BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9793 21. Wahlperiode 18.07.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Jens Meyer und Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 11.07.17 und Antwort des Senats Betr.: Rote Flora – Ein „Kulturzentrum“? In Anbetracht der inakzeptablen Gewaltexzesse aus dem linksextremen Spektrum am Rande des G20-Gipfels insbesondere im Schanzenviertel stellt sich die Frage nach der Haltung der Roten Flora. Dieses seit Jahrzehnten von der linken Szene genutzte Domizil dient als Nährboden für linksautonome Gewalttäter. Auch die Positionierungen der Roten Flora zu den Krawallen während des G20-Gipfels haben dies deutlich gezeigt. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Ist die Johann Daniel Lawaetz-Stiftung (JDLS) weiterhin die Eigentümerin des Grundstücks der Roten Flora? 2. Auf welcher Basis wird die Rote Flora seit dem Ankauf durch die JDLS im Jahre 2014 von Aktivisten bewohnt und genutzt? Liegt der Nutzung ein Mietvertrag zugrunde? Wenn nein: warum nicht? Die Johann Daniel Lawaetz-Stiftung (JDLS) ist Eigentümerin des Grundstücks der Roten Flora. Der Kauf erfolgte im Jahr 2014 mit der Zielsetzung, die bestehenden Nutzungsverhältnisse unverändert fortbestehen zu lassen und eine friedliche Entwicklung im Stadtteil zu ermöglichen. Ein Mietvertrag bestand zu diesem Zeitpunkt nicht und wurde auch nicht neu abgeschlossen. 3. Wer kommt für die laufenden Betriebskosten des Grundstücks auf? Liegen dazu vertragliche Vereinbarungen vor? Bitte erläutern. 4. Werden öffentliche Mittel für den Betrieb (Gebäudeunterhalt und Kulturveranstaltungen ) der Roten Flora gezahlt? Wenn ja: Aus welchen Produktgruppen welcher Behörde und mit jeweils welcher inhaltlichen Zielrichtung? Bitte für 2016 und 2017 nach Art und Summe aufschlüsseln. Der Treuhandvertrag enthält Regelungen bezüglich der laufenden Betriebskosten des Grundstücks. Danach trägt die Stadt für das Jahr 2016 und bisher für das Jahr 2017 die Kosten für Gehwegreinigung (insgesamt rund 3.400 Euro), Niederschlagwasser (rund 2.250 Euro), Winterdienst (rund 500 Euro), Grundsteuer (rund 3.050 Euro), Gebäude-/Feuerversicherung sowie Feuerstättenbescheid (rund 400 Euro). 5. Welche öffentlichen Mittel erhält die Rote Flora vom Bezirk Altona? Bitte für 2016 und 2017 nach Art und Summe aufschlüsseln. Keine. Drucksache 21/9793 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 6. Wer ist für die Spruchbänder, die an der Fassade der Roten Flora angebracht sind, verantwortlich? Werden die Spruchbänder bei den zuständigen Behörden zur Genehmigung vorgelegt? Wenn ja, wer wird dabei als Antragsteller aufgeführt? Wenn nein, warum nicht und wie geht der Senat mit dieser Haltung um? Die Verantwortung liegt bei den Nutzerinnen und Nutzern. Über die Spruchbänder liegen dem zuständigen Bezirksamt keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen bedarf es dazu weder einer bau- noch einer sondernutzungsrechtlichen Genehmigung. 