BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9733 21. Wahlperiode 11.07.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Kurt Duwe (FDP) vom 05.07.17 und Antwort des Senats Betr.: Einsatz von synthetischen Kraftstoffen Synthetische Kraftstoffe kommen seit Jahren bei zahlreichen Unternehmen zum Einsatz. Auch der Flughafen Hamburg nutzt Alternativkraftstoffe bei einem Teil seiner Fahrzeuge. Der Vorteil dieser Kraftstoffe liegt im geringen Ausstoß von Stickoxid, Feinstaub, Kohlenstoffdioxid und Kohlenwasserstoffen . Ein Einsatz synthetischer Kraftstoffe im öffentlichen Nahverkehr und in der Fahrzeugflotte der Freien und Hansestadt Hamburg hätte somit einen positiven Einfluss auf die Schadstoffbelastungen der Hamburger Luft. Außerdem führt insbesondere bei stark schwankenden Auslastungen von Motoren (zum Beispiel Notstromanlagen) der Gebrauch von synthetischem Kraftstoff zu weit geringerem Verschleiß und längeren Wartungsintervallen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen, teilweise auf der Grundlage von Auskünften von der Hamburg Port Authority (HPA), der Flughafen Hamburg GmbH (FHG), von HAM- BURG WASSER (HW), der Stromnetz Hamburg GmbH (SNH), der Stadtreinigung Hamburg AöR (SRH) sowie der Hamburg Verkehrsanlagen GmbH (HHVA), wie folgt: 1. Welche Arten von synthetischen Kraftstoffen kennt der Senat? Aus welchen Ausgangsstoffen werden die synthetischen Kraftstoffe jeweils hergestellt und haben diese Kraftstoffe bereits Marktreife erreicht? Derzeit liegen dem Senat insbesondere Informationen zu den synthetischen Kraftstoffen Gas to Liquid (GtL), Erdgas und Biokraftstoffen aus hydriertem Pflanzenöl (HVO) vor. Darüber hinaus kann auch Wasserstoff als synthetischer Kraftstoff in entsprechend dafür vorgesehenen Fahrzeugen eingesetzt werden. Die Marktreife derartiger Kraftstoffe hängt von den Freigaben der Motorenhersteller ab. Diese liegen nur zu einem geringen Teil und überwiegend für derzeit modernste Dieselmotorkonzepte vor. 2. Wie bewertet der Senat synthetische Kraftstoffe hinsichtlich ihrer ökologischen und ökonomischen Vor- beziehungsweise Nachteile? Im Vergleich zu Dieselkraftstoffen zeigen synthetische Kraftstoffe bei der Verwendung in Euro-V-Dieselmotoren oder schlechter in der Regel geringere Schadstoffemissionen . Die genaue Quantifizierung der Emissionseinsparungen pro Schadstoff ist vor dem Hintergrund der Abhängigkeit der Schadstoffemissionen von den Randbedingungen für den Verbrennungsmotor und einer fehlenden Vergleichsbasis schwierig. Hinsichtlich GtL wurden bei zwei deutschen Verkehrsbetrieben geringere NOx- Emissionen von circa 7 – 17 Prozent ermittelt, bei gleichzeitig steigendem Kraftstoffverbrauch (circa 5 Prozent). Durchgeführte Feldversuche an der Flotte der HPA bestätigen diese Ergebnisse grundsätzlich. Die NOx-Einsparungen lagen hierbei bei circa Drucksache 21/9733 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 10 Prozent. Die ausgestoßene Partikelmasse reduzierte sich um circa 50 Prozent im Vergleich zu Lkw-Diesel. Die von der FHG in Auftrag gegebenen durchgeführten Messungen an unterschiedlichen Flughafenfahrzeugen und -geräten haben die Herstellerangaben zu HVO bestätigt und teilweise sogar übertroffen: Kältebeständigkeit bis mindestens –38° C Minderverbrauch im Winter durch Wegfall von ausflockungshemmenden Additiven Resistenz gegen den Befall mit Mikroorganismen (Dieselpest), keine