herausgegeben wurde? Wenn ja, wie lautet die Begründung dafür? a. Ist es zutreffend, dass der Satz: „Eine Schwerpunktschule nimmt vorrangig Kinder mit speziellem Förderbedarf auf“, auch nicht in die allgemeine Handreichung zur Organisation der Aufnahme in Klasse 5 an weiterführenden Schulen 2017/2018 aufgenommen wurde? Wenn ja, wie lautet die Begründung dafür? Die Vorgaben und Verfahren zur Platzzuteilung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf entsprechen denen des Vorjahres. Alle Handreichungen zur Schulorganisation wurden aus Anlass der Einführung eines neuen Schulverwaltungsprogramms lediglich redaktionell überarbeitet und gestrafft, sodass die schulorganisatorischen Regelungen jeweils für eine Klassenstufe zusammengefasst worden sind. Die maßgeblichen Vorgaben werden allen Schulleitungen zusätzlich jeweils vor Beginn einer Anmelderunde in den Dienststellenbesprechungen mündlich vorgestellt. Die Sitzungen fanden am 1. Dezember 2016 für die Gymnasien und am 9. Dezember 2016 für die Stadtteilschulen statt. Die Auswahl einer geeigneten Schule für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf ergibt sich aus § 42 Absatz 7 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) in Verbindung mit § 15 Absatz 2 der Verordnung über die Ausbildung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (AO-SF). Die Vorgaben der AO-SF haben sich seit 2012 nicht geändert. Bei der Festlegung des Lernortes sind unter Berücksichtigung der geäußerten Elternwünsche und den gesetzlichen Aufnahmekriterien insbesondere zu berücksichtigen: 1. die in der Schule vorhandenen baulichen Gegebenheiten, 2. die Erfahrung der Schule im Umgang mit Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, 3. die Sicherstellung einer heterogenen Zusammensetzung der Schülerschaft in Bezug auf Schülerinnen und Schüler mit und ohne Förderbedarf im Bereich der sonderpädagogischen Förderung, 4. die Ausstattung der Schule mit Personal für die sonderpädagogische Förderung, 5. die Erreichbarkeit der Schule unter Berücksichtigung der Aspekte der Schülerbeförderung . Die Auswahl einer geeigneten Schule ist immer eine Einzelfallentscheidung unter Beachtung vielfältiger rechtlicher Maßgaben. Die Erreichbarkeit einer Schule mit oder ohne Schülerbeförderung ist daher immer nur eines von mehreren Auswahlkriterien, die zu berücksichtigen sind. 2. In wie vielen Fällen haben Eltern von Kindern mit einer Behinderung in der diesjährigen Anmelderunde Jahrgang 5 von der von ihnen gewählten Schwerpunktschule eine Ablehnung erhalten mit einer Zuweisung an die nächstgelegene Schwerpunktschule? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9355 3 a. Wie lauteten die jeweiligen Begründungen für diese Ablehnung? (Bitte alle Begründungen anonymisiert angeben.) Da nur die Erfüllung der Erstwünsche zentral erfasst wird, müssten für die Ermittlung der Anzahl der gewünschten, aber abgelehnten Schwerpunktschulen in Kombination mit der Zuweisung an eine nächstgelegene Schwerpunktschule 13.682 Schülerakten händisch ausgewertet werden, siehe auch Drs. 21/8830, Drs. 21/8007 und Drs. 21/9232. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 3. Wie hoch sind die Einsparungen bei den Kosten für die Schülerbeförderung durch die unter Frage 2. genannten Abweisungen von der Erstwunschschule ? Siehe Antworten zu 1. bis 2. a.