BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9663 21. Wahlperiode 28.07.17 Große Anfrage der Abgeordneten Ulrike Sparr, Martin Bill, Mareike Engels, Anna Gallina, René Gögge, Farid Müller, Dr. Anjes Tjarks (GRÜNE) und Fraktion und der Abgeordneten Jan Quast, Peri Arndt, Ksenija Bekeris, Ole Thorben Buschhüter, Jasmin Hilbring, Milan Pein, Dr. Mathias Petersen, Dr. Monika Schaal, Markus Schreiber, Dr. Joachim Seeler, Dr. Tim Stoberock, Dr. Sven Tode, Sylvia Wowretzko (SPD) und Fraktion vom 30.06.17 und Antwort des Senats Betr.: Pensionsrücklagen der städtischen Unternehmen Die Verabschiedung der globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDG) umfasst auch die Zielsetzung, eine nachhaltige Wirtschafts - und Finanzpolitik zu schaffen. Hamburg steht in der Verantwortung, diese Verpflichtung im lokalen Kontext auszugestalten und sich zu einer nachhaltigen Finanzpolitik zu verpflichten. Neben den SDGs hat sich die internationale Staatengemeinschaft darauf geeinigt, die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen. Das Abkommen von Paris unterstreicht damit die Notwendigkeit der Dekarbonisierung. Die Pariser Einigung gibt Städten und Kommunen Rückenwind, um ihrer Verantwortung für den Klimaschutz nachzukommen und entsprechend dem Motto „global denken lokal handeln“ die Dekarbonisierung auf kommunaler Ebene voranzutreiben. Aus der richtungsweisenden Entscheidung im Rahmen des Pariser Abkommens ziehen mittlerweile nicht nur wichtige Finanzanleger, sondern auch Länder und Kommunen Konsequenzen. Eine der zentralen Strategien zur Dekarbonisierung ist das Divestment. Divestment beschreibt den Abzug von Finanzkapital aus kohlenstoffintensiven, unökologischen oder unter ethischen Gesichtspunkten fragwürdigen Branchen. Finanzstarke Institutionen, darunter bedeutende Unternehmen und Universitäten haben sich weltweit der Divestment-Bewegung angeschlossen. Sie bewerten das Investitionsrisiko in Unternehmen, deren Geschäftsmodelle auf fossilen Strukturen basieren , als ökonomisches Risiko und die damit verbundenen Vermögenswerte als potenzielle „stranded assets“, die in Zukunft Investitionsverluste bedeuten . Der staatliche norwegische Pensionsfonds, der ein Finanzvolumen von 850 Milliarden Dollar umfasst, hat sich aus klima- und umweltschädlichen Investments zurückgezogen. Die Allianz hat im November angekündigt, nicht mehr in Kohle zu investieren. Weltweit entscheiden sich aber auch andere Städte dafür, ihre Anlageportfolios und Versorgungsrücklagen nicht länger auf Kosten des Klimas, der Umwelt und der Menschlichkeit zu mehren. Melbourne , Berkeley, Cambridge und Oslo – um nur einige zu nennen – haben sich bereits dem Divestment verpflichtet. In Deutschland haben sich bereits die rot-grüne Regierung in Berlin und Münster für das Divestment entschieden . Drucksache 21/9663 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 In Hamburg sind die Pensionsrücklagen für Bedienstete der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) im Sondervermögen Versorgungsrücklagen der FHH, der Zusatzversorgung der FHH sowie im zusätzlichen Versorgungsfonds für Altersversorgung der Bediensteten der FHH gebündelt. Die darin gebündelten Wertpapieranlagen wiesen zum 31.05.2016 ein Volumen von 900.778.000 Euro aus. Das Portfolio umfasst Landesschatzanweisungen verschiedener Bundesländer, Gemeinschaftsanleihen der Bundesländer, von Ländern garantierte Wertpapiere und einen geringen Altbestand an ausländischen Staatsanleihen. Darüber hinaus verfügen die drei genannten Sondervermögen im Hinblick auf geplante Auszahlungen über Girokontenbestände in Höhe von rund 45.786.000 Euro. Zweck ist die Ansammlung von Mitteln und die Generierung von Zinserträgen zur Unterstützung des Haushalts der FHH bei den Versorgungsaufwendungen. Der Versorgungsfonds für die Altersversorgung der Abgeordneten der Bürgerschaft der FHH verfügt über Anlagen im gleichen Anlagespektrum, konkret in Wertpapieren der Länder sowie in von Ländern garantierten Wertpapieren in Hohe von 2.880.000 Euro sowie über einen Girokontobestand von rund 269.000 Euro. Über die Pensionsrücklage der öffentlichen Unternehmen im 100-prozentigen Besitz der Freien und Hansestadt Hamburg und deren Anlagestrategien ist bislang wenig bekannt. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat geht davon aus, dass mit dem Begriff „Pensionsrücklagen“ Vermögensgegenstände gemäß § 246 (2) Satz 2 Handelsgesetzbuch (HGB) gemeint sind, die dem Zugriff aller übrigen Gläubiger entzogen sind, ausschließlich der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen dienen und gegen Insolvenz abgesichert sind. „Pensionsrücklagen“ zur Sicherung von Pensionsverpflichtungen in diesem Sinne bestehen bei öffentlichen Unternehmen nicht. Pensionszusagen sind gemäß § 266 (3) HGB als Rückstellung zu dotieren, müssen aber liquiditätsmäßig nicht abgesichert werden. Eine direkte Beziehung zwischen Geldanlagen und Pensionsrückstellungen besteht daher grundsätzlich nicht. Gesetzliche Anlagevorschriften für Deckungsvermögen gemäß § 246 (2) Satz 2 HGB bestehen nicht. Im Übrigen gelten für die öffentlichen Unternehmen für deren überschüssige Liquidität aus dem Geschäftsbetrieb die jeweiligen unternehmensinternen Anlagekriterien, auf die Aufsichtsgremien und Gesellschafter im Rahmen ihrer gesellschaftsrechtlichen Funktionen Einfluss nehmen (siehe Drs. 21/1905). Die Mittel können in Sach- oder Finanzanlagen investiert werden oder stehen als kurzfristige Liquidität im Umlaufvermögen zur Verfügung. Über Investitionen in Sachanlagen wird in den Aufsichtsgremien beziehungsweise Gesellschafterversammlungen der Unternehmen entschieden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf Grundlage von Auskünften der jeweiligen öffentlichen Unternehmen und Beteiligungen der Freien und Hansestadt Hamburg wie folgt: 1. Seitens der Stadt: Welche rechtlichen Rahmenbedingungen bestehen für öffentliche Unternehmen bei der Anlage ihrer Pensionsrücklagen? Siehe Vorbemerkung. 2. Seitens der öffentlichen Unternehmen: Nach welchen Kriterien werden die Anlageprodukte für die Pensionsrücklagen ausgesucht, sofern öffentliche Unternehmen ihre Anlagerichtlinien selber festlegen oder in einem gesetzlichen Rahmen auslegen können? Bitte für die unter 3.a. – j. genannten Unternehmen einzeln aufführen. a. Ist Nachhaltigkeit ein festgeschriebenes Kriterium bei der Auswahl der Anlageentscheidung? Wenn ja, wie lautet der Passus in der jeweiligen Anlagerichtlinie? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9663 3 Nein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. b. Welchen Stellenwert nimmt eine größtmögliche Rendite bei der Anlageentscheidung ein? Soweit eine Sicherung von Pensionsverpflichtungen vorgenommen wird, steht bei der Anlageentscheidung neben der Beachtung weiterer Anlagekriterien die Sicherheit der zu tätigenden Anlagen im Vordergrund. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Welche Form der Pensionsrücklage haben die unter 5. a. – j. angegebenen öffentlichen Unternehmen? Bitte tabellarisch Art der Rückstellung, Volumen der Rücklagen sowie die jeweilige Verfügbarkeit (Liquidität) der Rücklagen ab 2012 nennen. a. Elbkinder – Vereinigung Hamburg Kitas gGmbH Für die im Jahr 2005 eingestellten Beschäftigten, die eine betriebliche Altersversorgung nach dem Hamburgischen Ruhegeldrecht erhalten, werden die aus ihren Bezügen geleisteten Eigenbeiträge in Wertpapieren angelegt. Zum 31.12.2016 handelt es sich um 13 Inhaberschuldverschreibungen (Anleihen) in unterschiedlichen Depots und Laufzeiten mit Buchwerten 2017 in Höhe von 3.848.390 Euro (Anlagezeitraum bis 31.12.2017), 2.088.838 