BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/964 21. Wahlperiode 10.07.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 02.07.15 und Antwort des Senats Betr.: Verfahren gegen Polizeibedienstete der Freien und Hansestadt Hamburg Die Fraktion DIE LINKE hat in der Vergangenheit sechs Anfragen zu „Rechtswidrige Polizeigewalt – Körperverletzung im Amt“ gestellt. Mit dieser Anfrage sollen Strafanzeigen und -verfahren, die sich gegen Polizeibedienstete richten, insgesamt erfragt werden. Also frage ich den Senat: Laut Zuständigkeitszuweisung des Staatsrates der Behörde für Inneres vom 1. Februar 2010 ist das Dezernat Interne Ermittlungen (D.I.E.; entsprechend Abteilung 73 der Staatsanwaltschaft) für alle Straftaten, die Polizeibediensteten im Rahmen ihrer Dienstausübung vorgeworfen werden, zuständig. Verkehrsdelikte sind davon ausgenommen . Strafrechtliche Vorwürfe gegen Polizeibedienstete außerhalb des Dienstes übernimmt das D.I.E., wenn die Tat besonders schwer wiegt, geeignet ist, das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit zu schädigen oder eine besondere Öffentlichkeitswirksamkeit zu erwarten ist. Die beim D.I.E. geführte Eingangsstatistik trägt dieser Zuständigkeitszuweisung Rechnung. In der Statistik des D.I.E. werden ausschließlich Ermittlungsverfahren und keine Anzeigen erfasst. Eine Erfassung von Verfahren nach sämtlichen in der Anfrage genannten Kriterien – darunter auch der Unterscheidung Beamte/Angestellte oder der Berufszugehörigkeit des/der Anzeigenden – erfolgt in der Statistik des D.I.E. nicht. Eine entsprechende händische Auswertung der in der Tabelle genannten 719 Verfahren ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Bezogen auf Verkehrsdelikte erfolgt bei der zuständigen Polizei Hamburg keine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellung. Auch sind Angaben von Beschuldigten zu Arbeitgebern/Beschäftigungsverhältnissen freiwillige Angaben. Zur Beantwortung der Fragen wäre daher eine Durchsicht sämtlicher Hand- und Ermittlungsakten der entsprechenden Sachgruppenzeichen des erfragten Zeitraums erforderlich. Die Auswertung mehrerer Tausend Vorgänge ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Anzeigen gegen Polizeibedienstete der Freien und Hansestadt Hamburg wurden seit dem 1.1.14 bis zum 30.6.2015 (wenn nicht möglich , dann bis zum letztmöglichen Stichtag) aufgrund welchen Tatvorwurfes erstattet? Bitte aufschlüsseln nach Tatvorwurf und Anzahl der Anzeigen sowie nach Beamter/Beamtin beziehungsweise Angestellter/Angestellte . Drucksache 21/964 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 a. In wie vielen Fällen wurde ausdrücklich der Vorwurf einer fremdenfeindlich oder rassistisch motivierten Straftat erhoben? 2. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden seit dem 1.1.14 bis zum 30.6.15 gegen Polizeibedienstete der Freien und Hansestadt Hamburg aufgrund welchen Tatvorwurfes eingeleitet? Bitte aufschlüsseln nach Tatvorwurf sowie nach Beamter/Beamtin beziehungsweise Angestellter/Angestellte. Die nachfolgende Tabelle erfasst Daten aus dem Datenbestand des D.I.E., der sich als Eingangsstatistik grundlegend von den Datenbeständen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) beziehungsweise der Statistik Politisch Motivierte Kriminalität/Hate Crime (PMK) unterscheidet. Die Tabelle umfasst Mehrfachnennungen, wobei pro Ermittlungsverfahren maximal fünf Delikte erfasst werden. Zeitraum 01.01.2014 - 31.12 2014 01.01.2015 - 30.06.2015 Verfahren gegen Polizeibedienstete insgesamt 481 238 davon wegen: Amtsanmaßung gem. § 132 StGB 1 Bedrohung gem. § 241 StGB 5 1 Beleidigung gem. § 185 StGB 36 17 Bestechlichkeit - besonders schwer - gem. § 335 StGB 1 Bestechlichkeit gem. § 332 StGB 1 1 Bestechung gem. § 334 StGB 1 Betrug gem. § 263 StGB 9 2 Datenveränderung gem. § 303a StGB 1 Diebstahl gem. § 242 StGB 36 16 Diebstahl geringwertiger Sachen gem. § 248a StGB 4 3 Diebstahl mit Waffen gem. § 