BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9379 21. Wahlperiode 16.06.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 08.06.17 und Antwort des Senats Betr.: Warum trickst und täuscht der Senat beim Kampf gegen den Fluglärm? Die Belastungen für die Anwohnerinnen und Anwohner in Hamburg durch Fluglärm sind ungebrochen hoch. Mit den Folgen für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger ist nicht zu spaßen. So ist die unzureichende Umsetzung des auf Druck der CDU-Fraktion von der Hamburgischen Bürgerschaft beschlossenen 16-Punkte-Plans dafür verantwortlich, dass für die Betroffenen noch keine spürbare Verbesserung erzielt worden ist. Dass es auch 2016 in großer Regelmäßigkeit und hoher Anzahl An- und Abflüge nach 23 Uhr über den Hamburger Nordosten gab und somit die Bahnbenutzungsregeln laufend missachtet wurden, ist nicht länger hinnehmbar. Auch die auf Freiwilligkeit basierende Pünktlichkeitsoffensive am Flughafen Hamburg ist gescheitert. Die Flugverspätungen nach 23 Uhr haben im 1. Quartal 2017 um fast 18 Prozent zugenommen. Aufgrund der Verweigerungshaltung des Senats, wesentliche Punkte des 16-Punkte-Plans gegen Fluglärm umzusetzen , ist eine regelmäßige Kontrolle notwendig. Die Verweigerungshaltung des Senats hat inzwischen unhaltbare Züge angenommen. So hat der Senat in meiner letzten Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/9241 Informationen zu Bürgerbeschwerden verweigert. Dabei wurde explizit nicht nach den einzelnen Beschwerdeführern gefragt. Somit ist aus den reinen Zahlen ein Rückschluss auf einzelne Personen ausgeschlossen. Wieder einmal hat der Senat nicht auf eine Frage eines Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft geantwortet und somit die Kontrollrechte der gewählten Abgeordneten außer Kraft gesetzt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat erneut: Der Senat nimmt die Belastung der Anwohnerinnen und Anwohner durch Fluglärm sehr ernst. Um diesen Auswirkungen des Luftverkehrs entgegenzutreten, arbeiten der Senat und die Flughafen Hamburg GmbH (FHG) konsequent an der Umsetzung des sogenannten 16-Punkte-Plans (Drs. 21/4209). Neben vielfältigen Maßnahmen seien an dieser Stelle beispielhaft genannt: Am 14. Juni 2017 tritt die neue Entgeltordnung des Flughafens in Kraft, die nicht zuletzt das Ziel einer weitreichenden Lärmminderung verfolgt. Beispielsweise kommt es zu einer Verdoppelung der Lärmzuschläge, die jeweils auf die Start- und Landeentgelte aufgeschlagen werden, sowie zu einer weiteren Anhebung des prozentualen Entgeltzuschlags für Starts und Landungen in den Tagesrand- und Nachtzeiten auf bis zu 700 Prozent. Darüber hinaus werden erzielte Erlöse aus der Gebühren- und Bußgeldpraxis beständig in Maßnahmen des passiven Lärmschutzes investiert – derzeit auf der Grundlage des 9. Lärmschutzprogramms, das die FHG in Kooperation mit dem Senat und dem Land Schleswig-Holstein durchführt . Daneben setzen sich der Senat und die FHG bei den Fluggesellschaften dafür ein, dass bei allen Abflügen vom Hamburg Airport aus Lärmschutzgründen auf das Drucksache 21/9379 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Cutback 1.000-Fuß-Verfahren (sogenanntes Flachstartverfahren) verzichtet wird. Ein entsprechender Text wurde im März des Jahres 2017 in das Luftfahrthandbuch aufgenommen . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der DFS Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) wie folgt: 1. Wie viele Beschwerden gegen Fluglärm wurden im 1. Quartal 2017 bei den zuständigen Fachbehörden und dem Flughafen registriert? Wie bereits in der Dr. 21/9241 dargelegt, werden sowohl die Zahl der Beschwerden als auch die Anzahl der Beschwerdeführer nur noch einmal jährlich veröffentlicht. Zu den Gründen siehe ebenfalls Dr. 21/9241. 