BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9412 21. Wahlperiode 20.06.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 12.06.17 und Antwort des Senats Betr.: Wie häufig wird Abschiebehaft in Hamburg unzulässig angeordnet? Seit Monaten nimmt Hamburg zunehmend mehr Menschen in Abschiebhaft. Während es im 1. Quartal 2016 noch sechs Personen waren, wurden im 1. Quartal 2017 schon 42 Personen in Abschiebehaft genommen. Laut EU-Rückführungsrichtlinie ist „eine Inhaftnahme nur gerechtfertigt, um die Rückkehr vorzubereiten oder die Abschiebung durchzuführen und wenn weniger intensive Zwangsmaßnahmen ihren Zweck nicht erfüllen.“ Vor diesem Hintergrund fällt auf, dass die hohen Zahlen der Inhaftierten nicht korrespondieren mit den Zahlen derjenigen, die aus der Abschiebehaft abgeschoben werden. Das bedeutet, dass einige Inhaftierte wieder freigelassen werden müssen, zum Beispiel weil ihre Inhaftnahme unrechtmäßig war und/oder ihre Abschiebung nicht möglich ist. Der Freiheitsentzug ist ein schwerwiegender Grundrechteeingriff, der sorgfältig begründet werden muss. Der Rechtsanwalt Peter Fahlbusch führt seit Jahren Statistik über seine Fälle und belegt, dass die Hälfte seiner Mandanten zu Unrecht inhaftiert worden seien. Da Abschiebehaft nicht als Strafhaft gilt, können zu Unrecht Inhaftierte im Nachhinein keine Haftentschädigung erhalten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Sowohl die Anordnung von Abschiebungshaft nach § 62 Absatz 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) als auch die Anordnung von Ausreisegewahrsam nach § 62b AufenthG unterliegen dem Richtervorbehalt. Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam werden folglich von der zuständigen Behörde beantragt, jedoch nicht angeordnet. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Menschen wurden durch die Freie und Hansestadt Hamburg in den vergangenen fünf Quartalen aus der Abschiebehaft abgeschoben beziehungsweise entlassen? Bitte angeben wie viel Prozent jeweils a. in Dublin-Länder abgeschoben wurden, b. in Drittländer abgeschoben wurden, c. entlassen wurden. Die Angaben sind der folgenden Übersicht zu entnehmen: Drucksache 21/9412 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Zeitraum aus Abschiebehaft abgeschoben davon in Dublin- Länder (in %)* davon in Drittstaaten (in %)* Entlassungen 1. Quartal 2016 4 25 25 1 2. Quartal 2016 3 0 0 0 3. Quartal 2016 6 16,7 16,7 3 4. Quartal 2016 25 36 4 7 1. Quartal 2017 22 22,7 5 8 * Die übrigen Abschiebungen erfolgten in die Herkunftsstaaten. 2. Bitte die Entlassungen aus 1.c. der einzelnen Quartale nach Gründen aufschlüsseln: a. Abschiebung nicht möglich. b. Haftanordnung nicht rechtmäßig. c. medizinische Gründe. d. mögliche Haftdauer überschritten. e. sonstige Gründe. Die Angaben sind der folgenden Übersicht zu entnehmen: Zeitraum Abschiebung nicht möglich Haftanordnung nicht rechtmäßig medizinische Gründe mögliche Haftdauer überschritten sonstige Gründe 1. Quartal 2016 - - - - 1 2. Quartal 2016 - - - - - 3. Quartal 2016 - - - - 3 4. Quartal 2016 2 - 1 - 4 1. Quartal 2017 1 - 2 - 5 3. Wie viele Menschen wurden durch die Freie und Hansestadt Hamburg in den Quartalen seit Inbetriebnahme in Abschiebegewahrsam genommen ? Bitte angeben wie viel Prozent jeweils a. in Dublin-Länder abgeschoben wurden, b. in Drittländer abgeschoben wurden, c. entlassen wurden. Die folgenden Angaben beziehen sich auf die Anordnung von Ausreisegewahrsam gemäß § 62 b AufenthG, welcher erstmals im 4. Quartal 2016 angewandt wurde: Zeitraum in Ausreisegewahrsam genommen davon in Dublin -Länder (in %)* davon in Drittstaaten (in %)* Entlassungen 4. Quartal 2016 7 0 0 1 1. Quartal 2017 6 0 16,7 0 * Die übrigen Abschiebungen erfolgten in die Herkunftsstaaten. 4. Bitte die Entlassungen aus 3.c. der einzelnen Quartale nach Gründen aufschlüsseln: a. Abschiebung nicht möglich. b. Haftanordnung nicht rechtmäßig. c. medizinische Gründe. d. mögliche Haftdauer überschritten. e. sonstige Gründe. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9412 3 Die Angaben sind der folgenden Übersicht zu entnehmen: Zeitraum Abschiebung nicht möglich Haftanordnung nicht rechtmäßig medizinische Gründe mögliche Haftdauer überschritten sonstige Gründe 4. Quartal 2016 1 - - - - 1. Quartal 2017 - - - - - 5. In welchen der Abschiebehafteinrichtungen, die die Freie und Hansestadt Hamburg nutzt, werden unabhängige Verfahrensberatungen angeboten ? Wenn nicht überall: Wie gewährleistet der Senat, dass die Geflüchteten über ihre Rechte aufgeklärt werden und diese wahrnehmen können? Abschiebungshaft wird nur auf richterliche Anordnung vollstreckt, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist und die in § 62 Absatz 3 AufenthG genannten Haftgründe vorliegen . Jedem Betroffenen ist es daher zuvor möglich, Abschiebungshaft entweder durch Erfüllung der gesetzlichen Ausreisepflicht zu vermeiden oder alle gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel auszuschöpfen, um die Feststellung der Ausreisepflicht gerichtlich überprüfen zu lassen. Es besteht daher vor der Abschiebungshaft eine umfassende Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz. Im Übrigen ist es den Betroffenen unbenommen, insbesondere über die regelmäßig vorhandenen Mobiltelefone zu Rechtsbeiständen und unabhängigen Beratungsstellen Kontakt aufzunehmen und im Rahmen des Besuchsrechts Beratungen wahrzunehmen , siehe auch Drs. 21/5339 und 21/5774. Darüber hinaus liegen der zuständigen Behörde keine Erkenntnisse über die Regelungen in den Abschiebungshafteinrichtungen anderer Länder vor. Sie unterliegen der Verantwortung der dort zuständigen Länderressorts.