BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9667 21. Wahlperiode 07.07.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 30.06.17 und Antwort des Senats Betr.: Die Wohnungslücke wird größer Mit Datum vom 31. Mai 2017 hat die „Prognos AG – Europäisches Zentrum für Wirtschaftsforschung und Strategieberatung“ eine umfangreiche Studie zum Thema „Wohnraumbedarf in Deutschland und den regionalen Wohnungsmärkten “ vorgelegt. Auftraggeber war das Verbändebündnis Wohnungsbau , dem zentrale Verbände des Wohnungsbaus, der Deutsche Mieterbund und die IG Bauen-Agrar-Umwelt angehören. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind alarmierend und bestätigen in vielerlei Hinsicht die seit Jahren vorgebrachte Kritik, dass in Hamburg nach wie vor viel zu wenig Wohnungen entstehen und insbesondere der Mangel an bezahlbaren (Sozial-)Wohnungen weiter anwächst. Für den Zeitraum 2011 bis 2015 errechnet Prognos, dass die Lücke auf 540.000 fehlende WE angewachsen ist, was bedeutet, dass „durchschnittlich in Deutschland nur 60 % der neuen Wohnungsnachfrage abgedeckt“ werden. „In den regionalen Wohnungsmärkten liegt der Deckungsgrad in diesem Zeitraum teilweise nur bei 35 %“, unter anderem in den sogenannten Top-7- Städten, zu denen auch Hamburg zählt (Seite 32). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Hamburg ist eine wachsende Stadt. Der Senat geht derzeit von einem Bevölkerungswachstum von rund 100.000 Menschen in den Jahren 2015 bis 2030 aus. Das entspricht etwa 70.000 mit Wohnraum zu versorgenden Haushalten. Aus den Veränderungen der jährlichen Bevölkerungszahlen lässt sich allerdings nicht automatisch der Umfang des zusätzlich entstehenden Wohnungsbedarfs ableiten, der sich aus der Anzahl, der Struktur und den individuellen Wohnwünschen der einzelnen Haushalte ergibt, die auf dem Hamburger Wohnungsmarkt als Nachfrager auftreten. Insoweit ist die Gegenüberstellung der Zahl der Fertigstellungen mit dem Bevölkerungsanstieg keine geeignete Grundlage für die Beurteilung der Versorgungslage auf dem Wohnungsmarkt . Aufgrund der Bevölkerungszunahme hat der Hamburger Senat verschiedene Maßnahmen ergriffen, damit Hamburg auch weiterhin eine Stadt für alle bleibt. Seit 2011 ist insbesondere der Wohnungsneubau Schwerpunktthema des Senats. Das Bündnis für das Wohnen in Hamburg mit dem Ziel von zunächst 6.000 und seit 2016 10.000 genehmigten Wohneinheiten pro Jahr und auch die Wohnraumförderprogramme des Senats haben für einen erheblich ausgeweiteten Wohnungsneubau gesorgt. So wurden 2016 rund 12.500 Wohnungen genehmigt, mehr als 65.000 sind es seit 2011. Darüber hinaus beobachtet die zuständige Fachbehörde den Hamburger Wohnungsmarkt kontinuierlich und hat hierzu bereits mehrere spezifische Gutachten beauftragt, Drucksache 21/9667 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 siehe http://www.hamburg.de/bsw/wohnungsbau/4345710/gutachtenwohnungsmarkt /. Im Übrigen siehe Drs. 21/780 und Drs. 21/9012. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Teilt der Senat die zentralen, das heißt bundesweiten Einschätzungen der Prognos-Studie (Seite 32 fortfolgende), dass a) trotz signifikanten Bevölkerungswachstums zu wenig Wohnungsbau betrieben wird und damit nur ein bis maximal zwei Drittel des gestiegenen Wohnraumbedarfs abgedeckt werden? b) der soziale Wohnungsbau weiter rückläufig ist, sodass nicht einmal die Zahl der aus der Bindung fallenden WE kompensiert wird? c) aus dem wachsenden Gefälle zwischen den Einkommen – sie legten in den vergangenen fünf Jahren im Durchschnitt um 7,7 Prozent zu – und den Mieten – sie sind im selben Zeitraum in den TOP-7- Städten um durchschnittlich 17 Prozent gestiegen (Seite 20) – negative soziale Auswirkungen resultieren können? d) ein wachsender Anteil der Bevölkerung – in den ausgewählten Ballungsräumen die drei unteren Quintile1 – keine ausreichende Wohnkaufkraft mehr hat, um eine 70-Quadratmeter-Wohnung anzumieten “ (Seite 34)? e) noch immer nicht nur zu wenig, sondern auch zu teuer gebaut wird, mit der Folge, dass „selbst, wenn neue Wohnungen auf den Markt kommen, … kein bezahlbarer Wohnraum (entsteht)“ (Seite 34)? 2. Da laut Prognos 200.000 fehlende WE (= 38 Prozent der Wohnungsbaulücke Deutschlands seit 2011) allein auf die TOP-7-Städte entfallen (Seite 14), wie hoch beziffert der Senat aktuell das Wohnungsfehl in Hamburg ? 3. Teilt der Senat die Angaben über die aktuellen Kaltmieten für Erst- und Wiedervermietung, die im Hamburger Durchschnitt laut Prognos (Tabelle 4, Seite 22) im Jahre 2011 bei 9,34 Euro/qm und 2016 bereits bei 10,92 Euro/qm lagen (jährliches Wachstum von 3,2 Prozent), im Falle der Betrachtung nur der Erstvermietung von 12,00 Euro/qm (2011) auf 13,16 Euro/qm (2016) angewachsen sind (jährlich plus 1,9 Prozent)? Wenn nein, welche anderen Zahlen legt er zugrunde? 4. Teilt der Senat die Einschätzung beziehungsweise Haushalte- Berechnung, dass in Hamburg die drei unteren Quintile – unter Voraussetzung einer angenommenen 35-Prozent-Warmmieten-Obergrenze bezogen auf das Haushaltseinkommen – sich im Durchschnitt neue Wohnungen lediglich zwischen 28 und 57 Quadratmetern „erlauben“ können (Tabelle 6, Seite 25)? Wenn ja, was bedeutet das aus Sicht des Senats für die Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen? Wenn nein, warum nicht? 5. Wie bewertet der Senat den Umstand, dass in Hamburg die „errechnete Kaltmiete“ für Neubauwohnungen bei 10,31 Euro/qm (einfach) beziehungsweise 13,95 Euro/qm (Standard) liegt, obwohl das „Mietpotenzial“ im 3. Quintil bei lediglich 9,21 Euro/qm anzusetzen ist (Tabelle 9, Seite 1 Definition Quintil: „Bei einer Einteilung in Quintile werden alle Haushalte in fünf gleichgroße Gruppen zerlegt. Im ersten Quintil befinden sich damit die 20 % Haushalte mit den niedrigsten Haushaltsnettoeinkommen, im fünften Quintil die 20 % der einkommensstärksten Haushalte .“ (Seite 19) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9667 3 29), also von einer großen Zahl an Neumietern/-innen erheblich mehr für die Miete ausgegeben werden muss, als üblicherweise im Warenkorb als angemessene Belastung für Miete/Wohnen (nämlich 30 bis 35 Prozent des Haushaltseinkommens) vorgesehen ist? 6. Wie steht der Senat zu den in der Prognos-Studie vorgeschlagenen, bereits in einer Pestel-Studie 2015 entwickelnden Maßnahmen (Seite 30): a) die lineare Abschreibung von 2 auf 3 Prozent zu erhöhen; b) die Baulandpreise um 25 Prozent zu senken; c) die Zinsen im Zuge von Förderprogrammen um 1 Prozent zu senken ? Der Senat hat sich hiermit nicht befasst. Dem parlamentarischen Fragerecht korrespondiert ein Anspruch auf Auskünfte, nicht aber auf meinungsbildende Stellungnahmen (vergleiche ThürVerfGH, Urteil vom 19.12.2008 – 35/07 –, juris Rn. 177), von denen der Senat deshalb auch im vorliegenden Fall absieht. Im Übrigen siehe Vorbemerkung .