verkeimungshemmenden Zusatzmittel mehr erforderlich WKG 1 im Vergleich zu WGK 2 von fossilem Diesel kaum feststellbare Alterung im Vergleich zu fossilem Diesel mit B7 Anteil hörbar reduzierte Geräuschemissionen durch deutlich bessere Kaltlaufeigenschaften drastisch reduzierte Ölverdünnung durch bessere Zündwilligkeit (Cetan-Zahl 72 statt 55 bei normalem Diesel) Emissionsreduktionen (NO: –35 Prozent, NO2: –23 Prozent, Feinstaub: –40 Prozent , UFP: –89 Prozent), CO: –55 Prozent, CO2: –20 Prozent, CxHy: –30 Prozent, Ruß: –40 Prozent) Beim Einsatz von HVO auf schwimmenden Einheiten geht die Flotte Hamburg GmbH, als Tochter der HPA, bei Stickoxid und Partikelmasse von einer Reduktion um etwa 30 Prozent aus. Eine Beurteilung der Vor- und Nachteile synthetischer Kraftstoffe allein auf der Emissionseinsparung ist jedoch nicht ausreichend. Vielmehr müssen die Edukte der Kraftstoffsynthese und deren Geeignetheit für den Kraftstoffeinsatz detailliert geprüft werden . Letztlich sind in der Abwägung auch finanzielle Randparameter zu beachten. Der Einsatz von GtL bei den HADAG-Schiffen verursacht beispielsweise Treibstoffmehrkosten von 25 – 30 Prozent. Für einige synthetische Kraftstoffe (zum Beispiel HVO) fehlt derzeit noch die gesetzliche Befugnis, damit sie an öffentlichen Tankstellen vertrieben werden dürfen. Maßgeblich hierfür ist die Zehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Beschaffenheit und die Auszeichnung der Qualitäten von Kraft- und Brennstoffen – 10. BImSchV). Über vorliegende Ausnahmeanträge wird derzeit im Rahmen von Bund-Länder-Fachausschüssen beraten. Ohne derartige Ausnahmeregelungen beschränkt sich die Befugnis des Inverkehrbringens derartiger Kraftstoffe ausschließlich auf unternehmensinterne Tankstellen. Letztlich müssen die Hersteller der Verbrennungsmotoren den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen für die einzelnen Motorenkonzepte freigeben. Ein Einsatz ohne derartige Herstellerfreigaben birgt die Gefahr eines Gewährleistungs- und Garantieverlustes und würde das finanzielle Risiko deutlich erhöhen. 3. Bei welchen Dienststellen und öffentlichen Unternehmen werden synthetische Kraftstoffe in welchen Umfang bereits genutzt? Im Fuhrpark der HPA sind derzeit 13 Fahrzeuge mit Gas-Antrieb (Hybrid) im Einsatz. Dies entspricht einem Anteil von circa 13 Prozent der in der HPA eingesetzten vergleichbaren Pkw. Die Flotte Hamburg setzt, bis auf wenige Ausnahmen, standardmäßig GtL auf allen ihren Schiffen ein. Das umfasst die Schiffe der Wasserschutzpolizei, der Feuerwehr und des LSBG zum Anlauf des städtischen Flottenmanagements ab Mitte Juli 2017. Insgesamt werden etwa 45 Schiffe, inklusive Der Feuerwehrschiffe, mit GtL betankt. Die Schiffe der HPA nutzen bereits seit Anfang 2017 GtL. Auf drei schwimmenden Einheiten, zwei Seilgreifbagger und einer Saugerstation, setzt die Flotte Hamburg zudem HVO-Biodiesel ein. Seit Oktober des Jahres 2016 verwendet die FHG für alle dieselbetriebenen Fahrzeuge einen synthetischen Dieselkraftstoff aus Rest- und Abfallstoffen (Handelsbezeich- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9733 3 nung „C.A.R.E-Diesel“). Dazu wurden die Dieseltanks der Betriebstankstelle komplett umgestellt. Seit dem wird unternehmensweit kein fossiler Dieselkraftstoff mehr eingesetzt . Der jährliche Verbrauch liegt bei rund 817.000 Litern. HW setzt 192 Fahrzeuge ein, die mit eigen-erzeugtem Biogas