BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9712 21. Wahlperiode 11.07.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 04.07.17 und Antwort des Senats Betr.: Suizide und Suizidversuche in Hamburg lebender Geflüchteter Die Situation in vielen Hamburger Flüchtlingsunterkünften ist prekär. Viele Geflüchtete sind zudem traumatisiert und/oder haben damit zu kämpfen, dass sie Familienangehörige und/oder Freunde in Kriegs- und Krisenregionen zurück lassen mussten. Meine unterschiedlichen Schriftlichen Kleinen Anfragen (zuletzt Drs. 21/3953, Drs. 21/5157, 21/8405) haben ergeben, dass seit dem April 2014 bis März 2017 mindestens 84 Suizidversuche und zwei Suizide durch Bewohner/ -innen von Erstaufnahmen begangen wurden. Die Anfragen ergeben außerdem , dass die Anzahl der Suizide und Suizidversuche in den vergangenen zwei Jahren in absoluten und relativen Zahlen angestiegen ist. Leider weist diese Erhebung aber Lücken auf und ist nicht systematisch erfolgt. Zuletzt berichtete auch die „Tagesschau“ (https://www.tagesschau.de/inland/ fluechtlinge-suizid-101.html) über eine erhöhte Suizidrate unter Geflüchteten. Demnach seien seit 2014 in elf Bundesländern 433 Suizidversuche erhoben worden. Vor dem Hintergrund, dass Hamburg nach dem Königsteiner Schlüssel aber nur 2,5 Prozent der Gesamtzahl der nach Deutschland eingereisten Asylbewerber aufnimmt, werfen die Zahlen Fragen auf. Berichte aus Erstaufnahmen, in denen seit Ende Februar 2017 vor allem Menschen mit schlechter Bleibeperspektive leben (Drs. 21/8910), geben Anlass zur Sorge. Demnach herrsche in vielen Hamburger Erstaufnahmen eine sehr gedrückte Stimmung, viele Menschen leiden unter Hoffnungs- und Antriebslosigkeit. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Derzeit wird nur noch eine Erstaufnahmeeinrichtung in einer Halle betrieben. Dort gibt es eine verringerte Belegung. Die Außerbetriebnahme ist für Oktober 2017 vorgesehen . Die Belegung aller Erstaufnahmen konnte deutlich reduziert werden, sodass die Unterbringungsbedingungen insgesamt erheblich verbessert werden konnten. Die Unterbringung in örU ist generell nicht als prekär zu bezeichnen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Betreiber der Unterkünfte wie folgt: 1. Inwiefern gab es in den vergangenen sieben Quartalen Suizide, Suizidversuche und/oder Vorfälle, bei denen es sich um Suizidversuche gehandelt haben könnte (besondere Vorkommnisse), von/mit Bewohnerinnen oder Bewohnern einer Einrichtung der Hamburger Erstaufnahme? Bitte die Quartale einzeln wie in der Anlage zu Drs. 21/3953 darstellen Drucksache 21/9712 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 und zusätzlich die Suizidrate in Bezug auf die jeweilige Anzahl der Bewohner/-innen insgesamt angeben. 2. Inwiefern gab es in den vergangenen sieben Quartalen Suizide, Suizidversuche und/oder Vorfälle, bei denen es sich um Suizidversuche gehandelt haben könnte (besondere Vorkommnisse), von/mit Geflüchteten , die in einer Hamburger örU leben? Bitte wie in der Anlage zu Drs. 21/3953 je Quartal darstellen und zusätzlich die Suizidrate in Bezug auf die jeweilige Anzahl der Bewohner/-innen insgesamt angeben. Zu den bis Ende März 2017 dokumentierten Verdachtsfällen siehe Drs. 21/8405, 21/5986, 21/5157, 21/4373 und 21/3953, zu den seither dokumentierten Verdachtsfällen siehe Anlage 1 für die Erstaufnahme und Anlage 2 für die örU. Zur Belegung bis Juni 2017 siehe Drs. 21/9568, in 2016 siehe Drs. 21/7914 und Drs. 21/5635. Für das Jahr 2015 siehe Drs. 21/2837, Drs. 21/2599, Drs. 21/2232, Drs. 21/1906 und Drs. 21/1271. 3. Inwiefern gab es in den vergangenen sieben Quartalen Suizide, Suizidversuche und/oder Vorfälle, bei denen es sich um Suizidversuche gehandelt haben könnte (besondere Vorkommnisse), von/mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die in einer Hamburger Unterbringung /Obhutahme leben? Bitte wie in der Anlage zu Drs. 21/3953 je Quartal darstellen und zusätzlich die Suizidrate in Bezug auf die jeweilige Anzahl der Bewohner/-innen insgesamt angeben. Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge werden im System der Jugendhilfe nach dem SGB VIII betreut. Personenbezogene Informationen über diese Personengruppe unterliegen daher dem Sozialdatenschutz nach §§ 35 SGB I, 60 fortfolgende SGB VIII, 67 fortfolgende SGB X. Durch eine Auflistung der erfragten Vorfälle unter unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen wie in Drs. 21/3953 wären die Betroffenen wegen der im Einzelnen genannten persönlichen Informationen auch ohne Namensnennung identifizierbar. Es handelt sich damit um (personenbezogene) Sozialdaten (vergleiche § 67 Absatz 1 SGB X), die gemäß § 67 d Absatz 1 SGB X nur bei Vorliegen einer Übermittlungsbefugnis im SGB übermittelt werden dürfen. Um dem verfassungsrechtlichen Anspruch der Bürgerschaft dennoch so weit wie möglich zu entsprechen, hat der Senat die erfragten Informationen nachfolgend so zusammengefasst, dass eine Zuordnung zu Einzelpersonen nicht möglich ist: In den vergangenen sieben Quartalen (1. Oktober 2015 bis 30. Juni 2017) wurden im Durchschnitt circa 1.270 unbegleitete minderjährige Ausländer in Hamburg betreut. Für diesen Zeitraum ist der zuständigen Behörde kein Suizid eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers bekannt. Darüber hinaus wurden der Heimaufsicht 22 besondere Vorkommnisse gemeldet, die aufgrund des Tathergangs und der Art der Verletzung auf einen Suizidversuch eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hindeuten. Hiervon waren sechs weiblich und 16 männlich. Vier unbegleitete minderjährige Ausländer lebten in einer Erstversorgungseinrichtung , 18 lebten in einer Folgeeinrichtung im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung. Alle Minderjährigen wurden klinisch versorgt. 4. Wie erklärt der Senat, dass nach Zählung der „Tagesschau“, die Suizidversuchsrate in Hamburg deutlich gesteigert ist? 5. Hat der Senat Zahlen an die „Tagesschau“ geliefert und sind diese in die Zählung eingeflossen? Dem in Bezug genommenen Bericht ist eine Steigerung der Suizidversuchsrate in Hamburg nicht zu entnehmen. Im Übrigen sind den zuständigen Behörden die Quellen der in dem Bericht angegebenen Daten nicht bekannt, sodass eine valide Bewertung der Hamburger Zahlen nicht möglich ist. 6. Inwiefern teilt der Senat die Einschätzung, dass die prioritäre Verlegung von Menschen mit vorgeblich besserer Bleibeperspektive bei den in den Erstaufnahmen Zurückbleibenden, die zum Teil schon länger warten als Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9712 3 die verlegten Menschen, zu Frust, Hoffnungslosigkeit und Aggression führen? Wenn nicht, warum nicht? Wenn ja, was plant der Senat dagegen zu unternehmen? Die zuständige Behörde bewertet die für das Belegungsmanagement geltenden Kriterien (siehe http://www.hamburg.de/contentblob/8421310/ 9281a6c39d79bfd5ec1b6d42c21d188f/data/d-zkf-kriterienbelegungsmanagement .pdf) als sachgerecht. A rt d e r (v e rm u te te n ) Ta t M o n at O rt d e r Ta t (U n te rb ri n gu n g) G e sc h le ch t (A lt e r) H e rk u n ft sl an d A rt d e r M aß n ah m e M o n at ( B e gi n n d e r M aß n ah m e ) St an d o rt Su iz id ve rs u ch M är z 1 7 EA F la ge n tw ie t n ic h t er fa ss t n ic h t er fa ss t R et tu n gs d ie n st v er st än d ig t m it a n sc h lie ß en d er V er so rg u n g im K ra n ke n h au s u n d d er Tr au m at h er ap ie M är z 1 7 EA F la ge n tw ie t Su iz id ve rs u ch M är z 1 7 EA F la ge n tw ie t n ic h t er fa ss t n ic h t er fa ss t R et tu n gs d ie n st v er st än d ig t m it a n sc h lie ß en d er V er so rg u n g im K ra n ke n h au s u n d d er Tr au m at h er ap ie M är z 1 7 EA F la ge n tw ie t Su iz id ve rs u ch A p ri l 1 7 EA F la ge n tw ie t n ic h t er fa ss t n ic h t er fa ss t R et tu