BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9564 21. Wahlperiode 04.07.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 26.06.17 und Antwort des Senats Betr.: Dooring-Unfälle in Hamburg In Berlin wurde unlängst ein Radfahrer bei einem Unfall durch die plötzlich aufgerissene Tür eines längs parkenden Autos (sogenanntes dooring) tödlich verletzt. Von vielen Radfahrern/-innen wird die Vorbeifahrt an längs parkenden Autos als Gefahrensituation wahrgenommen. Das gilt auch auf den Fahrrad(schutz)streifen, die aufgrund ihrer geringen Breite keinen ausreichenden Sicherheitsabstand zu parkenden Autos ermöglichen, ohne dadurch in den fließenden Verkehr zu geraten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Teilt der Senat die gängige Rechtsauffassung, dass beim Überholen von Rad Fahrenden ein Sicherheitsabstand von 1,50 Meter erforderlich ist? Falls nein, weshalb nicht? Nach § 5 Absatz 4 Satz 2 und 4 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) muss beim Überholen ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern, insbesondere zu den zu Fußgehenden und zu Radfahrenden, eingehalten werden. Wer überholt, der darf dabei denjenigen, der überholt wird, nicht behindern. Hierbei ist der Sicherheitsabstand von unterschiedlichen Faktoren wie zum Beispiel Fahrbahnverhältnisse , Witterungsbedingungen, Fahrgeschwindigkeit im Rahmen des Zulässigen oder Fahrzeuggröße abhängig. Grundsätzlich erfordert die Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht, wobei kein Anderer geschädigt oder gefährdet wird (§ 1 StVO). 2. Nach der PLAST 9 sollen Schutzstreifen und Radstreifen im Regelfall eine Breite von 1,50 Metern, mindestens 1,25 Meter, haben. Damit kann der Sicherheitsabstand von 1,50 Meter beim Vorbeifahren/Überholen eines motorisierten Fahrzeuges nur eingehalten werden, wenn die Fahrbahn breit genug ist. Die Breite von Bussen und Lkws beträgt in der Regel 2,55 Meter. Fährt ein/e Radfahrer/in ganz links auf dem Schutz-/ Radfahrstreifen, zum Beispiel um ausreichenden Abstand zu längsparkenden Autos wie in der Feldstraße zu halten, ermöglicht nur eine Fahrbahnbreite von mindestens 4,05 Metern ein gefahrloses Passieren/ Überholen der/des Radfahrer/in. a. Welche Breite von Bussen und Lkws inklusive Seitenspiegel wird bei der Planung von Straßen zugrunde gelegt? Die bei der Planung von Straßen im Regelfall zugrunde zu legende Breite von Bussen und Lkws beträgt 3,05 m. Sie ergibt sich aus der nach der Straßenverkehrs- Zulassungs-Ordnung (StVZO) höchstzulässigen Breite über alles (ohne Spiegel) für Kraftfahrzeuge von 2,55 m zuzüglich 2 x 0,25 m seitliche Bewegungsspielräume, in denen die Breiten der Spiegel enthalten sind. Drucksache 21/9564 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 In Fällen mit geringer Fahrzeugfolge, untergeordneter Rolle des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), geringer Begegnungshäufigkeit und Ausweichmöglichkeiten kann dieses Maß auf 3,00 m reduziert werden. b. Ist bei allen Schutz- und Radfahrstreifen in Hamburg sichergestellt, dass die daneben verlaufende Fahrbahn mindestens so breit ist wie die zugrunde gelegte Breite von Bussen und Lkws plus mindestens 1,50 Meter Sicherheitsabstand? Falls nein, i. weshalb nicht? Nein. Bei dem Sicherheitsabstand handelt es sich nicht um eine Planungsgröße, die bei der Straßenplanung anzusetzen ist. ii. wie viele Kilometer Schutz- und Radfahrstreifen betrifft das? Grundsätzlich betrifft dies alle Schutz- und Radfahrstreifen mit einer Gesamtlänge von 69,765 km. Im Übrigen siehe Drs. 21/9402. iii. welche Breite der Fahrbahn wird als mindestens ausreichend für ein sicheres Passieren/Überholen von Radfahrern/-innen auf den Streifen angesehen? Die Breite der Fahrbahn hängt von der jeweiligen Führungsform des Radverkehrs sowie von der erwarteten verkehrlichen Situation ab. Schutzstreifen können bei entsprechender verkehrlicher Situation ab einer Gesamtfahrbahnbreite von insgesamt 7,00 m Anwendung finden (davon 4,50 m Fahrgasse). Bei Radfahrstreifen soll die Breite des angrenzenden Fahrstreifens für den Kraftverkehr im Regelfall 3,25 m nicht unterschreiten, die Mindestbreite beträgt 2,75 m. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. c. Viele Autofahrer/-innen fahren am rechten Rand der Fahrbahn unmittelbar neben dem Schutz- und Radfahrstreifen. Mit welchen Maßnahmen will der Senat mehr Aufmerksamkeit für den einzuhaltenden Sicherheitsabstand schaffen? Falls der Senat keine Aktivitäten plant: weshalb nicht? Die Polizei Hamburg und der Landesbetrieb Verkehr führen eine Vielzahl von Präventionsmaßnahmen im Straßenverkehr durch, die sich an alle Verkehrsteilnehmer richten . Dabei wird auch regelmäßig das Verhalten zwischen Kraftfahrzeugführern und Radfahrern thematisiert. Unter dem Motto „Schon gecheckt“ wird zusammen mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club e.V., der Unfallkasse Nord und anderen Partnern aus dem Forum Verkehrssicherheit eine jährlich wiederkehrende Aktion zur Fahrradsicherheit durchgeführt (www.schon-gecheckt.de). Hierzu werden Flyer zum Verhalten auf Radfahrstreifen und Schutzstreifen für Radfahrer an Radfahrer und Kraftfahrzeugführer verteilt und mit den Angesprochenen erörtert. Hiervon sind auch die Verhaltenspflichten der Autofahrer beim Überholen und Vorbeifahren an Radfahrern mit umfasst. Darüber hinaus sind die genannten Verhaltensregeln und Vorschriften regelmäßig Bestandteil der polizeilichen Informationsangebote auf Messen und an Informationsständen der Fahrradstaffel und Polizeikommissariate. 3. Welche Kenntnisse hat der Senat darüber, ob im Fahrschulunterricht eine besondere Sensibilisierung der angehenden Autofahrer/-innen für ihre gestiegene Verantwortung im Zusammenhang mit Fahrrad(schutz)- streifen statt? Ziel des theoretischen und praktischen Fahrschulunterrichts ist, dass Fahrschüler nach Abschluss ihrer Ausbildung Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr sicher, verantwortungsvoll und rücksichtsvoll allen anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber führen können. Zur Erreichung dieses Ziels werden auch die Besonderheiten und das Verhalten gegenüber Radfahrern im Fahrschulunterricht für alle Fahrerlaubnisklassen nach den Vorgaben der bundeseinheitlichen Fahrschüler-Ausbildungsordnung (Fahrsch- AusbO) vermittelt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9564 3 4. Welche Möglichkeiten hat der Senat, auf die obligatorischen Inhalte des Fahrschulunterrichts Einfluss zu nehmen? Zuständig für die Regelungen des theoretischen und praktischen Fahrschulunterrichts nach der FahrschAusbO ist das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur . Änderungsvorschläge können von den Ländern eingebracht werden. 5. In den Niederlanden zum Beispiel lernen Fahrschüler/-innen, die Tür nicht mit der Hand zu öffnen, die der Tür am nächsten ist, sondern mit der anderen Hand. Dieser Griff sorgt dafür, dass man sich mit dem Oberkörper leicht dreht und dabei automatisch zur Seite schaut und von hinten kommende Radfahrer/-innen sofort erkennt. Ist dem Senat diese Methode bekannt? Der zuständigen Fachbehörde ist diese Methode bekannt. Bereits in dem Bündnis für den Radverkehr vom 23. Juni 2017 ist festgehalten, dass in Zusammenarbeit mit der Hamburger Fahrlehrerschaft bei der Ausbildung und Prüfung angehender Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer sowie der Fahrschülerinnen und Fahrschüler im Rahmen bestehender Spielräume Elemente zum Thema Sicherheit des Radverkehrs noch stärker in den Vordergrund gestellt werden.