BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9433 21. Wahlperiode 20.06.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 14.06.17 und Antwort des Senats Betr.: Politische Indoktrination in der Berufsausbildung – Gesinnungsprüfungen auch in Hamburg? Im Rahmen der Gesellenprüfung vor der Handwerkskammer im grünschwarz regierten Baden-Württemberg sind die Prüfungsfragen aus dem Bereich „GK 4 Demokratie in Deutschland“ veröffentlicht worden. Sie zeigen die Dimensionen der politischen Indoktrination und des speziellen AfD- Bashings, wie sie auch an Hamburger Schulen und Bildungseinrichtungen bereits nachweislich stattgefunden haben (vergleiche Drs. 21/4760; 21/6316, 21/6512, 21/6832, 21/7312, 21/7502, 21/7935). Im Prüfungsbogen „GK 4 Demokratie in Deutschland“ der baden-württembergischen Gesellenprüfung unter 4.1. hat der Prüfling drei Aufgaben der Parteien im deutschen politischen System zu beschreiben. In 4.2 soll er anhand von drei Beispielen erläutern, was im Grundgesetzartikel 21 (2) (2) unter der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ zu verstehen ist. An dieser Stelle stellt die Verfassung fest: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig .“ Sodann, in Aufgabe 4.3, hat der Prüfling aus einem Artikel des „Handelsblatts “ herauszuarbeiten, welche Beschlüsse der AfD verfassungswidrig sein könnten. Die suggestive Überschrift des „Handelsblatt“-Artikels verweist wohl bereits auf den Erwartungshorizont des Bildungsministeriums: „Staatsrechtler zum AfD-Programm – Anti-Islam-Beschlüsse teilweise verfassungswidrig“. „Die AfD konnte bei allen Landtagswahlen 2016 große Gewinne verbuchen. Beschreiben Sie drei mögliche Ursachen für diese Zugewinne“, so die Aufgabenstellung in Punkt 4.4, um im Fragekomplex rund um die AfD abschließend unter 4.5 eine Karikatur von Paolo Calleri zu beschreiben und die Aussageabsicht des Künstlers zu erklären. Der stellt eine Prinzessin mit CDU- Bauchbinde dar, die in Richtung des „AfD-Frosch“ die Worte richtet: „Sowas wie Dich küss ich nicht!“ Der schelmisch dreinblickende AfD-Frosch gibt zurück: „Vielleicht will ich ja gar nicht entzaubert werden!“1 Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: 1 Prüfungsbogen einzusehen unter: http://www.journalistenwatch.com/wp-content/uploads/ 2017/05/Fragenkatalog-der-diesjährigen-theoretischen-Gesellenabschlussprüfung-Sommer- 2017-für-Maler-und-Lackierer-im-Fach-Gemeinschaftskunde..pdf (abgerufen am: 08.06.2017). Drucksache 21/9433 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Eine Grundlage für die Gesellenabschlussprüfung in Fachklassen der Berufsschule in Hamburg sind die von der Kultusministerkonferenz (KMK) am 7. Mai 2008 beschlossenen „Elemente für den Unterricht der Berufsschule im Bereich Wirtschafts- und Sozialkunde gewerblich-technischer Ausbildungsberufe“ (http://www.kmk.org/ fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2008/2008_05_07-Wirtschafts- Sozialkundeunt-Berufsschule.pdf), in denen Ausbildungs- und Prüfungsgegenstände für den Unterricht in der Berufsschule im Bereich Wirtschafts- und Sozialkunde gewerblich-technischer Ausbildungsberufe vorgegeben werden. Sie stellen den nach § 38 Berufsbildungsgesetz/§ 32 Handwerksordnung für die „Berufsausbildung wesentlichen Lehrstoff der Berufsschule“ dar, der damit auch Gegenstand der Berufsabschlussprüfungen ist. In den Abschlussprüfungen sollen die Prüflinge im Prüfungsfach „Wirtschaft und Sozialkunde“ nachweisen, dass sie über Kenntnisse allgemeiner wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhänge der Berufs- und Arbeitswelt verfügen. Die aufgeführten Ausbildungs- und Prüfungsgegenstände beziehen sich daher vor allem auf die Berufs- und Arbeitswelt, in der die Auszubildenden handlungsfähig sein sollen. Prüfungsgebiete und damit verbundene Themenbereiche (in Klammern) sind: Der Jugendliche in Ausbildung und Beruf (unter anderem Stellung des Betriebes in der Branche, Berufsausbildungsvertrag, Arbeitsvertrag, Arbeitsbedingungen, Arbeitsplatzsicherheit, Berufsbildungsgesetz, Handwerksordnung, Arbeitsgerichtsbarkeit , Möglichkeiten und Grenzen der betrieblichen Mitbestimmung, Arbeitgeberund Arbeitnehmerorganisationen, Betriebsrat, Jugend- und Auszubildendenvertretung , Tarifrecht, Tarifverträge Lebenslanges Lernen, Leben, Lernen und Arbeiten in Europa) Nachhaltige Existenzsicherung (unter anderem Grundzüge des sozialen Sicherungssystems , Versicherungsprinzipien, gesetzliche und private Vorsorge, Sozialgerichtsbarkeit , individuelle Vermögensbildung, Steuern und Transferleistungen des Staates, Individuelle Lebensplanung und gesellschaftliches Umfeld, Perspektive der Berufs- und Lebensplanung, Potentialanalyse, Karriereplanung, Familienplanung Rollenerwartungen von Mann und Frau in der Familie, Möglichkeiten und Grenzen einer Existenzgründung) Unternehmen und Verbraucher in Wirtschaft und Gesellschaft sowie im Rahmen weltwirtschaftlicher Verflechtungen (unter anderem Aufgaben, Aufbau und Ziele von Betrieben und Unternehmen, wirtschaftliche Verflechtungen, Rechtsformen, Rolle der Verbraucher, Konsumgewohnheiten, Rechtsgeschäfte und deren Folgen, Bedürfnisse, Bedarf, Kaufkraft, Rechtsgeschäfte, Kaufverträge, Verbraucherschutz und -beratung, Existenzgründung, Verbraucher in Wirtschaft und Gesellschaft, Rolle der Bundesrepublik Deutschland in der Weltwirtschaft, Globalisierung) Anders als in Hamburg und den übrigen Bundesländern gibt es in Baden-Württemberg gemäß der „Verordnung des Kultusministeriums über die Ausbildung und Prüfung an den Berufsschulen“ (Berufsschulordnung) vom 10. Juli 2008 eine vom dortigen Kultusministerium verantwortete Berufsschulabschlussprüfung im Fach Gemeinschaftskunde (§ 8 fortfolgende Berufsschulordnung, http://www.landesrecht-bw.de/jportal/ ?quelle=jlink&query=BerSchulAPV+BW&psml=bsbawueprod.psml&max=true&aiz =true#jlr-BerSchulAPVBWpP4). Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Frage auf Grundlage von Auskünften der Hamburger Kammern wie folgt: Welche Politikaufgaben wurden den Prüflingen im Rahmen der Abschlussprüfungen vor den Hamburger Kammern seit 2013 gestellt? Bitte sämtliche Prüfungsteile als Anhang beifügen. Da die Angaben von der zuständigen Behörde nicht zentral erfasst werden, wurden die Hamburger Kammern befragt. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf Berufsabschlussprüfungen nach dem Berufsbildungsgesetz (BBIG) im Prüfungsfach Wirtschafts- und Sozialkunde. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9433 3 Handelskammer Hamburg Die Handelskammer Hamburg nimmt pro Jahr rund 10.000 Abschlussprüfungen in 160 Ausbildungsberufen ab. Wirtschafts- und Sozialkunde-Aufgaben werden teilweise für Berufsgruppen erstellt, oftmals jedoch auch berufsweise. Abschlussprüfungen werden in der Regel zweimal jährlich durchgeführt. Für jede Prüfungsdurchführung werden neue Aufgaben erstellt und verwendet. Zum überwiegenden Teil werden die Prüfungsaufgaben durch im Auftrag der IHKs bundesweit tätige Aufgabenerstellungsinstitutionen erstellt. Die Rechte an diesen Aufgabensätzen liegen bei den Erstellungseinrichtungen. Zur Vorbereitung auf die Prüfungen können die Aufgabensätze früherer Prüfungen kostenpflichtig online bestellt werden: http://www.u-form-shop.de (Aufgabensätze für kaufmännische Berufe) http://www.christiani.de (Aufgabensätze für gewerblich-technische Berufe) Die Aufgabenerstellungsinstitutionen stellen zudem auch Musteraufgaben bei neu geordneten Berufen zur Verfügung: http://www.ihk-aka.de/aktuelles/kbm (Musteraufgaben Kaufmann/-frau für Büromanagement). Darüber hinaus werden in einigen Berufen regional in Hamburg erstellte Prüfungsaufgaben verwendet. Die Rechte an diesen Aufgaben liegen bei den Urhebern. Die Handelskammer Hamburg erwirbt lediglich das Nutzungsrecht für die Prüfungsdurchführung . Diese Aufgaben werden nicht veröffentlicht und unterliegen auch nach Durchführung der Prüfungen der Geheimhaltung. Prüfungsunterlagen sind laut § 31 der Prüfungsordnung für die Durchführung von Abschluss- und Umschulungsprüfungen der Handelskammer Hamburg ein Jahr aufzubewahren (siehe https://www.hk24.de/blob/hhihk24/produktmarken/ausbildungweiterbildung /downloads/1145716/e0b34da84b332624af933af2edbf0247/ Pruefungsordnung_Ausbildung_und_Umschulung-data.pdf). Insofern ist es grundsätzlich möglich, unter Berücksichtigung rechtlicher Rahmenbedingungen bei der Handelskammer Hamburg Einsicht in einzelne Aufgabensätze des zurückliegenden Prüfungsdurchgangs zu nehmen. Handwerkskammer Hamburg Die Veröffentlichung von Prüfungsfragen des Prüfungsbereiches Wirtschafts- und Sozialkunde der Gesellenprüfungen ab 2013 ist der Handwerkskammer Hamburg aus folgenden Gründen nicht möglich: • Die Aufbewahrungsfrist für die schriftlichen Prüfungsarbeiten beträgt ein Jahr. • Die Handwerkskammer Hamburg hat nahezu alle Hamburger Innungen ermächtigt, die Gesellenprüfungen durchzuführen. Die schriftlichen Prüfungsarbeiten werden dort aufbewahrt. • In einigen wenigen Ausbildungsberufen nimmt die Handwerkskammer Hamburg selbst Gesellen-, Abschluss- oder Umschulungsprüfungen ab. Die entsprechenden schriftlichen Prüfungsarbeiten werden bei ihr ein Jahr aufbewahrt. Die schriftlichen Prüfungsarbeiten sind mit persönlichen Daten versehen (Daten des Prüflings, Daten der Prüfer, Noten) und sind in dieser Form zur Weitergabe an Dritte nicht geeignet. Nach Durchsicht der vorliegenden schriftlichen Prüfungsarbeiten im Prüfungsbereich Wirtschafts- und Sozialkunde kann die Handwerkskammer Hamburg versichern, dass dort keine Fragen zu einzelnen politischen Parteien vorkommen. Ärztekammer Hamburg In den Abschlussprüfungen zur Medizinischen Fachangestellten wurden keine Aufgaben in dem in der Anfrage beschriebenen Sinne gestellt. Steuerberaterkammer Hamburg Die Steuerberaterkammer Hamburg verwendet für den schriftlichen Teil der Abschlussprüfung zum/zur Steuerfachangestellten Klausuren, die im Klausurenver- Drucksache 21/9433 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 bund mit Steuerberaterkammern von elf anderen Bundesländern erstellt worden sind. Nach § 13 Absatz 1 der Prüfungsordnung für die Steuerfachangestellten erstreckt sich die schriftliche Prüfung auf folgende Prüfungsfächer (siehe http://stbk-hamburg.de/wpcontent /uploads/Prüfungsordnung-Stfang-Stand-29.06.2016.pdf): - Steuerwesen, - Rechnungswesen, - Wirtschafts- und Sozialkunde; Im letztgenannten Fach werden Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet Arbeitsrecht und soziale Sicherung, Schuld- und Sachenrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Finanzierung geprüft. Darüber hinaus gehende Politikaufgaben wurden im Rahmen der Abschlussprüfung seit dem Jahr 2013 nicht gestellt. Sämtliche Aufgaben des Prüfungsverbundes für die Abschlussprüfung zum/zur Steuerfachangestellten werden im Internet unter www.stbk-niedersachsen.de/Ausbilung/ Berufsweg/Steuerfachangestellte/Prüfungsaufgaben veröffentlicht. Zahnärztekammer Hamburg Die Prüfungsaufgaben seit 2013 in den von der Zahnärztekammer Hamburg verantworteten Prüfungen enthalten keine Aufgaben in dem in der Anfrage beschriebenen Sinne. Notarkammer Hamburg Bei der Erstellung von Prüfungsaufgaben werden die KMK-Vorgaben berücksichtigt. Zuständig für die Aufgabenerstellung ist unser Prüfungsausschuss nach § 21 Absatz 1 Prüfungsordnung der Hamburgischen Notarkammer für die Durchführung von Abschluss- und Umschulungsprüfungen im Ausbildungsberuf zum/zur Notarfachangestellten vom 28.07.2015 (siehe https://beruflicheschule-stpauli.hamburg.de/wpcontent /uploads/sites/77/2015/10/Pr%C3%BCfungsordnung-NoFa-2015.pdf). Hiernach erstellt der Prüfungsausschuss die Aufgaben nach dem in Hamburg gültigen Lehrplan. Aufgabenstellungen sind stets von allgemeiner Natur und ohne Nennung von Parteien gestellt. Tierärztekammer Hamburg Die Prüfungsaufgaben seit 2013 in den von der Tierärztekammer Hamburg verantworteten Prüfungen enthalten keine Aufgaben in dem in der Anfrage beschriebenen Sinne . Landwirtschaftskammer Hamburg Für die Prüfungsaufgaben in den von der Landwirtschaftskammer Hamburg verantworteten Prüfungen wurden keine Aufgaben in dem in der Anfrage beschriebenen Sinne gestellt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.