BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9822 21. Wahlperiode 21.07.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Philipp Heißner (CDU) vom 13.07.17 und Antwort des Senats Betr.: Linksextremismus in Hamburg Die gewalttätigen Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg haben einmal mehr gezeigt, wie gefährlich Linksextremismus ist. Es wird in Zukunft sicherzustellen sein, dass linker Extremismus in gleicher Weise wie auch alle anderen extremen Strömungen in Hamburg keinerlei Nährboden findet. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Straf- und Gewalttaten, die linksextrem motiviert waren, sind dem Senat in den vergangenen zehn Jahren bekannt geworden? Wie viele und welche dieser Taten waren fremdenfeindlich, antisemitisch beziehungsweise antiisraelitisch, richteten sich gegen Unbeteiligte, gegen politische Gegner oder die Polizei? Bitte einzeln aufschlüsseln. Bitte aufschlüsseln nach Deliktsbereichen wie Verstöße gegen das Versammlungsrecht , Fälle von Landfriedensbruch und schwerem Landfriedensbruch , Brandstiftungen, Körperverletzungen, Gewaltdelikten, Nötigung und Bedrohung, versuchten Tötungsdelikten, Tötungsdelikten, Sachbeschädigungen, Widerstand, Anschlägen, Volksverhetzung, Propagandadelikten sowie gesamt angeben. Bitte aufschlüsseln nach Bezirk und Stadtteil sowie gesamt angeben. 2. Wie viele Tatverdächtige wurden wegen linksextremistischer Straf- und Gewalttaten festgenommen? Bitte für die letzten zehn Jahre angeben. 3. Zu welchen konkreten in Frage 1. abgefragten Taten konnten mutmaßliche Täter ermittelt werden und welche Kenntnisse zum politischen Hintergrund dieser mutmaßlichen Täter liegen dem Senat jeweils vor? a) In welchen Fällen kam es zur Eröffnung eines Strafverfahrens, gegebenenfalls mit welchem Ausgang? b) In welchen wurden die Ermittlungen eingestellt und mit welcher Begründung jeweils? Bitte auflisten. 4. In wie vielen der in 1. genannten Fälle wurde Untersuchungshaft verhängt ? Die nachfolgende Tabelle war Bestandteil der Veröffentlichungen zum Verfassungsschutzbericht 2016 vom 1. Juni 2017. Die darüber hinaus erfragten Sachverhalte erfordern die Auswertung von Akten- beziehungsweise Datenbeständen aus zehn Jahren; dieses ist in der für die Bearbeitung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Drucksache 21/9822 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 PMK*-Links 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 PMK*-Links insgesamt 453 535 757 470 618 555 895 853 944 705 davon linksextreme Straftaten 98 92 41 70 81 138 297 248 252 165 hiervon extremistische Gewaltdelikte 49 51 37 27 48 64 187 219 211 126 * PMK = Politisch motivierte Kriminalität In dem Vorgangserfassungs- und -verwaltungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg wird weder der mutmaßliche politische Hintergrund einer Tat noch der des Täters erfasst. Eine Beantwortung der Frage würde daher die Auswertung aller Verfahrensakten erfordern, die Staatsschutzdelikte und politische Straften betreffen. Für die Aktenzeichenjahrgänge 2008 bis 2017 sind das jährlich mehrere Hundert Verfahren . Eine Auswertung dieser Akten – soweit sie noch nicht aufgrund der einschlägigen Vorschriften vernichtet worden sind – ist in der für die Bearbeitung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Teilauswertungen sind in der Vergangenheit bereits vorgenommen worden, siehe Drs. 21/7874, 21/8902 und 21/9749. 5. Wie viele Betroffene linker Straf- und Gewalttaten gab es in Hamburg? Bitte aufschlüsseln nach Bezirk, Stadtteil, Zeitpunkt, als extremistisch eingestuft oder nicht für die letzten zehn Jahre. Bitte möglichst genau pro Einzelfall aufführen, was geschehen ist, unter Angabe verwendeter Waffen oder Gegenstände beziehungsweise direkter körperlicher Tätlichkeiten oder verbaler Bedrohungen. 6. Wie viele der in 5. genannten Betroffenen waren Polizeibeamte? Siehe Antwort zu 1. bis 4. Im Übrigen siehe Drs. 20/10471. 