BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9399 21. Wahlperiode 16.06.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 09.06.17 und Antwort des Senats Betr.: Überlastung der Justiz – Wie ist es um die Vollzugsabteilungsleitungen bestellt? Wie angespannt die Personalsituation im Justizvollzug ist, wird durch die Antworten des Senats auf eine Vielzahl Schriftlicher Kleiner Anfragen, zum Beispiel Drs. 21/6092, 21/8178, 21/9013, immer wieder deutlich. Unbesetzte Stellen, hohe Fehlzeitenquoten und wachsende Gefangenenzahlen führen zu einer Situation, bei der die Belastungsgrenze der Bediensteten überschritten ist. Auch der medizinische Dienst in den Justizvollzugsanstalten ist am Limit, Mitarbeiter des AVD müssen immer wieder Aufgaben übernehmen, die in den Tätigkeitsbereich der Pflegekräfte fallen oder aufgrund von Ausfällen der Pflegekräfte anfallen, siehe Drs. 21/9230. Es stellt sich die Frage, wie die Situation bei den Vollzugsabteilungsleitern aussieht. Vollzugsabteilungsleiter sind für die Betreuung und Vollzugsplanung der Gefangenen verantwortlich. Dabei wirken sie unter Zusammenarbeit mit internen und externen Mitarbeitern maßgeblich an der Aufarbeitung der persönlichen Problematik, der Behandlungsuntersuchung, an der Aufstellung, Durchführung und Fortschreibung des Vollzugsplans und an der Entwicklung einer individuellen Zukunftsperspektive der jeweiligen Gefangenen mit und sind so die Basis für eine gelingende Resozialisierung. Zudem obliegen ihnen die Anordnung vollzuglicher Einzelmaßnahmen, die Fertigung von Stellungnahmen , Berichten, Vermerken und Bescheiden und die Vorbereitung und Darstellung von Einzelmaßnahmen in Konferenzen sowie die Vorbereitung von Fallkonferenzen zu vollzuglichen Einzelfällen. Dadurch, dass die Personaldecke bereits beim Allgemeinen Vollzugsdienst so dünn ist, müssen Vollzugsabteilungsleiter in der Praxis oftmals noch zusätzliche Aufgaben übernehmen, die nicht zu ihrem originären Tätigkeitsfeld gehören. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie hat sich die Anzahl der Stellen für Vollzugsabteilungsleitungen in den einzelnen Justizvollzugsanstalten sowie insgesamt im Hamburgischen Justizvollzug seit April 2015 entwickelt? Bitte jeweils zum Stichtag 1. April und 1. Oktober eines Jahres darstellen. Wie viele dieser Stellen waren jeweils besetzt? Aktuell sind fünf Stellen einer Vollzugsabteilungsleitung ausgeschrieben, die Bewerbungsverfahren laufen. Es wird davon ausgegangen, dass alle fünf Stellen besetzt werden können. Drucksache 21/9399 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 01.04.2015 01.10.2015 01.04.2016 01.10.2016 01.04.2017 Anstalt Anzahl Stellen VAL/ Bedarf davon besetzt in VZÄ Anzahl Stellen VAL/ Bedarf davon besetzt in VZÄ Anzahl Stellen VAL/ Bedarf davon besetzt in VZÄ Anzahl Stellen VAL/ Bedarf davon besetzt in VZÄ Anzahl Stellen VAL/ Bedarf davon besetzt in VZÄ FB* 12/11 11,00 11/11 9,77 12/12 10,77 12/12 10,77 12/12 10,02 BW 19/19 18,64 19/19 17,64 21/21 19,64 21/21 19,41 22/22 17,64 GM 6/6 5,00 6/6 6,00 6/6 6,00 6/6 6,00 6/6 6,00 HS** 13/13 10,62 13/13 12,62 11/11 10,62 11/11 9,74 11/11 7,87 SH*** 11/11 10,00 11/11 8,00 12/11 8,00 12/11 11,75 12/11 11,75 UH 10/9 10,00 10/9 10,00 10/9 9,00 10/9 9,00 10/9 9,00 VAL = Vollzugsabteilungsleitungen GM = Justizvollzugsanstalt (JVA) Glasmoor FB = JVA Fuhlsbüttel SH = Sozialtherapeutische Anstalt Hamburg BW = JVA Billwerder HS = JVA Hahnöfersand UH = Untersuchungshaftanstalt * FB: 11 anerkannte Dienstposten, in 2015 kurzzeitig zwölf Stellen aufgrund einer personalwirtschaftlichen Maßnahme, ab 2016 zwölf ausgewiesene Stellen aufgrund des geplanten erhöhten Bedarfs. ** HS** und BW: Verlagerung der Teilanstalt für Frauen von HS nach BW zum 01.03.2016. *** SH: 11 anerkannte Dienstposten, ab 2016 1 Stelle mehr aufgrund einer personalwirtschaftlichen Maßnahme. 2. Für wie viele Gefangene ist eine Vollzugsabteilungsleitung in den einzelnen Justizvollzugsanstalten seit April 2015 jeweils zuständig? Bitte jeweils Pro-Kopf-Zahl Vollzugsabteilungsleitung/Gefangener zum Stichtag 1. April und 1. Oktober eines Jahres darstellen. 01.04.2015 01.10.2015 01.04.2016 01.10.2016 01.04.2017 Anstalt VAL Gef.