7. Welche Gruppierungen halten sich nach Kenntnis des Senats für gewöhnlich in der Roten Flora auf beziehungsweise nutzen diese für Aktivitäten? Die Rote Flora ist das bedeutendste Kommunikations- und Treffzentrum der autonomen Szene in Hamburg und Umgebung und wird von ihr für regelmäßige Treffen und politische Veranstaltungen genutzt. Zu den von Nutzern selbstorganisierten Einrichtungen gehören eine Fahrrad- und eine Motorradwerkstatt, das „Archiv der sozialen Bewegungen“ und eine „Volksküche“. Im Übrigen siehe Verfassungsschutzbericht http://www.hamburg.de/contentblob/8873924/a0a91c9416c772101e55f1a69109443c/ data/verfassungsschutzbericht-2016-pressefassung-vom-01-juni-2017.pdf. 8. Wie hoch schätzt der Senat die Gewaltbereitschaft der Bewohner und Nutzer der Roten Flora ein? Der überwiegende Teil der Nutzer des Gebäudes gehört der autonomen Szene an, die vom Landesamt für Verfassungsschutz als gewaltorientiert eingestuft ist. In der zweimonatlich von Autonomen aus dem Umfeld der Roten Flora herausgegebenen Szenezeitschrift „Zeck“ werden neben Terminen und Demonstrationsaufrufen regelmäßig Selbstbezichtigungsschreiben zu politisch motivierten Straftaten veröffentlicht. 9. Wie viele Straftaten sind in den Jahren 2016 und 2017 im Zusammenhang mit der Roten Flora verübt worden? Bitte aufschlüsseln nach Art der Straftat. In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfolgt die räumliche Erfassung in ihrer kleinsten Einheit nach Ortsteilen. Nach Art der Tatörtlichkeit oder nach Adressen wird nicht weiter differenziert; folglich werden Daten im Sinne der Fragestellung statistisch nicht erfasst. Für die Beantwortung der Frage wäre eine Auswertung sämtlicher kriminalpolizeilicher Ermittlungsvorgänge mindestens der örtlich zuständigen Polizeidienststellen erforderlich. Die händische Durchsicht mehrerer Tausend Hand- und Ermittlungsakten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Hilfsweise hat die Polizei daher zur Beantwortung der Fragestellung eine Recherche in den Daten des kriminalpolizeilichen Meldedienstes der politisch motivierten Kriminalität durchgeführt. Die dort zugrunde liegenden Katalogwerte unterliegen jedoch einer bundeseinheitlichen Abstimmung und beinhalten nicht die in der Anfrage abgeforderte Begrifflichkeit. Daher wurde mit einem Rechercheprogramm eine Schlagwortsuche mit dem Begriff „Flora“ durchgeführt und anschließend auf einen Zusammenhang mit der Roten Flora händisch überprüft. Aus den im Vorgangserfassungs- und -verwaltungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft hinterlegten Deliktsnormen lässt sich nicht mit der erforderlichen Verlässlichkeit der Schluss ziehen, dass diese Eintragungen zutreffend und abschließend sind. Schließlich ergibt sich aus MESTA nicht mit der notwendigen Sicherheit, ob das Tatgeschehen im Zusammenhang mit der „Roten Flora“ steht. Im Hinblick auf die von der Polizei übermittelten Verfahren lassen sich folgende Angaben aus MESTA entnehmen: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9793 3 Datum Tatvorwurf lt. MESTA (bzw. lt. Anklage/Strafbefehl, soweit in MESTA erfasst) Erledigungsart laut MESTA 2016 05.11.2016 § 20 Abs. 1 VereinsG Einstellung (UJs) 27.10.2016 § 26 VereinsG Einstellung (UJs) 27.09.2016 § 126 StGB Einstellung (§ 170 Abs. 2 StPO) 20.08.2016 § 33 KunstUrhG Strafbefehlsantrag 06.05.2016 § 26 VereinsG Einstellung (UJs) 21.06.2016 § 20 Abs. 1 VereinsG Einstellung (UJs) 26.11.2016 § 20 Abs. 1 VereinsG Einstellung (UJs) 01.05.2016 § 27 Abs. 1 VereinsG § 47 JGG 01.05.2016 § 27 Abs. 1 VereinsG Einstellung (§ 170 Abs. 2 StPO) 20.05.2016 § 306 StGB Einstellung (UJs) 16.12.2016 § 223 StGB Einstellung (UJs) 05.02.2016 §§ 125, 125a StGB Einstellung (UJs) 01.05.2016 §§ 125, 125a Abs. 1 Nr. 2 StGB Verurteilung zu einer Geldstrafe (nicht rechtskräftig) 01.05.2016 §§ 113, Abs. 1, 2 Nr. 1, 125 Abs. 1 Nr 1, 125a Nr. 2, 185, 194, 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 22, 23, 52 StGB