BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9426 21. Wahlperiode 20.06.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 13.06.17 und Antwort des Senats Betr.: Inklusion: Wie läuft das Übergangsmanagement von Kita zu Grundschule ? Der schnelle und überragende Erfolg der Volksinitiative „Gute Inklusion“ zeigt, wie sehr die rot-grüne Schulpolitik an der Realität in den Klassenzimmern vorbeigeht. Dabei ist vieles vorhersehbar: Manche Förderschwerpunkte sind bereits vor der Einschulung bekannt, etwa bei geistiger oder körperlicher und motorischer Entwicklung. Bei anderen – insbesondere in den Bereichen Lernen, Sprache und emotional-soziale Entwicklung (LSE) – stellt sich die Förderbedürftigkeit oft erst im Laufe der Grundschulzeit heraus. Um angemessen reagieren zu können, sind möglichst früh gewonnene Daten besonders wichtig. Der Übergang von Kindertageseinrichtungen zu Schule wird in zahlreichen Studien und auch von Praktikern gerade unter dem Aspekt der Inklusion bislang als unzureichend kritisiert.1 Ein Hauptproblem ist, dass Kita und Schule unterschiedliche Institutionen sind, die verschiedene Aufgaben haben, unterschiedlich ausgebildete Mitarbeiter und andere Behördenzuständigkeiten sowie fehlende verbindliche Standards. Unterschiedliche rechtliche Grundlagen von Kindertageseinrichtungen und Schulen können zu Barrieren beim Übergang führen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Kinder wurden im Schuljahr 2016/2017 in die ersten Klassen eingeschult? Im Schuljahr 2016/2017 wurden insgesamt 14.132 Schülerinnen und Schüler in Klasse 1 der staatlichen allgemeinbildenden Schulen eingeschult. 2. Wie viele davon hatten zuvor eine Kita besucht und wie viele davon nicht? 3. Wenn die Zahlen zu 1. und 2. nicht vorliegen: warum nicht? Bildungsverläufe werden statistisch nicht erfasst, damit liegen im Rahmen der Schuljahresstatistik keine Angaben zum vorherigen Kita-Besuch vor. 4. Wie viele Kinder werden im Schuljahr 2017/2018 eingeschult werden? Siehe Drs. 21/8541. 1 Vergleiche zum Beispiel die Dissertation: Jennifer Henkel: Die Transition vom Elementar- in den Primarbereich unter Beachtung von inklusiver Bildung, Gießen 2015 (http://geb.unigiessen .de/geb/volltexte/2016/11954/pdf/HenkelJennifer_2015_12_09.pdf). Drucksache 21/9426 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 5. Wie viele Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf kommen nach jetzigem Stand im Schuljahr 2017/2018 in die ersten Klassen der Grundschulen ? Bitte nach Förderschwerpunkt aufschlüsseln. Siehe Drs. 21/8501. 6. Wie viele Kinder werden im Schuljahr 2017/2018 an eine Förderschule (Sonderschule/ReBBZ/private Förderschule et cetera) eingeschult werden ? Bitte nach Förderschwerpunkten aufschlüsseln. Zu den geplanten Einschulungen in staatliche Schulen siehe Drs. 21/8541 und 21/8007; für die Schulen in freier Trägerschaft siehe. Drs. 21/8929. 7. Wenn die Zahlen zu 4. bis 6. nicht vorliegen: warum nicht? Wann werden sie gegebenenfalls vorliegen? Entfällt. 8. Werden Kinder bei der Viereinhalbjährigen-Untersuchung auf sonderpädagogischen Förderbedarf untersucht? Wenn ja: In welcher Form werden die Erkenntnisse mit den Eltern besprochen und an die Kitas beziehungsweise Grundschulen weitergegeben ? Wenn nein: warum nicht? Siehe Drs. 21/5306. 9. Wie sieht das Übergangsmanagement für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf von Kita zu Grundschule aus? In welcher Form wird ein etwaiger Förderbedarf von Kindern im Vorschulalter erhoben? Für Kinder mit Behinderungen oder drohenden Behinderungen erstellt die Kita für den Übergang in die Grundschule einen standardisierten Abschlussbericht über die Förderung des Kindes. Der Abschlussbericht wird mit den Eltern besprochen und mit deren Einverständnis der aufnehmenden Schule zur Verfügung gestellt. Im Übrigen siehe Antwort zu 12. und Drs. 21/5306. 10. Werden die Kinder mit Förderbedarf zumindest zeitweise von demselben Personal begleitet/betreut bei dem Übergang in die Grundschulen? Regional gibt es unterschiedlich ausgestaltete Kooperationsformen von Kitas und Schulen bei der Gestaltung des Übergangs von der Kita in die Schule, sodass in Einzelfällen oder an bestimmten Standorten Kinder zeitweise mit Personal aus beiden Institutionen Kontakt haben. 11. Wer ist für die Erstellung von Gutachten über sonderpädagogischen Förderbedarf im Kita- und Grundschulbereich zuständig? Für mindestens drei Jahre alte und noch nicht eingeschulte Kinder mit Behinderungen , für die auf Grundlage von § 26 Hamburgisches Kinderbetreuungsgesetz Leistungen der Eingliederungshilfe in einer Kita beantragt werden, erfolgt die Begutachtung durch den Jugendpsychiatrischen Dienst des zuständigen Bezirkes oder das Beratungszentrum Sehen, Hören, Bewegen, Sprechen. Für künftige Schulkinder werden die Gutachten beziehungsweise Diagnosebögen zur diagnostischen Überprüfung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs vor Beginn der Schulpflicht eines Kindes durch sonderpädagogische Fachkräfte der ReBBZ beziehungsweise der speziellen Sonderschulen erstellt. 