BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9410 21. Wahlperiode 20.06.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 12.06.17 und Antwort des Senats Betr.: Belastung der Hamburger Justiz – Weiterhin hohe Belastung am Landgericht ? (II) Die Belastung der Hamburger Justiz hält auch am Landgericht weiter an. Nach Presseangaben vom 19. Mai 2017 herrscht eine dramatische Personalknappheit und zwölf Kammern seien überlastet. 29 Kammern seien so stark betroffen, dass ihnen kein Verfahren mehr zugewiesen werden könne. Viele der Verfahren sind komplex und erfordern umfangreiche Verhandlungen . Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Belastungssituation der gesamten Justiz wird ständig überprüft. Unter anderem erfolgt dies regelmäßig zu den Quartals- und Halbjahresberichten sowie im Rahmen der Haushaltsaufstellung und darüber hinaus im Zusammenhang mit aktuellen Ereignissen oder Meldungen. Auf dieser Basis und aufgrund der Arbeitsberichte der Gerichte und Staatsanwaltschaften wurde auch der Einsatz des Richterpools im letzten Jahr entschieden. Flankierend wurden Maßnahmen ergriffen, um Abwesenheiten auszugleichen, die im Richterbereich durch längere Erkrankungen oder Abordnungen entstanden sind. Als jüngste Maßnahme zur Verstärkung des Landgerichts hat die zuständige Behörde die Voraussetzungen dafür geschaffen, das Landgericht personell um eine weitere Kammer zu verstärken. Eine Stelle einer Vorsitzenden Richterin beziehungsweise eines Vorsitzenden Richters nach R 2 ist ausgeschrieben und die Besetzungsverfahren der Stellen von Richterinnen und Richtern nach R 1 sind eingeleitet. Die Maßnahmen sollen spätestens im September 2017 abgeschlossen sein. Die Entscheidung über die Zuständigkeit dieser Kammer obliegt dem Präsidium des Landgerichts. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie hoch sind die Fallzahlen bezogen auf Eingänge, Bestände und Erledigungen bei den Strafkammern und Zivilkammern am Landgericht? (Bitte darstellen für 2016 bis Juni 2017 und nach Kammern gliedern.) a. Wie viele Nichthaftsachen bei den Strafkammern sind nicht beendet worden (bitte den Zeitraum von 2016 bis Juni 2017 betrachten und die Situation bei Verfahren Untersuchungshaft darstellen)? Die Nichthaftsachen werden nicht über eine standardisierte Statistik abgebildet. Vielmehr wird seit 2013 eine Handliste beim Landgericht ausschließlich für die großen Strafkammern (ohne Strafvollstreckungskammern, nur erstinstanzliche Verfahren) geführt, aus der ein tagesaktueller Stand abgelesen werden kann. Die Haftsachen (Differenz von Bestand und Nichthaftsachen) sind Untersuchungshaftsachen oder Fälle einstweiliger Unterbringung und können im Falle der Untersuchungshaftsachen Drucksache 21/9410 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 auch solche sein, bei denen der/die Betroffene außerdem eine Haftstrafe in anderer Sache verbüßt. Dieses vorausgeschickt, beträgt die Anzahl der Ende 2016 nicht beendeten Nichthaftsachen 124 Verfahren sowie zum Stichtag 15. Juni 2017 insgesamt 131 Verfahren. b. Wie viele Verfahren sind in den Baukammern am Landgericht in dem Zeitraum 2016 bis Juni 2017 eingegangen und wie viele sind in dieser Zeit erledigt worden (bitte auch nach Großverfahren differenzieren )? c. Wie viele Verfahren sind in den Schwurgerichtskammern am Landgericht in dem Zeitraum 2016 bis Juni 2017 eingegangen und wie viele sind in dieser Zeit erledigt worden? d. Wie viele Verfahren sind in den Wirtschaftsstrafkammern am Landgericht in dem Zeitraum 2016 bis Juni 2017 eingegangen und wie viele sind in dieser Zeit erledigt worden (bitte auch nach Großverfahren differenzieren)? e. Inwieweit stellen Großverfahren eine überdurchschnittliche Belastung in den Kammern am Landgericht dar? Was wird der Senat unternehmen, um diese Situation zu verbessern? 