7. Wie steht der Senat zu der sogenannten „Roten Flora“? Sind dem Senat Aktivitäten linksextremistischer Natur bekannt, die innerhalb dieser Räumlichkeiten stattfinden? Wenn ja, welche und wie viele? Die Rote Flora ist das zentrale Kommunikations- und Treffzentrum der autonomen Szene in Hamburg und Umgebung und wird von ihr für regelmäßige Treffen und politische Veranstaltungen genutzt. Zu den von Nutzern selbstorganisierten Einrichtungen gehören eine Fahrrad- und eine Motorradwerkstatt, das „Archiv der sozialen Bewegungen “ und eine „Volksküche“. Im Übrigen siehe Verfassungsschutzbericht http://www.hamburg.de/contentblob/8873924/a0a91c9416c772101e55f1a69109443c/ data/verfassungsschutzbericht-2016-pressefassung-vom-01-juni-2017.pdf. 8. Gibt es Handreichungen zum Umgang mit linkem Extremismus für Schulen und Hochschulen sowie deren Lehrpersonal und Dozenten? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht? 9. Wie und in welchem Umfang wird das Thema Linksextremismus an Hamburger Schulen behandelt? Welche Materialen und welche Fortbildungsmaßnahmen stehen den Lehrern zu diesem Thema zur Verfügung ? An den staatlichen Hamburger Hochschulen gibt es keine der erfragten Handreichungen . Für den Bereich der Hamburger Schulen siehe Drs. 21/5184, 21/4880 und 21/719. 10. Wie schätzt der Senat die Aktivitäten linksextremer Studenten und studentischer Gruppierungen/Hochschulgruppen an Hamburger Hochschulen gegenwärtig sowie in Hinblick auf die vergangenen fünf Jahre ein? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9822 3 Gemäß § 4 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz beobachtet das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Das LfV Hamburg beobachtet extremistische Bestrebungen nicht unter Berufs- oder Ausbildungsaspekten. 11. In wie vielen Fällen sind Studenten aufgrund ihrer linksextremen Gesinnung bereits einer Hochschule verwiesen worden? Bitte die Einzelfälle jeweils gesondert nennen. Bislang sind an den staatlichen Hamburger Hochschulen keine Studierenden aus diesem Grund exmatrikuliert worden. Die Voraussetzungen für eine zwangsweise Exmatrikulation von Studentinnen und Studenten staatlicher Hochschulen ergeben sich aus § 42 des Hamburgischen Hochschulgesetzes. Deshalb bedarf es eines Verhaltens im Sinne dieser Voraussetzungen für eine Exmatrikulation. Eine „Gesinnung“ lässt als solche eine Exmatrikulation nicht zu. Entsprechend erfolgte keine Exmatrikulation im Sinne der Fragestellung. 12. Welche außerschulischen Angebote von Stellen der öffentlichen Verwaltung gab es jeweils für Jugendliche und junge Erwachsene in den letzten fünf Jahren, die sich mit Linksextremismus beschäftigten? Bitte nach Veranstalter, Veranstaltungstermin, Titel und Teilnehmeranzahl differenziert darstellen. Welche Mittel wurden dafür aus welchen Haushaltsposten aufgewendet? Die Landeszentrale für politische Bildung (LZ) hat beziehungsweise hatte die folgenden Medien im Informationsladen verfügbar, die auch für die oben genannte Zielgruppe geeignet sind und auch das Thema Linksextremismus behandeln: - Klaus Pflieger: Die Rote Armee Fraktion RAF. Baden-Baden 2011. - Anne Ameri-Siemens: Für die RAF war es das System, für mich der Vater: Die andere Geschichte des deutschen Terrorismus. 2007. - Wolfgang Kraushaar: Der Aufruhr der Ausgebildeten. Vom Arabischen Frühling zur Okkupy-Bewegung. Hamburg 2012. - Dtv-Atlas. Politik- politische Theorie- politische Systeme- Internationale Beziehungen . ZpB, München 2010. - Klaus Schubert, Martina Klein: Das Politik Lexikon. Begriffe-Fakten- Zusammenhänge ZpB, Bonn 2011. - Andi. Comic für Demokratie und gegen Extremismus 3. Ministerium für Kommunales des Landes NRW 2010. Die Ankäufe erfolgten aus den Fachmitteln der LZ. Die Abgabe erfolgte über die Bereitstellungspauschale der LZ (siehe http://www.hamburg.de/startseitepublikationen /). 