betrieben werden. Die SNH setzt zwei Brennstoffzellenfahrzeuge und 75 Gasfahrzeuge ein, die mit Wasserstoff und Biogas angetrieben werden. Die SRH hat ein Müllfahrzeug mit Erdgasantrieb und einen Pkw mit Wasserstoffantrieb im Einsatz. Die HHVA hat einen VW Golf TGI (Benzin/Erdgas-Hybrid) in ihrem Fuhrpark. Darüber hinaus werden in einigen Bezirksämtern sowie angegliederten Förstereien und bei der Feuerwehr Hamburg synthetische Kraftstoffe zum Betrieb von mobilen Maschinen eingesetzt. Der jährliche Verbrauch beträgt in Summe circa 6500 l. 4. Welche Erfahrungen haben die Dienststellen und öffentlichen Unternehmen mit synthetischen Kraftstoffen gemacht? Nach den Erfahrungen der HHVA mit dem teilweise erdgasbetriebenen Fahrzeug ist kein Unterschied im Vergleich zu rein konventionell betriebenen Fahrzeugen zu erkennen. Angemerkt wird, dass der Erdgastank relativ klein ist und folglich relativ häufig Tankstopps eingelegt werden müssen. Im Fuhrpark der HPA wurden im täglichen Einsatz, abgesehen von der noch nicht flächendeckenden Verfügbarkeit von Gastankstellen in Hamburg, keine negativen Erfahrungen bei der Nutzung von Gas- Antrieb gemacht. Im Bereich der Flotte hat die HPA überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Die FHG verweist hinsichtlich des Testbetriebes vor der unternehmensweiten Einführung wie auch im darauf folgenden Betrieb mit dem sogenannten C.A.R.E.-Kraftstoff (HVO) auf ausschließlich positive Erfahrungen. Neben zahlreichen technischen Vorteilen bietet der C.A.R.E.-Diesel vor allem deutliche Verbesserungen für den Umweltund Arbeitsschutz. Im Bereich der mobilen Maschinen sind die Erfahrungen mit synthetischen Kraftstoffen überwiegend gut. Es wird von geringeren Geruchsbelastungen und damit verbundenen reduzierten Umweltbelastungen berichtet. Die Kraftstoffe haben überwiegend eine lange Langerfähigkeit. Mobile Maschinen laufen zuverlässiger und es treten nur geringe technische Probleme auf (zum Beispiel Probleme mit elektronischen Vergasern ). Aussagen zu Langzeitauswirkungen können nicht getroffen werden. 5. In welchen Einsatzbereichen beziehungsweise für welche Nutzungen eignen sich synthetische Kraftstoffe besonders gut und wo ist der Einsatz dieser Kraftstoffe eher problematisch? 6. In welchem Umfang reduzieren sich Stickoxid-, Feinstaub-, Kohlenstoffdioxid - und Kohlenwasserstoffemissionen beim Einsatz von synthetischen Kraftstoffen im Vergleich zu herkömmlichen Kraftstoffen (beispielsweise Diesel)? Wie gestaltet sich diese Bilanz, wenn die Emissionen im Rahmen des Herstellungsprozesses mit berücksichtigt werden? Siehe Antwort zu 2. Über die Emissionen im Herstellungsprozess liegen keine Informationen vor. 7. Welche Forschungs- und Entwicklungsprojekte unterstützt der Senat, um synthetische Kraftstoffe marktfähig zu machen? Welche Projekte hat er in den letzten fünf Jahren unterstützt? Der Senat hat keine diesbezüglichen Forschungs- und Entwicklungsprojekte unterstützt . 8. Welchen Beitrag können synthetische Kraftstoffe zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte leisten? Die in der Antwort zu 2. beschriebenen Emissionseinsparungen können zur Reduktion der Immissionsbelastung beitragen. Die künftige Höhe dieses Beitrages hängt von Drucksache 21/9733 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 bundesrechtlichen Entwicklungen und der davon abhängigen Konzeptpriorisierung der Hersteller ab.