BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9772 21. Wahlperiode 18.07.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse, Dr. Bernd Baumann, Dirk Nockemann, Dr. Alexander Wolf und Detlef Ehlebracht (AfD) vom 10.07.17 und Antwort des Senats Betr.: Bilanz der Ausschreitungen um G20 – Polizeieinsätze Am 31. Mai 2017 veröffentlichte „Die Zeit“ ein Interview mit Bürgermeister Scholz, in dem dieser über den bevorstehenden G20-Gipfel sprach. Dabei prognostizierte Scholz: „Die Stadt wird ein bedeutendes Treffen der Staatsund Regierungschefs der Gruppe G20 erlebt haben. Wir werden gesehen haben, dass über wichtige Fragen der Weltwirtschaft und des globalen Zusammenhalts gesprochen wurde und dass es friedliche Kundgebungen gegeben hat. Am Ende wird die Stadt stolz sein.“1 Mittlerweile ist klar, dass sich Bürgermeister Scholz mit seiner Einschätzung gründlich vertan hat. Aber auch andere hochrangige Politiker Hamburgs haben ihre Unfähigkeit unter Beweis gestellt, die Sicherheitslage angemessen zu analysieren. So hatte sich ausgerechnet Innensenator Grote zu der Äußerung verstiegen, die allermeisten Menschen würden vom Gipfel kaum etwas mitkriegen und bezeichnete die Konferenz gar als „Festival der Demokratie“.2 Richtig ist, dass die Tage um den zurückliegenden G20-Gipfel schon jetzt in die Geschichte der Hansestadt Hamburg eingegangen sind. Noch nie zuvor hatte es eine Situation gegeben, in der die Bürger der Stadt erleben mussten , wie das staatliche Gewaltmonopol außer Kraft gesetzt und die öffentliche Ordnung von Straftätern umgestoßen wurde. Obwohl es noch lange dauern wird, die Ausschreitungen vollständig aufzuarbeiten, die Hamburg zwischen dem 6. und 8. Juli 2017 in den Ausnahmezustand versetzten, kann man anhand verschiedener Presseberichte schon jetzt absehen, dass der Senat vor einem Desaster steht. Um die ausufernde Gewalt einzudämmen, die Linksextremisten bereits am Abend des 6. Juli 2017, insbesondere aber am Folgetag entfesselten, soll die Polizei insgesamt 20.000 Beamte aufgebracht haben.3 Trotzdem konnte nicht verhindert werden, dass 476 Polizisten teils erhebliche Verletzungen davontrugen. Ferner seien 186 Personen festsowie 225 Menschen in Gewahrsam genommen worden. Dass die Mehrzahl der Tatverdächtigen Deutsche waren, zeigt sich daran, dass lediglich acht der Festgenommenen aus Frankreich und neun aus Italien stammen. Zuletzt hieß es, die Polizei habe in 37 Fällen Haftbefehl erlassen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1 Confer „Die Gelassenheit wird noch stärker sein“. „ZEIT ONLINE“ vom 31. Mai 2017. 2 Confer Innensenator Grote (SPD), G20-Gipfel wird „Festival der Demokratie“. „Hamburger Morgenpost“ online vom 14. Mai 2017. 3 Das Folgende nach „Bilanz der G20-Exzesse – Skrupellose Gewaltakte von Kriminellen“. T- Online vom 9. Juli 2017. Drucksache 21/9772 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Bei den Vorkommnissen um den G20-Gipfel handelte es sich um außerordentlich komplexe Einsatzverläufe, zu denen eine Vielzahl von Unterlagen, Berichten und Materialien auszuwerten ist, um im Sinne der Fragestellungen Ausführungen zu ermöglichen. Hierzu ist eine entsprechende Nachbereitung durch den G20-Stab der Polizei und der eingerichteten „Sonderkommission (Soko) Schwarzer Block“ vorzunehmen , die darauf erfolgte. Soweit eine ausreichende Auswertung bereits möglich war, werden die Erkenntnisse bereitgestellt. Vielfach bedarf es jedoch noch weiterer Auswertungen der angefallenen Erkenntnisse. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Beamte waren zwischen dem 6. und 8. Juli 2017 in Hamburg im Einsatz? In der BAO Michel wurden nach dem derzeitigen Sachstand unter Führung der Polizei Hamburg an den erfragten Tagen jeweils in den Zeiträumen 06.00 bis 06.00 Uhr die in der folgenden Tabelle dargestellte Anzahl an Beamten eingesetzt: Zeitraum Beamte gesamt auswärtige 05./06.07.2017 9.988 6.377 06./07.07.2017 19.233 13.632 07./08.07.2017 19.170 12.918 08./09.07.2017 14.777 10.087 Eine Beantwortung im Sinne der Fragestellung nach Tagen (00.00 – 24.00 Uhr) ist nicht darstellbar. Hierzu müssten sämtliche Kräftezuteilungen an die einzelnen EA/UA/ UUA betrachtet werden, um Mehrfacherfassungen durch Umschichtungen von Kräften zu vermeiden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung 2. Wie viele der eingesetzten Beamten mussten aus anderen Bundesländern herangeführt werden? Bitte jeweils die Anzahl sowie das Herkunftsland angeben. 3. Wie viele Arbeitsstunden hat die Polizei Hamburg im besagten Zeitraum abgeleistet? 4. Wie viele Arbeitsstunden haben externe Polizeikräfte im besagten Zeitraum abgeleistet? 5. Wie viele Überstunden sind dabei jeweils angefallen? Siehe Vorbemerkung. 6. Welche Formationen polizeilicher Sondereinsatzkräfte waren im Rahmen des G20-Gipfels im Einsatz? Bitte jeweils auch die Einsatzdauer und -ort nennen. 