2. Wie lange dauern durchschnittlich Verfahren am Landgericht (bitte nach Strafkammern, Zivilkammern insbesondere Verfahren Baukammern, Verfahren Schwurgerichtskammer, Verfahren Wirtschaftsstrafkammern und Verfahren Untersuchungshaft sowie weitere eilbedürftige Verfahren für den Zeitraum 2016 bis Juni 2017 darstellen)? Die folgenden Daten sind den Ergebnistabellen der Zählkartenstatistik entnommen, sie werden vom Statistikamt Nord quartalsweise erstellt. Großverfahren werden in der Statistik schon deshalb nicht erfasst, weil es für diesen Begriff keine feste Definition gibt. Insofern ist auch keine Aussage darüber möglich, inwieweit sogenannte Großverfahren eine überdurchschnittliche Belastung in den Kammern des Landgerichts darstellen. Die Belastung der Baukammern ist genauso Teil der Gesamtbewertung der Belastung wie die anderer Zivil- und Strafkammern. Der Ausgleich der Belastung der Kammern untereinander liegt in der Verantwortung des Präsidiums des Landgerichts. Dies vorangestellt sind die erfragten Daten der folgenden Tabelle zu entnehmen: Zivilkammern 1. Instanz 2016 1. Quartal 2017 Neuzugänge 15.019 3.802 Erledigungen 14.561 4.021 Bestand 14.699 14.480 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 10,7 10,1 Zahl der Termine insgesamt (ohne Verkündungstermine ) 11.436 2.908 darunter Bausachen 1 Neuzugänge 897 223 Erledigungen 901 238 Bestand 1.394 1.379 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 16,2 15,5 Zahl der Termine insgesamt (ohne Verkündungstermine ) 1.217 291 Zivilkammern Berufungsinstanz 2016 1. Quartal 2017 Neuzugänge 1.447 356 Erledigungen 1.597 402 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9410 3 Bestand 1.094 1.048 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 8,9 10,2 Zahl der Termine insgesamt (ohne Verkündungstermine ) 846 240 darunter Bausachen 1) Neuzugänge 39 12 Erledigungen 31 9 Bestand 37 40 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 11,1 11,3 Zahl der Termine insgesamt (ohne Verkündungstermine ) 21 8 Strafsachen I. Instanz 2016 1. Quartal 2017 Große Strafkammer Neuzugänge 227 63 Erledigungen 219 55 Bestand 144 152 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 6,4 4,8 Hauptverhandlungstage insgesamt 922 214 Schwurgericht Neuzugänge 44 8 Erledigungen 43 6 Bestand 28 30 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 5,2 5,6 Zahl der Termine insgesamt (ohne Verkündungstermine ) 388 57 Wirtschaftsstrafkammer Neuzugänge 15 4 Erledigungen 22 7 Bestand 28 25 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 22,8 18,6 Hauptverhandlungstage insgesamt 327 40 Jugendkammer Neuzugänge 29 7 Erledigungen 30 6 Bestand 19 20 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 4,4 14,1 2) Hauptverhandlungstage insgesamt 157 52 Strafsachen Berufungsinstanz 2016 1. Quartal 2017 Kleine Strafkammer (Strafrichter) Neuzugänge 1.308 334 Erledigungen 1.209 314 Bestand 603 620 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 4,1 4,3 Hauptverhandlungstage insgesamt 1.190 300 Kleine Strafkammer (Schöffen) Neuzugänge 193 51 Erledigungen 184 53 Bestand 117 115 Drucksache 21/9410 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 5,5 5,2 Hauptverhandlungstage insgesamt 229 100 Wirtschaftsstrafkammer Neuzugänge 17 23 Erledigungen 10 6 Bestand 37 54 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 10,3 9,5 Hauptverhandlungstage insgesamt 8 12 Große Jugendkammer Neuzugänge 85 20 Erledigungen 97 17 Bestand 19 22 