* VAL Gef. VAL Gef. VAL Gef. VAL Gef. FB 11,00 235 9,77 267 10,77 290 10,77 289 10,02 311 BW 18,64 523 17,64 515 19,64 665 19,41 665 17,64 743 GM 5,00 196 6,00 207 6,00 209 6,00 210 6,00 207 HS 10,62 176 12,62 121 10,62 135 9,74 117 7,87 149 SH 10,00 119 8,00 124 8,00 133 11,75 133 11,75 155 UH 10,00 300 10,00 293 9,00 291 9,00 279 9,00 312 * Gefangene a. Wie stellt sich diese Relation im Vertretungsfalle dar? Die Anzahl der zu betreuenden Gefangenen kann in üblichen Vertretungsfällen (zum Beispiel Urlaub, Fortbildung) durch die Übernahme einer weiteren Station zu einer Verdoppelung der zu betreuenden Gefangenen führen. Sofern ungeplant mehrere Vollzugsabteilungsleitungen gleichzeitig erkranken, ist eine Erhöhung der zu betreuenden Gefangenen möglich. b. Welche Vertretungsregelungen gelten für Vollzugsabteilungsleitungen ? In der Regel vertreten sich die Vollzugsabteilungsleitungen gegenseitig. Gegebenenfalls erfolgt auch eine Vertretung durch Leitungen von Fachbereichen, wie zum Beispiel der Sicherheitsdienstleitung oder der Leitung der Betriebe und Ausbildung. c. Wie viele Vertretungen, die länger als eine Woche am Stück andauerten , mussten Vollzugsabteilungsleitungen im 1. Quartal 2017 leisten ? JVA Fuhlsbüttel: drei Vertretungen JVA Billwerder: 18 Vertretungen JVA Glasmoor: zwei Vertretungen JVA Hahnöfersand: zwölf Vertretungen Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9399 3 Sozialtherapeutische Anstalt: vier Vertretungen Untersuchungshaftanstalt: drei Vertretungen d. Wie lange war die durchschnittliche Vertretungszeit bei Vollzugsabteilungsleitungen im 1. Quartal 2017? JVA Fuhlsbüttel: 10,45 Tage JVA Billwerder: 12,22 Tage JVA Glasmoor: 10,50 Tage JVA Hahnöfersand: 26,00 Tage Sozialtherapeutische Anstalt: 16,00 Tage Untersuchungshaftanstalt: 2,30 Tage 3. Wie hoch war die durchschnittliche monatliche Fehlzeitenquote bei den Vollzugsabteilungsleitungen seit April 2015? Die durchschnittliche monatliche Fehlzeitenquote bei den Vollzugsabteilungsleitungen seit dem 1. April 2015 bis zum 31. März 2017 beträgt 1,84 Tage. Das entspricht 6,06 Prozent. Da das Ergebnis händisch ausgezählt wurde, kann keine Aussage zur direkten Vergleichbarkeit mit den im Personalbericht zugrunde gelegten Quoten gemacht werden. Es handelt sich hier um Krankheitstage unabhängig von Wochentagen, Teilzeitfaktoren , Beurlaubungen, eventuellen Schichtplänen oder anderen Einflussgrößen. 4. Wie viele Langzeiterkrankungen (mehr als 75 Tage) gab es seit April 2015 bei den Vollzugsabteilungsleitungen? Zehn. 5. Welche – über die originären Vollzugsabteilungsleitungsaufgaben hinausgehenden – Tätigkeiten müssen von Vollzugsabteilungsleitungen in den einzelnen Justizvollzugsanstalten aus jeweils welchen Gründen ausgeführt werden? Die Vollzugsabteilungsleitungen sind wichtige Ansprechpartner für die Behandlungsplanung , den Behandlungsverlauf und die Entwicklung der Gefangenen. Daneben gehört zu ihren Aufgaben, bei der Ausbildung von Praktikanten und Rechtsreferendaren zu unterstützen sowie an Arbeits- und Projektgruppen teilzunehmen. Je nach Ausgestaltung des Dienstpostens können daneben zum Beispiel Aufgaben aus den Bereichen Sicherheitsdienstleitung oder Sachbearbeitung für die Anstaltsleitung in Rechtssachen hinzukommen. Sie tragen aber auch Verantwortung für die Abläufe in ihren Arbeitsbereichen und sind – wie alle im Justizvollzug tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – zur Zusammenarbeit mit allen Berufsgruppen verpflichtet. Dies ist bei der Komplexität der Aufgaben einer Justizvollzugsanstalt eine Notwendigkeit und allen im Justizvollzug tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bekannt. In diesem Zusammenhang unterstützen die Vollzugsabteilungsleitungen den Allgemeinen Vollzugsdienst bei der Gewährleistung der Abläufe sowie der Sicherheit und Ordnung der Anstalt. 6. Wie beurteilt die zuständige Behörde die Arbeitssituation der Vollzugsabteilungsleitungen und deren Bedeutung für die Resozialisierung der Gefangenen? Ist eine Entlastung geplant? Falls ja, wie? Falls nein, weshalb nicht? Die in den einzelnen Justizvollzugsanstalten eingerichteten Dienstposten für Vollzugsabteilungsleitungen entsprechen der jeweiligen Personalbedarfsberechnung. Bei einer vollständigen Besetzung der Dienstposten kommt es zu einer angemessenen Arbeitsbelastung. Wie in allen Arbeitsbereichen kommt es auch im Bereich der Voll- Drucksache 21/9399 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 zugsabteilungsleitungen zu temporären Belastungsspitzen aufgrund ungeplanter Vertretungszeiten . Die Vollzugsabteilungsleitungen sind wichtige Ansprechpartner für die Behandlungsplanung , den Behandlungsverlauf und die Entwicklung der Gefangenen. Sie leisten damit einen zentralen Beitrag für die Resozialisierung der Gefangenen und bilden die Schnittstelle in Fragen des Übergangsmanagements.