12. Nach welchen Kriterien wird festgestellt, ob und welchen Förderbedarf ein einzuschulendes Kind hat? Der Abschlussbericht der Kita enthält Informationen zur Förderung des Kindes in der Kita sowie Informationen zum weiteren diagnostischen oder Beratungsbedarf. Darüber hinaus enthält er eine Einschätzung des Kompetenzniveaus des Kindes und Empfehlungen für die weitere Förderung. Für den von der Kita zu erstellenden Abschlussbe- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9426 3 richt wurde ein Standardformular entwickelt (siehe unter: http://www.hamburg.de/ behinderte-kinder/118786/start/). Für den Schulbereich sind die Kriterien für die Diagnostik in den einzelnen sonderpädagogischen Förderschwerpunkten in den §§ 3 – 10 der Verordnung über die Ausbildung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (AO- SF, veröffentlicht im HmbGVBl. Nummer 44 vom 20.11.2012) beschrieben. Ergänzende Informationen zur Umsetzung dieser Verordnung enthält die Handreichung Inklusive Bildung und sonderpädagogische Förderung, 1. Baustein, Diagnostik und Förderplanung vom 20. Oktober 2015 (http://www.hamburg.de/inklusion-in-hamburgsschulen -grundlagen-handreichungen/). Die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs erfolgt durch einen Bescheid der für Bildung zuständigen Behörde. 13. In welchen Zeiträumen wird dies festgestellt? Der Abschlussbericht der Kita wird grundsätzlich drei Monate vor der Einschulung erstellt. Die diagnostische Überprüfung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs durch die Schulbehörde erfolgt in der Zeit von Oktober bis circa Ende März vor Beginn der Schulpflicht eines Kindes. 14. Wie werden die Eltern dieser Kinder jeweils einbezogen in den Diagnoseprozess und in die Beratung hinsichtlich der Schulwahl? Die Sorgeberechtigten sind bei der Einleitung des Überprüfungsverfahrens, bei der Erhebung der Anamnese sowie beim Abschluss des gutachterlichen Verfahrens einbezogen . Näheres hierzu regeln § 11 sowie § 12 Absatz 5 der AO-SF. Im Zuge der diagnostischen Überprüfung werden die Sorgeberechtigten auch zu möglichen schulischen Förderorten (inklusiv an einer allgemeinen Schule oder alternativ in einer fachlich geeigneten sonderpädagogischen Einrichtung) sowie bezüglich der Wahlmöglichkeit gemäß § 12 Absatz 1 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) informiert . 15. Werden mögliche Erkenntnisse über etwaige Förderbedarfe in den Bereichen LSE von den Kitas an die Grundschulen übergeben, die diese Kinder übernehmen? Wenn ja: In welcher Form geschieht dies? Wenn nein: warum nicht? Siehe Drs. 21/5306. 16. Ist es richtig, dass die Problematik verschiedener Rechtskreise eine Zusammenarbeit im Bereich Inklusion zwischen Kita und Grundschule einschränkt? 17. Wenn ja: a. Welche rechtlichen Hürden sind dies konkret? b. Welche Möglichkeiten zur Veränderung gibt es? Obgleich der Gesetzgeber von einer Kooperation zwischen den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe und den Schulen ausgeht (vergleiche § 2 Absatz 3 Hamburger Kinderbetreuungsgesetz /KibeG und § 22a Absatz 2, Satz 1 Nummer 3 und Absatz 5 Sozialgesetzbuch Achtes Buch/SGB VIII), ist eine Übermittlung personenbezogener Daten aus den Kitas an die Schulen aufgrund des Sozialdatenschutzes wegen der besonderen Sensibilität der Dateninhalte (unter anderem Gesundheitsdaten) nur mit vorheriger Einwilligung der Sorgeberechtigten möglich (vergleiche § 33 KibeG in Verbindung mit § 69 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch/SGB X). Der Schaffung einer landesrechtlichen Vorschrift zur Gestattung eines vorbehaltlosen Datenaustausches stehen bundes- und verfassungsrechtliche Gründe entgegen, denn der Sozialdatenschutz unterliegt der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. 18. Plant der Senat Änderungen im Übergangsmanagement von Kita zu Grundschule im Bereich Inklusion? Wenn ja: welche? Drucksache 21/9426 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Wenn nein: warum nicht? Das Übergangsmanagement wurde im Zuge der Inklusion mehrfach verbessert. Derzeit sind keine weiteren strukturellen Veränderungen im Übergangsmanagement von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule geplant. Selbstverständlich wird die Qualität der Zusammenarbeit aller beteiligten Institutionen kontinuierlich überprüft und weiterentwickelt. Die im Rahmen des Vorstellungsverfahrens der Viereinhalbjährigen vorgesehene Kooperation und weitere Zusammenarbeit hat sich bewährt und sorgt für eine frühzeitige Absicherung der notwendigen Unterstützungsleistungen. Im Übrigen siehe Drs. 21/5306.