Freiheitsstrafe mit Bewährung (rechtskräftig) 01.05.2016 §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 22, 23 StGB Geldstrafe (rechtskräftig) 01.05.2016 §§ 125, 223, 224 StGB Einstellung (§ 170 Abs. 2 StPO) 01.05.2016 §§ 125, 223, 224 StGB Einstellung (UJs) 01.05.2016 § 224 StGB Einstellung (UJs) 01.05.2016 § 224 StGB Einstellung (UJs) 01.05.2016 §§ 125, 223, 224 StGB Einstellung (UJs) 01.05.2016 § 185 StGB Abgabe an andere StA 10.04.2016 § 224 StGB Einstellung (UJs) 2017 01.05.2017 § 224 StGB offen; noch nicht an die StA abverfügt 24.03.2017 § 26 VereinsG Einstellung (UJs) 29.01.2017 § 26 VereinsG Einstellung (UJs) Ein Ermittlungsverfahren ist immer einzuleiten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte einer Straftat vorliegen (§ 152 Absatz 2 StPO). Ziel des Ermittlungsverfahrens ist es stets, den strafrechtlich relevanten Sachverhalt zu klären und zu prüfen, ob öffentliche Klage gegen einen Beschuldigten wegen einer konkreten Straftat erhoben werden soll. 10. Wie viele Ordnungswidrigkeiten sind in den Jahren 2016 und 2017 mit der Roten Flora bislang verübt worden? Bitte aufschlüsseln nach Art der Ordnungswidrigkeit. Statistiken im Sinne der Fragestellung werden nicht geführt. Zur Beantwortung dieser Fragen wäre eine Durchsicht aller Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums mindestens der örtlich zuständigen Polizeidienststellen und des Bezirksamtes erforderlich. Die händische Durchsicht mehrerer Tausend Hand- und Ermittlungsakten Drucksache 21/9793 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 11. Wie viele Polizeieinsätze sind in den Jahren 2016 und 2017 mit der Roten Flora durchgeführt worden? Wie viele Personalstunden sind dabei angefallen? Die Frage wird auf Grundlage des Hamburger Einsatzleitsystems (HELS) beantwortet. Auf die in der Drs. 21/2108 dargestellten Besonderheiten der Daten des HELS wird hingewiesen. Im erfragten Zeitraum sind in HELS mit Stand 10. Juli 2017 mit der für die Rote Flora hinterlegten postalischen Anschrift „Schulterblatt 71“ 124 Einsätze erfasst. Darüber hinaus wurden 29 Einsätze aus besonderem Anlass bei Versammlungen , Veranstaltungen sowie daraus resultierende Polizeieinsätze mit Bezug zur Roten Flora durchgeführt. Personalstunden werden nicht für jeden Einsatz gesondert erhoben. 12. Wie viele Ermittlungsverfahren sind im Jahr 2017 im Zusammenhang mit der Roten Flora eingeleitet worden? Mit jeweils welchem Ziel und welchem Ergebnis? Siehe Antwort zu 9. 13. Ist dem Senat bekannt, dass auf der Straße rund um die Rote Flora als auch im Florapark Drogenhandel betrieben wird? Wenn ja, was unternimmt der Senat um dies zu unterbinden und zu ahnden? Ja. Die Polizei trifft dort zielgerichtete Maßnahmen zur Bekämpfung der Drogenkriminalität . 14. Wie bewertet der Senat insgesamt die Szene um die Rote Flora und das von ihr ausgehende Gefahrenpotenzial, insbesondere nach den Erkenntnissen der Ausschreitungen um G20? Die Rote Flora hat weit über Hamburg hinaus bis ins europäische Ausland eine große Bedeutung insbesondere für die gewaltorientierte linksextremistische Szene. Siehe hierzu zuletzt Verfassungsschutzbericht 2016 Seite 94 fortfolgende beziehungsweise http://www.hamburg.de/contentblob/8873924/a0a91c9416c772101e55f1a69109443c/ data/verfassungsschutzbericht-2016-pressefassung-vom-01-juni-2017.pdf. Die Rolle der Roten Flora im Rahmen der G20-Krawalle wird gegenwärtig untersucht und kann noch nicht abschließend bewertet werden.