n gs d ie n st v er st än d ig t m it a n sc h lie ß en d er V er so rg u n g im K ra n ke n h au s u n d d er Tr au m at h er ap ie A p ri l 1 7 EA F la ge n tw ie t Su iz id ve rs u ch , M ed ik am en te M är z 1 7 EA F ie rs b ar g m än n lic h ( vo llj äh ri g) A fg h an is ta n R TW /K lin ik / N ac h R ü ck ke h r ve rs tä rk te B et re u u n g d u rc h S o zi al d ie n st u n d B er at u n g d u rc h P sy ch o lo ge n a m S ta n d o rt M är z 1 7 EA F ie rs b ar g Su iz id ve rs u ch , M ed ik am en te M är z 1 7 EA F ie rs b ar g m än n lic h ( vo llj äh ri g) A fg h an is ta n R TW /K lin ik / N ac h R ü ck ke h r ve rs tä rk te B et re u u n g d u rc h S o zi al d ie n st u n d B er at u n g d u rc h P sy ch o lo ge n a m S ta n d o rt M är z 1 7 EA F ie rs b ar g Su iz id ve rs u ch A p ri l 1 7 EA V o gt -K ö lln -S tr aß e n ic h t er fa ss t n ic h t er fa ss t R et tu n gs d ie n st v er st än d ig t m it a n sc h lie ß en d er V er so rg u n g im K ra n ke n h au s u n d d er Tr au m at h er ap ie A p ri l 1 7 EA V o gt -K ö lln -S tr aß e Su iz id ve rs u ch , S el b st ve rl et zu n g m it R as ie rk lin ge A p ri l 1 7 EA G re llk am p m än n lic h ( vo llj äh ri g) n ic h t er fa ss t R et tu n gs d ie n st v er st än d ig t m it a n sc h lie ß en d er V er so rg u n g im K ra n ke n h au s A p ri l 1 7 A K O ch se n zo ll Su iz id ve rs u ch , S el b st ve rl et zu n g m it R as ie rk lin ge A p ri l 1 7 EA J en fe ld er M o o rp ar k m än n lic h ( vo llj äh ri g) n ic h t er fa ss t R et tu n gs d ie n st v er st än d ig t m it a n sc h lie ß en d er V er so rg u n g im K ra n ke n h au s A p ri l 1 7 A K W an d sb ek Su iz id ve rs u ch A p ri l 1 7 EA K al te n ki rc h en er r P la tz w ei b lic h ( vo llj äh ri g) A lb an ie n St at io n är e A u fn ah m e A p ri l 1 7 EA K al te n ki rc h er P la tz Su iz id ve rs u ch , S el b st ve rl et zu n g m it R as ie rk lin ge u n d d er V er su ch a u s ei n em F en st er z u sp ri n ge n M ai 1 7 EA S ch n ac ke n b u rg al le e m än n lic h ( vo llj äh ri g) n ic h t er fa ss t R et tu n gs d ie n st v er st än d ig t m it a n sc h lie ß en d er V er so rg u n g im K ra n ke n h au s so w ie D ee sk al at io n d u rc h M it ar b ei te r d es So zi al m an ag em en t M ai 1 7 A K R is se n Su iz id ve rs u ch , Ta b le tt en ei n n ah m e M ai 1 7 EA D ra te ln st ra ß e m än n lic h ( vo llj äh ri g) n ic h t er fa ss t R et tu n gs d ie n st g er u fe n , s o la n ge B et re u u n g d u rc h d em S ic h er h ei ts d ie n st u n d an sc h lie ß en d er V er so rg u n g im K ra n ke n h au s, Er w ei te ru n g d er a m b u la n te n p sy ch ia tr is ch en A n b in d u n g. M ai 1 7 K H G ro ß S an d , E A D ra te ln st ra ß e Drucksache 21/9712 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage 1 lfd . N r. Ar t d er (v er m ut et en ) T at M on at O rt d er T at (U nt er br in gu ng ) G es ch le ch t ( Al te r) H er ku nf ts la nd 1 Su iz id an dr oh un g, v om D ac h st ür ze n Ap r 1 7 Lu ru pe r H au pt st ra ße m (v ol ljä hr ig ) Er itr ea 2 Su iz id ve rs uc h, S ch ni tte in U nt er ar m M ai 1 7 Al se ns tra ße w (v ol ljä hr ig ) Af gh an is ta n 3 Su iz id ve rs uc h, T ab le tte nü be rd os ie ru ng M ai 1 7 G ro ße H or st w (v ol ljä hr ig ) Af gh an is ta n 4 Su iz id ve rs uc h, T ab le tte nü be rd os ie ru ng M ai 1 7 N ot ke st ra ße m (v ol ljä hr ig ) Ira k 5 Su iz id äu ße ru ng Ju n 17 An d er H af en ba hn m (v ol ljä hr ig ) Af gh an is ta n Su iz id al e Vo rf äl le im R ah m en d er ö ffe nt lic hre ch tli ch en U nt er br in gu ng (ö rU ) v on Z uw an de re rn u nd W oh nu ng sl os en / Fo lg eu nt er br in gu ng u nd M aß na hm en d er K ris en be w äl tig un g Q ue lle f& w Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9712 5 Anlage 2 9712ska_Text 9712ska_Anlagen 9712ska_Antwort_Anlage1 9712ska_Antwort_Anlage2