244 StGB 3 7 Diebstahl - besonders schwer - gem. § 243 StGB 2 Erpressung gem. § 253 StGB 1 Fahren ohne Fahrerlaubnis gem. § 21 StVG 1 Fahrlässige Körperverletzung gem. § 229 StGB 1 Fahrlässige Tötung gem. § 222 StGB 3 Falsche uneidliche Aussage gem. § 153 StGB 1 2 Falsche Verdächtigung gem. § 164 StGB 2 Fälschung technischer Aufzeichnungen gem. § 268 StGB 1 Freiheitsberaubung gem. § 239 StGB 27 11 Gebührenüberhebung gem. § 352 StGB 1 Gefährliche Körperverletzung gem. § 224 StGB 1 1 Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB 11 9 Körperverletzung gem. § 223 StGB 5 2 Körperverletzung im Amt gem. § 340 StGB 188 89 Nachstellung gem. § 238 StGB 1 Nötigung gem. § 240 StGB 27 21 Rechtsbeugung gem. § 339 StGB 3 1 Sachbeschädigung gem. § 303 StGB 12 16 Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern gem. § 176a StGB 1 Sexueller Missbrauch von Kindern gem. § 176 StGB 1 Strafvereitelung im Amt gem. § 258a StGB 39 24 Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 StGB 2 Üble Nachrede gem. § 186 StGB 2 Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeuges gem. § 248b StGB 1 Unterlassene Hilfeleistung gem. § 323c StGB 5 2 Unterschlagung gem. § 246 StGB 12 7 Urkundenfälschung gem. § 267 StGB 3 2 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/964 3 Zeitraum 01.01.2014 - 31.12 2014 01.01.2015 - 30.06.2015 Verfahren gegen Polizeibedienstete insgesamt 481 238 davon wegen: Urkundenunterdrückung gem. § 274 StGB 1 Verbreitung pornographischer Schriften gem. § 184 StGB 2 Verfolgung Unschuldiger gem. § 344 StGB 9 5 Vergewaltigung gem. § 177 StGB 1 1 Verkehrsunfallflucht gem. § 142 StGB 1 Verletzung von Dienstgeheimnissen gem. § 353b StGB 4 2 Verletzung von Privatgeheimnissen gem. § 203 StGB 11 4 Verleumdung gem. § 187 StGB 3 1 Verstoß gegen das BtMG 2 Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz 1 2 Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz 1 Verstoß gegen das Tierschutzgesetz 1 Verstoß gegen das Waffengesetz 3 3 Verstrickungs-/Siegelbruch gem. § 136 StGB 2 Verwahrungsbruch gem. § 133 StGB 5 3 Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gem. § 86a StGB 1 1 Vollstreckung gegen Unschuldige gem. § 345 StGB 1 Vortäuschen einer Straftat gem. § 145d StGB 1 Vorteilsannahme gem. § 331 StGB 1 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gem. § 113 StGB 1 Vorermittlungen/AR-Verfahren* 32 19 Keine Straftat festgestellt 25 10 * Allgemeine Registerverfahren der Staatsanwaltschaft a. In wie vielen Fällen wurde wegen einer fremdenfeindlich oder rassistisch motivierten Straftat ermittelt? Das D.I.E. hat im erfragten Zeitraum zwei Fälle an das Landeskriminalamt gemeldet; in beiden Fällen aus dem Jahr 2014 (4. Quartal) handelte es sich um das Delikt „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a StGB“. 3. Wie wurden die seit dem 1.1.14 eingeleiteten Verfahren gegen Polizeibedienstete der Freien und Hansestadt Hamburg abgeschlossen? a. Wie viele sind noch nicht abgeschlossen? b. Wie viele wurden aufgrund welcher Vorschriften eingestellt? c. Wie viele endeten mit Freispruch? d. Wie viele endeten mit einer Verurteilung? Bitte nach Möglichkeit aufschlüsseln nach Tatvorwurf (gegebenenfalls nach Deliktgruppen und unterschieden nach Amtsdelikten, sonstigen Delikten), nach Beamter/Beamtin beziehungsweise Angestellter /Angestellte. Im Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg wird statistisch nicht erfasst, welcher Berufsgruppe ein Beschuldigter angehört . Zu Beantwortung dieser Fragen müssten daher mindestens die wegen des Vorwurfs einer Straftat nach § 340 StGB und § 258a StGB geführten Verfahren aus dem Bearbeitungszeitraum 1. Januar 2014 bis 30. Juni 2015 des unter anderem auch für Verfahren gegen Polizeibeamte zuständigen Dezernates händisch ausgewertet werden . Drucksache 21/964 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Darüber hinaus wird in MESTA regelmäßig lediglich der Schwerpunktvorwurf erfasst. Wenn