13. Welche außerschulischen Angebote von anerkannten freien Trägern gab es jeweils für Jugendliche und junge Erwachsene in den letzten fünf Jahren , die sich mit Linksextremismus beschäftigten? Bitte nach Veranstalter , Veranstaltungstermin, Titel und Teilnehmeranzahl differenziert darstellen . Wurden diese Angebote durch öffentliche Mittel unterstützt? Falls ja, in welcher Höhe und aus welchen Haushaltsposten? In der Offenen Kinder- und Jugendarbeit sind Gewaltprävention und die Auseinandersetzung mit politischen und religiösen Weltanschauungen unterschiedlichster Art selbstverständliche Teile des pädagogischen Alltags. Spezifische Veranstaltungen zur erfragten Thematik werden statistisch nicht erfasst. Daneben haben die anerkannten Träger der politischen Bildung zum Themenbereich Extremismus zahlreiche Veranstaltungen durchgeführt. Diese können über das „Kursportal für politische Bildung – WISY“ eingesehen werden (siehe http://politischebildung -hamburg.de/). Die anerkannten Träger der politischen Bildung werden insgesamt mit 881.100 Euro pro Jahr über Mittel der LZ aus der Produktgruppe 238.01 im Drucksache 21/9822 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Einzelplan 3.1 unterstützt. Diese werden gemäß Förderrichtlinie für die politische Bildung (siehe http://www.hamburg.de/zuwendungen/72642/foerderrichtlinie/) vergeben. 14. Wurden für die unter 12. und 13. genannten Angebote Eintrittsgelder verlangt? Falls ja, in welcher Höhe? Welche Kosten waren mit diesen Veranstaltungen verbunden? Die Angebote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit sind gebühren- und kostenfrei. Im Übrigen siehe Antworten zu 12 und 13. 15. Laut einem Artikel der „Bild“-Zeitung vom 11. Juli 2017 fördert die Bundesregierung sechs Projekte gegen Linksextremismus seit 2015 mit 5,3 Millionen Euro. Um welche Projekte handelt es sich hierbei und inwiefern profitiert Hamburg im Rahmen dessen davon? Nach Auskunft der zuständigen Regiestelle des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Angelegenheiten (BAFzA) werden aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben“ im Themenbereich „Linke Militanz“ aktuell drei Modellprojekte gefördert, die von freien Trägern aus Berlin durchgeführt werden; Träger und Projektbeschreibungen siehe: https://www.demokratie-leben.de/mp_modellprojekte-zurradikalisierungspraevention .html. Vier weitere Projektanträge von Trägern aus Berlin, Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen befinden sich derzeit im Antragsverfahren. Eines der Projekte wird laut Konzept nicht nur regional, sondern auch bundesweit agieren, sodass andere Länder – so auch Hamburg – davon profitieren könnten. 16. Hat die Freie und Hansestadt Hamburg in den letzten fünf Jahren Anträge auf Förderung für Projekte gegen Linksextremismus bei der Bundesregierung gestellt? Falls ja, bitte erläutern. Nein, denn Behörden sind nicht teilnahmeberechtigt. Die Modellprojekte im Bundesprogramm „Demokratie leben“ werden vom BAFzA im Wege von Interessenbekundungsverfahren ausgeschrieben, die sich an freie Träger richten. Eine Ausnahme gilt für Sondermittel für Modellvorhaben zur Prävention religiös begründeten Extremismus im Programbereich B zur Förderung von Demokratiezentren zur landesweiten Koordinierung und Vernetzung sowie Mobiler, Opfer- und Ausstiegsberatung. 17. Welche zusätzlichen Bildungsangebote plant der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde künftig, um Linksextremismus wirksam vorzubeugen ? Im Bereich Schule gibt es keine Anfragen oder Vorfälle, die sich explizit im Feld Linksextremismus bewegen. Daher hält die für Bildung zuständige Behörde die derzeitigen Bildungsangebote im Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung für ausreichend. Die LZ wird fortlaufend thematisch relevante und preislich angemessene Publikationen ankaufen, die Planungen sind hierzu noch nicht abgeschlossen. Die Veranstaltungsplanungen der LZ und Träger der politischen Bildung werden ebenso fortlaufend weiterentwickelt und ergänzt und sind noch nicht abgeschlossen. Die Planungen der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration sind noch nicht abgeschlossen.