7. Wie sah deren Bewaffnung aus? Für die Polizei Hamburg waren Sondereinsatzkräfte aus anderen Ländern sowie aus Österreich (Cobra) im Einsatz. Im Rahmen der Einsatzlage am Schulterblatt waren folgende Sondereinsatzkräfte eingesetzt: Teilkräfte SEK Bayern Teilkräfte SEK Hamburg Teilkräfte SEK Hessen Teilkräfte SEK Sachsen Teilkräfte EK Cobra (AUT) Darüber hinaus betrifft die Fragestellung die Einsatztaktik der Polizei, zu der vom Senat aus grundsätzlichen Erwägungen keine Angaben getätigt werden. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9772 3 8. Haben die Sondereinsatzkräfte auch Verhaftungen durchgeführt? Falls ja, wann, wo und wie viele? Es wurden vorläufige Festnahmen und Ingewahrsamnahmen durchgeführt. Darüber hinaus sind die erfragten Sachverhalte Gegenstand der noch nicht abgeschlossenen Nachbereitung des Einsatzes der Sicherheitsbehörden zum G20-Gipfel. 9. Wie viele der eingesetzten Beamten haben Verletzungen erlitten? Bitte jeweils beantworten für a) Polizei Hamburg, b) externe Polizeikräfte. 10. In wie vielen Fällen liegen ernsthafte Verletzungen vor? Bitte jeweils auch die medizinische Indikation nennen. Nach derzeitigem Stand wurden im Zeitraum vom 22. Juni bis zum 9. Juli 2017 im Verlauf des G20-Einsatzes mit Stand 14. Juli 2017 709 Polizeibeamte verletzt, davon 592 durch vorsätzliche Fremdeinwirkung. Darüber hinaus waren 227 erkrankte Polizeibeamte zu verzeichnen, davon litten 117 Beamte unter Erschöpfungssyndromen beziehungsweise Kreislaufproblemen. Eine Auswertung bezüglich der Verletzungen ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Nachmeldungen weiterer Verletzter eingehen werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 11. Welche Ausrüstung stand der Polizei im Rahmen von G20 zur Verfügung ? Die Polizei Hamburg hat alle ihr auch im Rahmen der Alltagsorganisation zur Verfügung stehenden Führungs- und Einsatzmittel eingesetzt. Dazu gehören: ‐ für die Geschlossenen Einheiten Schutzausstattung mit Körperschutz und Helm, ‐ Pfefferspray/CN-Gas, ‐ Wasserwerfer, ‐ Sonderwagen, ‐ Boote, ‐ spezielle Einsatzmittel der Sondereinsatzkräfte. Darüber hinaus stand der Polizei für den G20-Einsatz folgende Ausrüstung zur Verfügung : ‐ DRAP (Absperrgittergerät der französischen Gendarmerie), ‐ Betonblöcke zur Verhinderung einer Durchfahrt, ‐ 400 Meter Absperrkette auf dem Wasser (Bolina Booms). Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 12. Wie viel Ausrüstung der Polizei ist im Verlauf der Ausschreitungen beschädigt beziehungsweise zerstört worden? Details hierzu liegen noch nicht vor. Es ist von Schäden an Fahrzeugen und persönlicher Schutzausstattung auszugehen. Darüber hinaus siehe Vorbemerkung. 13. Wie viele Wasserwerfer waren im Einsatz? Die Polizei Hamburg hatte in der Besonderen-Aufbau-Organisation (BAO) 48 Wasserwerfer im Einsatz. 14. Wie viele Polizeifahrzeuge (Autos, Busse, Mannschaftswagen, Hubschrauber et cetera) waren zwischen dem 6. und 8. Juli 2017 im Einsatz ? Drucksache 21/9772 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Zahl der eingesetzten Fahrzeuge wird nicht systematisch erhoben. Entsprechende Daten liegen daher nicht vor. Inwieweit diese im Rahmen der Einsatznachbereitung verfügbar gemacht werden können, kann daher nicht beurteilt werden. 15. Wo waren die von außerhalb herangeführten Polizeibeamten für die Dauer ihres Aufenthalts in Hamburg untergebracht? Die in der BAO der Polizei Hamburg eingesetzten auswärtigen Polizeikräfte wurden in Hamburg und im weiteren Umland in Hotels, Beherbergungsbetrieben und Sammelunterkünften untergebracht. 16. Wie viel Quadratmeter Fläche stand für die Unterbringung zur Verfügung ? Daten im Sinne der Fragestellung liegen der zuständigen Behörde nicht vor. 17. Wie hoch kalkuliert der Senat die Kosten, die der Stadt Hamburg im besagten Zeitraum für die durchgeführten Polizeieinsätze entstanden sind? 18. Wer trägt die Kosten für den Einsatz externer Polizeikräfte? 19. Wie hoch belaufen sich diese und wie groß ist der Anteil, den die Stadt Hamburg tragen muss? Kosten für die von der Polizei Hamburg im Rahmen der BAO eingesetzten auswärtigen Polizeikräfte der Länder werden im Rahmen der „Verwaltungsvereinbarung über vereinfachte Regelungen und einheitliche Pauschalen für die Abrechnung von Unterstützungseinsätzen “ abgerechnet. Für die Abrechnung der eingesetzten ausländischen Polizeikräfte hat Hamburg entsprechende Kooperationsvereinbarungen mit den Herkunftsländern getroffen. Der Polizei Hamburg liegen entsprechende Abrechnungen derzeit noch nicht vor. Für Kräfte des Bundes werden keine Kosten geltend gemacht. Zu den Kosten, die im Zusammenhang mit der Durchführung des G20-Gipfels vom 7. bis 9. Juli 2017 entstanden sind, liegen noch keine abschließenden Angaben vor.