BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9781 21. Wahlperiode 18.07.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein und Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 11.07.17 und Antwort des Senats Betr.: Zunehmende Zahl von radikalen Salafisten – Was tut der Senat? (XII) In einer aktuellen Anfrage der FDP-Fraktion antwortete der Senat nicht eindeutig zu den Zahlen der Personen, die aus Kriegsgebieten des „IS“ und anderen islamistisch-terroristischen Aktivitäten nach Hamburg zurückgekehrt sind (Drs. 21/9440, Antwort auf Frage 6.). So verwies er lediglich auf eine andere Anfrage, in der diese Zahl mit drei angegeben ist (Drs. 21/8105, Antwort auf Fragen 5. – 7.). In der Presse ist jedoch zuletzt bereits von rund 20 „Rückkehrern“ berichtet worden.1 Verwunderlich ist auch, dass der Senat offenbar keine besondere Gefährdung durch diese „Rückkehrer“ für Hamburg sieht (Drs. 21/9440, Antwort auf Frage 7.): „Für jeden den Sicherheitsbehörden bekannten Rückkehrer werden auf Basis der vorhandenen Informationen eine individuelle Gefährdungseinschätzung erstellt und die erforderlichen Maßnahmen im Rahmen der vorhandenen operativen Ressourcen ergriffen. Darüber hinaus gibt es derzeit keine Hinweise oder Erkenntnisse, dass von diesen Personen konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen.“ Schließlich stellt sich die Frage, wann die Mohammed-Biografie, die von Salafisten mittlerweile in Hamburg verteilt wird, von den Sicherheitsbehörden ausgewertet sein wird. Auch hier (Drs. 21/9440, Antwort auf Frage 24.) verweist der Senat lediglich auf eine ältere Drucksache (Drs. 21/8939), in der keine konkreten Informationen enthalten sind. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: In der Antwort zu 3. – 6. der Drs. 21/9440 wird auf die Drs. 21/8105 verwiesen, in deren Antworten zu 5. und zu 7. auf die Drs. 21/6646 hingewiesen wird, die weitere Angaben enthält. Da in der Drs. 21/9440 zu 4. auf die Drs. 21/8105 Bezug genommen wurde, (Frage: Wie viele Personen haben versucht aus Hamburg seit Drs. 21/8105 auszureisen) wurde die Antwort zu 5. und 6. entsprechend darauf bezogen. Zur Zahl der insgesamt bekannten ausgereisten Personen siehe Drs. 21/9604. Der Hinweis auf derzeit nicht vorliegende Erkenntnisse zu von den bekannten Rückkehrern ausgehenden konkreten Gefahren bedeutet, dass derzeit keine Aktivitäten feststellbar sind, aufgrund derer sich eine konkrete Gefährdung ableiten lässt. Eine Interpretation, dass keine besondere Gefährdung durch die Rückkehrer gesehen wird, ist durch die zuständige Behörde nicht vorgenommen worden. Dies vorausgeschickt, antwortet der Senat wie folgt: 1 http://www.abendblatt.de/hamburg/article210344843/So-umgehen-Salafisten-die-Verbote-der- Stadt.html. Drucksache 21/9781 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Wie viele jihadistisch orientierte Personen sind insgesamt für Aktivitäten im Rahmen des „IS“ (oder ähnliche Aktivitäten) ausgereist aus Hamburg ? Bitte die Gesamtzahl für „Ausreiser“ aus Hamburg angeben. 2. Wie viele dieser insgesamt ausgereisten Personen sind nach Kenntnis der zuständigen Behörden ums Leben gekommen? Bitte die Gesamtzahl der ums Leben gekommenen „Ausreiser“ aus Hamburg angeben. Siehe Drs. 21/9604. Neue Erkenntnisse liegen nicht vor. 3. Wie viele dieser insgesamt ausgereisten Personen sind nach Kenntnis der zuständigen Behörden weiterhin beim „IS“ (oder ähnliche Aktivitäten) aktiv? Bitte die Gesamt-Zahl aus Hamburg angeben. Hierzu liegen aufgrund mangelnder Einblickstiefe keine verlässlichen Erkenntnisse vor. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. und 2. 4. Wie viele „Ausreiser“ sind nach Kenntnis der zuständigen Behörden insgesamt zurück nach Deutschland gereist? Wie viele davon nach Hamburg ? Bitte die Gesamtzahl der sich zurzeit in Hamburg aufhaltenden Personen angeben. Siehe Internetseite https://www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder/af-islamismusund -islamistischer-terrorismus/zahlen-und-fakten-islamismus/zuf-is-reisebewegungenin -richtung-syrien-irak. Im Übrigen siehe Drs. 21/9604. 5. Bleibt der Senat bei der Bewertung möglicher Gefahren durch in Hamburg lebende „Rückkehrer“ dabei, dass es „derzeit keine Hinweise oder Erkenntnisse, dass von diesen Personen konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen“ (Drs. 21/9440, Antwort auf Frage 7)? Ja, siehe im Übrigen Vorbemerkung. 6. Haben die zuständigen Behörden bereits Gebrauch gemacht von der Möglichkeit, Platzverweise gegen Personen (aus dem Umfeld der ehemaligen LIES!-GmbH), die Papiere mit religiösem Bezug verteilen, abhängig von einer Prüfung des Einzelfalls auszusprechen (siehe Drs. 21/9440, Antwort auf Frage 23.)