ein Anzeigender mehrere Straftatvorwürfe anzeigt, zum Beispiel zum einen Nötigung oder Körperverletzung im Amt und des weiteren Strafvereitelung im Amt, würde das Verfahren inhaltlich auch wegen des Vorwurfs der Strafvereitelung im Amt geführt werden, auch wenn der MESTA-Eintrag lediglich § 340 StGB oder § 240 StGB wäre. Die Anzahl der Verfahren im zuständigen Dezernat in diesem Zeitraum und die Erledigungsarten 1 stellen sich wie folgt dar2: Bearbeitungszeitraum : 01.01.2014 bis 30.06.2015 Alle Verfahren (Bekannt- und Unbekannt -Sachen) Verfahren wegen § 340 StGB (Bekannt- und Unbekannt -Sachen Verfahren wegen § 258a StGB (Bekannt- und Unbekannt -Sachen) gesamt: 7913 3034 645 davon: 1. offen 306 131 19 2. Einstellung § 170 Abs. 2 StPO 678 292 54 3. Einstellung §§ 153, 153a StPO 24 4 10 4. Anklagen davon6: 21 3 0 a. Verurteilung 8 - entfällt b. Freispruch 0 - entfällt Wegen der umfassenderen Zuständigkeit des Dezernats sind die Angaben der Tabelle nicht mit den Angaben der Tabelle zur Eingangsstatistik des D.I.E. vergleichbar. Angesichts der vorgenannten Aktenanzahl können die Fragen in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht beantwortet werden. Darüber hinaus kommt es auch bei sämtlichen anderen Verfahren der Staatsanwaltschaft grundsätzlich in Betracht, dass es sich bei dem Beschuldigten um einen Polizeibeamten oder eine Polizeibeamtin handelt. Verfahren gegen Polizeibeamte wegen Straftaten, die nicht im Zusammenhang mit dem Dienst stehen, werden nicht in Spezialabteilungen bearbeitet. 4. In wie vielen Fällen wurde im Zeitraum 1.1.14 bis 30.6.15 bei Amtsdelikten Anzeige durch andere Polizeibedienstete erstattet? Darunter bei Körperverletzung im Amt und bei Tatvorwürfen mit fremdenfeindlichem oder rassistischem Hintergrund? Siehe Vorbemerkung. 1 Die Erledigungskategorien sind: 1. Einstellung gemäß § 170 Absatz 2 StPO 2. Einstellungen gemäß §§ 153, 153a StPO 3. Anklage/Strafbefehl. Sonstige Einstellungsnormen und Mesta-Erledigungsarten (§ 154 StPO, Verweis Privatklage , Tod des Beschuldigten, § 45 JGG, Abgabe an andere StA) sind in Verfahren gegen Polizeibeamte nicht zu erwarten und würden insofern nach hiesiger Einschätzung nur Verfahren gegen andere Beschuldigte betreffen. Die Erledigungen beziehen sich auf die einzelnen Beschuldigten, sodass zum Beispiel bei drei Beschuldigten in einem Verfahren drei Erledigungen notiert würden. 2 Die Daten stehen unter dem Vorbehalt der vollständigen und richtigen Erfassung in MESTA; Stand: 03.07.2015. 3 Die darin enthaltenen Bekannt-Verfahren richteten sich gegen 1.010 Beschuldigte. 4 Die darin enthaltenen Bekannt-Verfahren richteten sich gegen 442 Beschuldigte. 5 Die darin enthaltenen Bekannt-Verfahren richteten sich gegen 79 Beschuldigte. 6 Von den Anklagen ist offensichtlich eine größere Anzahl von Verfahren noch gerichtsanhängig . Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/964 5 5. In wie vielen Fällen wurden zwischen dem 1.1.14 und dem 30.6.15 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibedienstete der Freien und Hansestadt Hamburg wegen Strafvereitelung im Amt eingeleitet? Siehe Antworten zu 1. bis 2. sowie zu 3. a. bis d. a. Wie viele dieser Verfahren sind noch nicht abgeschlossen? b. Wie viele wurden aufgrund welcher Vorschriften eingestellt? c. Wie viele endeten mit Freispruch? d. Wie viele endeten mit einer Verurteilung? Siehe Antwort zu 3. a. bis d. 6. In wie vielen Fällen haben Polizeibedienstete der FHH zwischen dem 1.1.14 und dem 30.6.15 im Zusammenhang mit Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt oder wegen fremdenfeindlicher oder rassistisch motivierter Straftaten Gegenanzeigen erstattet? Polizeibedienstete, insbesondere Polizeivollzugsbeamtinnen und –beamte, fertigen Strafanzeigen, wenn der Verdacht einer Straftat vorliegt. Dies erfolgt unabhängig von gegen Polizeibeamtinnen und -beamte erstattete Strafanzeigen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.