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 2,7 3,0 Hauptverhandlungstage insgesamt 91 21 Kleine Jugendkammer Neuzugänge 58 17 Erledigungen 53 21 Bestand 16 12 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 2,1 1,9 Hauptverhandlungstage insgesamt 31 17 1) Hier werden Verfahren ausgewiesen, die das Sachgebiet 10, „Bau-/Architektensachen (ohne Architektenhonorarsachen)“ betreffen. Eine Bausache liegt vor, wenn das Verfahren Forderungen aus Werk- oder Werklieferungsverträgen betrifft, die aufgrund von Bauvorhaben geschlossen worden sind, insbesondere wenn der Schwerpunkt der Streitigkeit in einem Streit um bauwerkbezogene Mängel (§ 634a Absatz 1 Nummer 2 BGB) liegt. 2) Von den sechs erledigten Verfahren ist ein Verfahren länger als 36 Monate anhängig gewesen , sodass die durchschnittliche Verfahrensdauer im 1. Quartal 2017 ungewöhnlich hoch ausfällt. 3. Wie hoch ist der Krankenstand bezogen auf die Vollzeitäquivalente und die Teilzeitstellen bei den Strafkammern, den Zivilkammern des Landgerichts (bitte die tatsächlichen Zahlen und in Prozenten in dem Zeitraum 2016 bis Juni 2017 bezogen auf die Kammern, die Richter/-innen und Geschäftsstellen darstellen)? Was sind Hauptursachen für gegebenenfalls Anstieg der Krankenstand/Krankenquote? Die Fehlzeiten können nur für das Landgericht gesamt ausgewertet werden, die Auswertung einzelner Kammern ist nicht möglich und kann auch nicht manuell ermittelt werden. Belastbare Zahlen liegen zu dieser Fragestellung derzeit für 2016 und 2017 bis einschließlich März 2017 vor. Die höheren Werte im 1. Quartal 2017 liegen im Rahmen der normalen Schwankungsbreite für die Wintermonate. 2016 Landgericht Teilzeit* Vollzeit Gesamt Berufskategorien Tage Prozent Tage Prozent Tage Prozent Bürofach-/Bürohilfskräfte 1.255,7 9,7% 2.887,0 8,5% 4.142,7 8,8% Richter/innen 112,6 1,4% 954,0 1,9% 1.066,6 1,8% Berufskategorien Gesamt 1.368,3 6,5% 3.841,0 4,5% 5.209,3 4,9% Januar bis März 2017 Landgericht Teilzeit Vollzeit Gesamt Berufskategorien Tage Prozent Tage Prozent Tage Prozent Bürofach-/Bürohilfskräfte 427,2 12,9% 840,0 9,3% 1.267,2 10,3% Richter/innen 122,1 5,6% 394,0 3,2% 516,1 3,5% Berufskategorien Gesamt 549,2 10,0% 1.234,0 5,7% 1.783,2 6,6% Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9410 5 * Durch einen Systemwechsel können jetzt auch Daten für Teilzeitkräfte ausgewiesen werden . 4. Wie viele Sitzungstage in Strafsachen und in Zivilsachen hatten Hamburger Richter/-innen von 2016 bis Juni 2017 am Landgericht zu bewältigen (bitte je Amtsgericht darstellen)? Siehe Antwort zu 1. und 2. 5. Wie viele Richterinnen und Richter am Landgericht haben in 2016 bis Juni 2017 den gesetzlichen Anspruch auf Elternzeit in welchem Umfang wahrgenommen? Wie wurden diese Stellen besetzt? Die Beurlaubungen wegen Elternzeit werden statistisch nicht erfasst. Zur Beantwortung der Frage müssten mehrere Hundert Personalakten aller im fraglichen Zeitraum am Landgericht Hamburg tätigen Richterinnen und Richtern ausgewertet werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Sofern es sich um einen längeren Zeitraum handelt, in dem Elternzeit genommen wurde, wurden diese Stellen grundsätzlich nachbesetzt. Bei kurzfristigen Elternzeiten erfolgt (seit Ende 2016) ein pauschaler Ausgleich auf der Basis der durchschnittlichen kumulierten Abwesenheiten der Vorjahre. 6. Welche baulichen Maßnahmen werden derzeit am Landgericht in welchem Zeitraum durchgeführt (bitte Kosten und je nach Amtsgericht anführen)? Welche weiteren Baumaßnahmen sind noch in Planung? Gibt es dazu Abweichungen von den ursprünglichen Planungen? Wenn ja, welche und warum? Siehe Drs. 21/9372.