? Wenn ja: in welchem Umfang? Wenn nein: warum nicht? Die Polizei führt keine Statistik im Sinne der Fragestellung. Für die Beantwortung wäre eine händische Auswertung von über tausend Handakten erforderlich. Dieses ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 7. Wann wird die Mohammed-Biografie, die laut Medienberichten von Salafisten in Hamburg verteilt wird, von den Sicherheitsbehörden ausgewertet sein? Da die Muhammad-Biographie bundesweit verteilt wird, liegt die Zuständigkeit beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Dort erfolgt die Auswertung hinsichtlich möglicher extremistischer Inhalte. Es liegen derzeit noch keine Ergebnisse vor. 8. Wie viele Haftbefehle wurden von Januar 2016 bis Juli 2017 gegen mutmaßliche Islamisten in Hamburg erlassen? Welche Gründe lagen dafür jeweils vor? Seit wann liegen diese Haftbefehle jeweils vor? Im erfragten Zeitraum wurden 16 Haftbefehle in Hamburg durch Hamburger Gerichte gegen mutmaßliche Islamisten erlassen. Bei sieben dieser Personen liegt der Wohnort außerhalb von Hamburg in benachbarten Bundesländern. Den Haftbefehlen lagen Tatvorwürfe nach § 89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) oder §§ 129a, Absatz 1, 129b StGB (Mitgliedschaft in einer terroristischer Vereinigungen im Ausland) und Haftgründe nach § 112 Absatz 2, Nummer 2 StPO oder § 112 Absatz 3 StPO zugrunde. Der jeweilige Zeitpunkt der Ausstellung ist der nachfolgenden Liste zu entnehmen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9781 3 Delikt Zeitpunkt der Ausstellung 89 a StGB 04/2017 89 a StGB 04/2017 89 a StGB 04/2017 89 a StGB 04/2017 89 a StGB 04/2017 89 a StGB 04/2017 129 a, b StGB 07/2016 129 a, b StGB 08/2016 129 a, b StGB 11/2016 129 a, b StGB 12/2016 129 a, b StGB 03/2017 129 a, b StGB 03/2017 129 a, b StGB 04/2017 129 a, b StGB 05/2017 129 a, b StGB 06/2017 129 a, b StGB 07/2017 9. Wie viele der Haftbefehle gegen mutmaßliche Islamisten wurden bisher aus welchen Gründen nicht vollstreckt? Neun dieser Haftbefehle konnten bisher nicht vollstreckt werden, da sich die Beschuldigten mutmaßlich im Ausland aufhalten. 10. In welchem konkreten Umfang haben sich Mitglieder oder Personen aus dem Umfeld des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) am diesjährigen „Al-Kuds-Tag“ am 23. Juni in Berlin beteiligt? Belastbare Zahlen zu Teilnehmern und teilnehmenden Organisationen liegen dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg nicht vor. Bisher liegen Informationen zu etwa 100 Teilnehmern vor, die aus der Metropolregion Hamburg teilgenommen haben sollen. Wie viele von diesen dem Umfeld des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) zugerechnet werden können, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilt werden, dem LfV Hamburg sind derzeit konkret drei Personen bekannt. 11. Haben die zuständigen Behörden Erkenntnisse darüber, ob Funktionäre des IZH zu einer Nicht-Teilnahme an Aktivitäten im Zusammenhang mit dem „Al-Kuds-Tag“ aufgerufen haben? Wenn ja: bitte konkret erläutern. Nein. 12. In welchem Umfang haben sich weitere Personen aus Hamburg am diesjährigen „Al-Kuds-Tag“ am 23. Juni in Berlin beteiligt? Welchen Organisationen stehen diese nahe? Siehe Antwort zu 10. 13. In welchem Umfang ist Hamburg beteiligt an den neuen Forschungsprojekten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Bereich religiöser Extremismus (vergleiche Pressemitteilung des BMBF vom 22. Juni 2017)? Zur neuen BMBF-Fördermaßnahme im Bereich religiöser Extremismus (Forschungsprogramm des BMBF: Forschung für die zivile Sicherheit) gab es bisher zwei BMBF- Förderbekanntmachungen. Die bewilligten Projekte aus der BMBF-Bekanntmachung „Aspekte und Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung“ einschließlich der Projektbeschreibungen sind unter dem Link http://www.sifo.de/de/bewilligte-projekte-aus-der-bekanntmachung-aspekteund -massnahmen-der-1767.html zu finden. Drucksache 21/9781 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Am Projekt „X-SONAR – Analyse extremistischer Bestrebungen in sozialen Netzwerken “ ist die Behörde für Schule und Berufsbildung, Beratungsstelle Gewaltprävention als assoziierter Partner beteiligt. Am Projekt „PANDORA – Propaganda, Mobilisierung und Radikalisierung zur Gewalt in der virtuellen und realen Welt“ ist das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) beteiligt. Die bewilligten Projekte aus der Bekanntmachung „Zivile Sicherheit – Nachwuchsförderung durch interdisziplinären Kompetenzaufbau“ sind unter dem Link http://www.sifo.de/de/bewilligte-projekte-aus-der-bekanntmachung-zivile-sicherheit--- nachwuchsfoerderung-durch-2249.html zu finden. Am Projekt „BIGAUGE – Biologische Gefahren: Analyse und integrierte Einschätzung von Risiken“ sind das Bernhard Nocht-Institut für Tropenmedizin (MNITM) und das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) beteiligt.