BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9602 21. Wahlperiode 04.07.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 27.06.17 und Antwort des Senats Betr.: Möglicher Einsatz von Reizstoffen bei Protesten anlässlich des G20- Gipfels Die Anwendung von Pfefferspray durch Polizeibeamtinnen und -beamte als Mittel zur Ausübung unmittelbaren Zwangs ist mit gravierenden und zugleich schwer abschätzbaren gesundheitlichen Risiken für die betroffenen Personen verbunden. Empirische Studien wie auch die Fachliteratur weisen zunehmend darauf hin, dass die Anwendung von Pfefferspray beziehungsweise chemischen Substituten in einer Reihe von Fällen mitursächlich für den Tod von Menschen war. Eine erhöhte Gefahr besteht insbesondere bei gesundheitlich vorbelasteten Menschen sowie bei Personen, die unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln oder Drogen stehen. Für Hamburger Polizeibeamten/-innen richtet sich der Einsatz von Pfefferspray nach dem Hamburgischen Landesrecht sowie laut Antwort des Senats in Drs. 20/197 ergänzend nach der Vorschrift für den täglichen Dienst der Polizei der Freien und Hansestadt Hamburg (PDV 350 -HH-). Laut Antwort des Senats in Drs. 21/113 erfolgt ein Einsatz von Reizstoffen über Abschussvorrichtungen, wie zum Beispiel mittels einer Mehrzweckpistole (MZP), in Hamburg nicht. Während der „Blockupy“-Proteste war zu sehen, wie Polizisten/-innen mit Granatpistolen Tränengasgranaten verschießen. Die dazu befragte Polizeisprecherin verneinte dies mit dem Hinweis, dass die Polizei über solche Mittel nicht verfügen würde (vergleiche https://youtu.be/dxkubppqzrk). Vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen stellt sich die Frage, nach welchen Vorgaben und mittels welcher Gerätschaften andere anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg eingesetzte Polizeien Reizstoffe verwenden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Einsatz von Reizstoffen als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt obliegt den Vorschriften der Zwangsanwendung. Entsprechend darf und wird von der Polizei nur in entsprechenden Fällen von dem Einsatz von Reizstoffen Gebrauch gemacht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Reizstoffen in erster Linie in Situationen erfolgt, in denen ansonsten andere Zwangsmittel wie körperliche Gewalt, Schlagstockeinsatz oder gegebenenfalls auch der Schusswaffengebrauch drohen kann. Der Einsatz von Reizstoffen kann hier das Verletzungsrisiko deutlich begrenzen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Reizstoffe, Reizstoffsprühgeräte und Abschussvorrichtungen für Reizstoffgranaten sind bei der Hamburger Polizei im Einsatz (bitte hinsichtlich der Reizstoffe aufgliedern nach Typen, Fabrikaten, Herstellern Drucksache 21/9602 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 der Reizgase und bei Pfefferspray auch nach synthetischer und natürlicher Ware sowie hinsichtlich der Gerätschaften aufgliedern nach Gerätemodell , Anzahl, Einsatzreichweite, Sprühbilddurchmesser, Mindestzahl von 1-Sekunden-Strahlstößen)? Der aktuelle Bestand an Reizstoffsprühgeräten (RSG) bei der Polizei Hamburg ist der folgenden Tabelle zu entnehmen: Gerät Anzahl RSG 2 1.631 RSG 3 7.450 RSG 4 280 Im Übrigen siehe Drs. 20/197 und 21/8091. 2. Inwiefern hat die Antwort des Senats in Drs. 21/113, in Hamburg erfolge ein Einsatz von Reizstoffen über Abschussvorrichtungen, wie zum Beispiel mittels einer Mehrzweckpistole (MZP), nicht, auch für den Zeitraum des G20-Gipfels Bestand? Die Aussage ist weiterhin gültig. 3. Welche Gesetze, Verwaltungsvorschriften, Verordnungen oder Richtlinien regeln den Einsatz von Reizstoffen in Hamburg durch andere Polizeien als die Hamburger Polizei? Siehe Drs. 20/197; Grundlage ist der § 30 a des Hamburgischen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. 4. Welche Reizstoffe sind durch welche Polizeien im Rahmen des G20- Gipfels in Hamburg im Einsatz (bitte aufgliedern nach Landespolizeien/ Bundespolizei sowie hinsichtlich der Reizstoffe nach Typen, Fabrikaten, Füllmenge, Herstellern der Reizgase und bei Pfefferspray auch nach synthetischer und natürlicher Ware)? 5. Welche Reizstoffsprühgeräte und Abschussvorrichtungen für Reizstoffgranaten sind durch welche Polizeien im Rahmen des G20-Gipfels in Hamburg im Einsatz (bitte aufgliedern nach Landespolizeien/Bundespolizei sowie hinsichtlich der der Gerätschaften nach Gerätemodell, Anzahl, Einsatzreichweite, Sprühbilddurchmesser, Mindestzahl von 1-Sekunden-Strahlstößen)? Siehe Drs. 20/197 sowie Antworten zu 2. und 6. Darüber hinaus werden die abgefragten Daten von der Polizei statistisch nicht erfasst. Für die Beantwortung der Fragestellungen wären Abfragen sämtlicher für den Einsatz vorgesehenen auswärtigen Polizeien erforderlich. Eine Durchsicht, Auswertung und Aufbereitung der Daten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 6. Inwiefern ist sichergestellt, dass auch durch andere im Rahmen des G20-Gipfels in Hamburg eingesetzte Landespolizeien beziehungsweise Bundespolizei ein Einsatz von Reizstoffen über Abschussvorrichtungen nicht erfolgt? Die Polizei Hamburg wird durch zahlreiche weitere Einsatzkräfte des Bundes, der Länder sowie ausländischer Polizeien im Einsatz zur Gewährleistung der Sicherheit für den G20-Gipfel in Hamburg unterstützt. Der Einsatz wird in der Polizei aus einem zentralen Führungsstab einer Besonderen Aufbauorganisation (BAO) heraus geführt. Einsatzmittel im Sinne der Fragestellung sind nach Vorgabe des Polizeiführers der Hamburger BAO nicht einzusetzen; über diese Verfahrensweise werden alle Einsatzkräfte in Einsatzbesprechungen und durch ihre Abschnittsleiter in Kenntnis gesetzt. 7. Nach welchen Vorschriften beziehungsweise nach welchem Verfahren müssen Beamtinnen und Beamte der Hamburger Polizei die Anwendung von Pfefferspray als Hilfsmittel körperlicher Gewalt gegen Personen melden und inwiefern gilt dies auch für Beamtinnen und Beamte anderer Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9602 3 Landespolizeien beziehungsweise der Bundespolizei, die im Rahmen des G20-Gipfels in Hamburg eingesetzt sind? Siehe Drs. 21/113; dieses gilt auch für in der BAO der Polizei Hamburg eingesetzten Polizeikräfte des Bundes und der Länder.