Euro (Anlagezeitraum bis 31.12.2018), 160.000 Euro (Anlagezeitraum bis 31.12.2019), 2.522.388 Euro (Anlagezeitraum bis 31.12.2020), 4.187.500 Euro (Anlagezeitraum bis 31.12.2021), 4.540.725 Euro (Anlagezeitraum bis 31.12.2024) und 2.431.615 Euro (Anlagezeitraum bis 31.12.2025). Die Wertpapiere decken zusammen mit den Forderungen gegen die FHH aus der entsprechenden Deckungsgarantie und den übrigen die Eigenanteile betreffenden Aktiva die passivierten Pensionsverpflichtungen. b. Stadtreinigung Hamburg AöR Als „Rücklage“ wurden die Eigenbeiträge der Mitarbeiter klassifiziert, die seit dem Jahr 2012 in einem gesonderten Depot beziehungsweise auf einem gesonderten Konto ausgewiesen werden. Das Volumen beträgt 20.445.226 Euro (Anlagezeitraum bis 2012), 21.752.111 Euro (Anlagezeitraum bis 2013), 22.985.123 Euro (Anlagezeitraum bis 2014) und 23.404.792 Euro (Anlagezeitraum bis 2015). c. Hamburger Hochbahn AG d. Hamburg Port Authority AöR e. Hamburg Messe und Congress GmbH f. Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf g. Sprinkenhof GmbH h. Lotto Hamburg GmbH i. Neue Schauspielhaus GmbH j. Deichtorhallen GmbH Die genannten Unternehmen haben kein Deckungsvermögen gemäß § 246 (2) HGB. 4. Welche Anteile haben die Pensionsrücklagen am Gesamtkapital der unter 3.a. – j. genannten Unternehmen? Wie haben sich die Anteile seit 2012 entwickelt? Bitte tabellarisch auflisten. Siehe Anlage 1. 5. Wie haben sich die Pensionsrücklagen der unter 3.a. – j. genannten Unternehmen seit 2012 kumuliert entwickelt? Bitte angeben in: a. absoluten Zahlen, b. prozentualer Veränderung, c. im Verhältnis zur Mitarbeiterentwicklung, d. aufgegliedert nach Anteil je Anlageform am Gesamtvolumen. Drucksache 21/9663 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Siehe Anlage 2. e. Sofern sich unter den Anlageprodukten dezidiert nachhaltige Anlageprodukte befinden, diese bitte separat ausweisen und hinsichtlich Performing-Gesichtspunkten mit den übrigen Anlagen vergleichen. Entfällt (siehe Antwort zu 2.a). En tw ic kl un g de r P en si on sr üc kl ag en im V er hä ltn is z um G es am tk ap ita l Bi la nz su m m e % -A nt ei l R üc kl ag en Bi la nz su m m e % -A nt ei l R üc kl ag en Bi la nz su m m e % -A nt ei l R üc kl ag en Bi la nz su m m e % -A nt ei l R üc kl ag en El bk in de r V er ei ni gu ng H am bu rg er K ita s gG m bH 34 1. 24 6. 27 8 € 5, 7% 35 4. 83 8. 26 4 € 5, 6% 37 4. 79 1. 84 6 € 5, 4% 41 6. 31 3. 44 3 € 4, 9% St ad tre in ig un g H am bu rg A öR 31 8. 02 8. 00 0 € 6, 4% * 32 5. 31 2. 00 0 € 6, 7% * 33 7. 83 7. 00 0 € 6, 8% * 35 9. 80 1. 00 0 € 6, 5% * *A ls R üc kl ag e w ur de n di e Ei ge nb ei trä ge d er M ita rb ei te rin ne n un d M ita rb ei te r k la ss ifi zi er t, w el ch e in e in em g es on de rte n D ep ot / au f e in em g es on de rte m K on to a us ge w ie se n w er de n. 20 12 20 13 20 14 20 15 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9663 5 Anlage 1 En tw ic kl un g de r P en si on sr üc kl ag en 2 01 2 bi s 20 15 20 12 Pe ns .R üc kl . M ita rb ei te r Pe ns .R üc kl . M ita rb ei te r Pe ns .R üc kl . M ita rb ei te r El bk in de r V er ei ni gu ng H am bu rg er K ita s gG m bH 19 .5 71 .0 12 € 4. 23 5 19 .8 22 .5 89 € 4. 45 9 1, 30 5, 29 20 .3 29 .1 80 € 4. 57 3 2, 60 2, 56 20 .3 99 .3 58 € 4. 68 2 0, 50 2, 38 St ad tre in ig un g H am bu rg A öR 20 .4 45 .2 26 € 24 40 21 .7 52 .1 11 € 25 34 6, 40 3, 90 22 .9 85 .1 23 € 2. 58 6 5, 70 2, 10 23 .4 04 .7 92 € 2. 58 3 1, 80 -0 ,1 0 1 d ur ch sc hn itt lic he G es am tz ah l g em äß § 2 85 (7 ) H G B (o hn e A us zu bi ld en de ) 20 13 20 14 20 15 Be tra g Pe ns io ns rü ck la ge M ita rb ei te rin ne n un d M ita rb ei te r1 Be tra g Pe ns io ns rü ck la ge M ita rb ei te rin ne n un d M ita rb ei te r1 Ve rä nd er un g gg ü. 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