2. Die Zahl der Verspätungen nach 23 Uhr ist im 1. Quartal 2017, trotz des 2015 beschlossenen 16-Punkte-Plans und der Pünktlichkeitsoffensive des Flughafens, weiter gestiegen. Wie erklärt sich der Senat diesen Zustand? Der Senat verfolgt das Ziel, die Zahl der Verspätungen zu verringern, indem zum Beispiel über die Entgeltordnung Anreize für die Fluggesellschaften gesetzt werden, ihre Umlaufplanung zu verbessern. In Fällen vermeidbarer Verspätungen wird durch die Fluglärmschutzbeauftragte die Einleitung von Ordnungswidrigkeitsverfahren geprüft. Erste Bußgelder wurden bereits durchgesetzt. Darüber hinaus gibt es Verzögerungen im Luftverkehr (zum Beispiel durch bestimmte Wetterlagen oder weitreichende Streiks), die auch durch beste Planung nicht vermieden werden können. Solche Situationen traten unter anderem im Januar und Mai 2017 gehäuft auf. 3. Im Punkt 10 des 16-Punkte-Plans gegen Fluglärm steht, dass sämtliche Bahnbenutzungsregeln strikt einzuhalten sind. Warum kam es trotzdem im 1. Quartal 2017 zu 925 Verstößen gegen die Bahnbenutzungsregel (zwischen 22 und 7 Uhr kein Flugverkehr auf der 023 und 05)? Warum weigert sich der Senat, diesen entscheidenden Punkt umzusetzen? Im 1. Quartal 2017 erfolgte die Wahl der jeweiligen Betriebspiste durchgängig im Einklang mit den Bahnbenutzungsregeln. Von diesen Regeln sind jedoch Ausnahmen zulässig, wenn die Verkehrslage oder Gründe der Luftverkehrssicherheit, insbesondere Witterungs- und Bahnverhältnisse dazu zwingen. Von der Regel Nummer 2.3, dass ab 22 Uhr – 7 Uhr der Anflug aus Richtung Norderstedt erfolgen soll, sind zusätzlich zu den bereits genannten Gründen Abweichungen zulässig, wenn die für das Instrumenten-Anflugverfahren zu dieser Piste festgelegten Wetterminima nicht erfüllt sind oder bei Vorliegen außergewöhnlicher Verkehrslagen. Im Übrigen siehe dazu auch Drs. 21/8145. Die Entscheidung, welche Bahn im Einzelfall genutzt wird, trifft der jeweils diensthabende Lotse der DFS Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) nach pflichtgemäßem Ermessen. Bei der Festlegung der Betriebspiste hat die DFS neben Stärke und Richtung des Bodenwindes weitere Faktoren zu berücksichtigen, wie beispielsweise die Länge und Kapazität der Pisten, die Anflug-, Abflug- und Landehilfen, die Verkehrsbedingungen und/oder weitere Wettereinflüsse. Für die Festlegung der Betriebsrichtung ist die jeweils aktuell gemessene Windgeschwindigkeit an der Landebahnschwelle sowie im Endanflug von Belang. Neben der aktuellen Windrichtung und -geschwindigkeit wird auch die jeweilige Prognose des Deutschen Wetterdienstes (DWD) für die Entscheidungsfindung herangezogen. Darüber hinaus werden seitens der DFS aktuelle Informationen aus den Cockpits anfliegender Flugzeuge im Nahbereich des Flughafens angefragt und ausgewertet. Berichten Piloten beispielsweise von starken Winden im Endanflug, kann auch dies zu einem Betriebsrichtungswechsel führen, obgleich der Wind am Boden einen anderen Betrieb möglich machen würde. Außerdem kann sich auch der Luftfahrzeugführer beziehungsweise die Luftfahrzeugführerin entscheiden, entgegen den Bahnbenutzungsregeln zu landen, wenn technische , meteorologische oder sonstige Gründe dazu veranlassen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9379 3 Gegen die genannten Regelungen und Vorgaben haben weder die Lotsen der DFS noch die Luftfahrzeugführer im 1. Quartal 2017 verstoßen. 4. Durch den Beschluss des 16-Punkte-Plans wurde der Senat verpflichtet, quartalsweise über die Verspätungen und die Verstöße gegen die Bahnbenutzungsregeln zu berichten (Punkte 9 und 10 des 16-Punkte-Plans). Ist dieses seit Januar 2015 quartalsweise geschehen? Wenn ja, wo? Wenn nein, warum nicht? Die Fluglärmschutzbeauftragte berichtet seit der 220. Sitzung der Fluglärmschutzkommission am 4. Dezember 2015 jeweils zu Beginn der Sitzung über die Verspätungssituation und eingeleitete Maßnahmen. Die Protokolle sind im Internet einsehbar: www.hamburg.de/ fluglaermschutzkommission. Außerdem berichtet der Hamburger Flughafen monatlich auf seiner Homepage über die Fluglärmsituation und dabei auch über die Nutzung der Verspätungsregelung. Zu den Bahnbenutzungsregeln siehe: http://www.hamburg.de/ contentblob/4549916/8836bdd6e20a161425d6c727c6d8ccbb/data/dbahnbenutzungsregel .pdf. Die Darstellung wird vierteljährlich aktualisiert.