BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9828 21. Wahlperiode 21.07.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 14.07.17 und Antwort des Senats Betr.: Ist der Senat auf steigende Schülerzahlen im Schulwesen vorbereitet? Schulen seien nicht die Kathedralen, sondern die Baracken der Bildung, lässt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, verlauten. Angesichts der Ergebnisse der Studie der Bertelsmann Stiftung, der zufolge in ganz Deutschland im Jahr 2025 mit 8,3 Millionen Kindern und Jugendlichen an den allgemeinbildenden Schulen zu rechnen ist, besteht enormer Handlungsbedarf: Es kommen erhebliche Investitionen auf die Bundesländer zu, weil Zehntausende Lehrer und Klassenräume fehlen. Im Jahr 2025 werden der Schätzung der Bertelsmann Stiftung zufolge 3,6 Prozent mehr Kinder und Jugendliche die Schulbank drücken als heute, im Jahr 2030 sollen es 8 Prozent sein. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Inklusion und Integration insbesondere in Hamburg stellt dieser Zuwachs noch einmal eine besondere Herausforderung dar. Auch bei der aktuellen Schuljahresstatistik durch den Schulsenator im Februar dieses Jahres wurde deutlich, dass in Hamburg die Schülerzahl ein neues Rekordhoch verzeichnet, verbunden mit einem Rückgang der Schülerzahlen an Sonder- und Berufsschulen aufgrund der Inklusion. Trotz positiver Entwicklung bei der Quantität der beschäftigten Lehrer und Pädagogen stellen diese Zahlen den Senat vor enorme Schwierigkeiten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Hamburg verzeichnet als attraktive Metropole mit vielfältigen Bildungsangeboten bereits seit Jahren einen kontinuierlichen Bevölkerungszuwachs und damit einhergehend steigende Schülerzahlen. Dieses hat der Senat seit 2011 konsequent und kontinuierlich in den unterschiedlichen Handlungsfeldern berücksichtigt. Unter anderem wurde ein massives Investitionsprogramm für die Sanierung und den Neubau von Schulen beschlossen. Der von der Hamburgischen Bürgerschaft beschlossene Haushaltsplan 2017/2018 sowie die mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2019/2020 sehen für den Wirtschaftsplan des Sondervermögens Schulimmobilien und den damit korrespondierenden Wirtschaftsplänen von SBH | Schulbau Hamburg (SBH) und GMH | Gebäudemanagement Hamburg (GMH) Mittel in Höhe von 1,3 Milliarden Euro für den Neubau und die Sanierung von Schulen vor. Zudem aktualisiert die zuständige Behörde ihre Prognosen zu Schülerzahlen jährlich. Dabei werden die aktuelle Schuljahresstatistik, neue amtliche Bevölkerungsvorausberechnungen und weitere hamburgspezifische Bevölkerungsentwicklungen berücksichtigt . Die zuständige Behörde rechnet an allgemeinbildenden Schulen – bezogen auf das Schuljahr 2016/2017 – für 2025 mit circa 21.000 zusätzlichen Schülerinnen und Drucksache 21/9828 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Schülern (+10,9 Prozent) und für 2030 mit circa 30.000 zusätzlichen Schülerinnen und Schülern (+15,6 Prozent). Dieses vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat die Ergebnisse der Bertelsmann Stiftung? 2. Welchen Anstieg in absoluten Zahlen an Schülerzahlen bedeutet dies für Hamburg? Welche Anpassungen sind erforderlich? Die Bertelsmann-Studie vergleicht die Ergebnisse ihrer eigenen Berechnungen mit Angaben der KMK-Vorausberechnung der Schüler- und Absolventenzahlen aus dem Jahr 2013. Dabei werden keine Ergebnisse für einzelne Länder benannt, sondern Aussagen für Flächenländer und Stadtstaaten getroffen, die nicht weiter ausdifferenziert dargestellt werden. Im Übrigen siehe Antworten zu 3. bis 5. sowie Vorbemerkung. 3. Ist diese Entwicklung bereits im aktuellen Schulentwicklungsplan abgebildet ? Wenn ja, wie? Wenn nein, wann erfolgt diese? 4. In welchen Teilen der Stadt wird es neue Grundschulen beziehungsweise Gymnasien und Stadtteilschulen geben? 5. Welche, auch planrechtlichen, Maßnahmen ergreift der Senat, um dem drohenden Raummangel für Hamburgs Schulen entgegenzuwirken? Der Schulentwicklungsplan wird aufgrund der vielfältigen baulichen Aktivitäten kontinuierlich an die Entwicklungen in der Stadt angepasst. Diese Anpassungen werden, soweit sie zu Konsequenzen im Schulbau führen, dann auch im Rahmenplan Schulbau abgebildet, über den der Bürgerschaft regelhaft berichtet wird, siehe Drs. 21/5600. Darüber hinaus ist die Schulentwicklung Teil aller größeren Planungsvorhaben in Hamburg, wie zum Beispiel der städtebauliche Wettbewerb Trabrennbahn Bahrenfeld , die Planung der Nord-Süd-Achse in Wilhelmsburg oder die Planungen zu Oberbillwerder. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 6. Wie hoch schätzt der Senat den Investitionsstau an Hamburgs allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen ein? 7. Mit welchen finanziellen Mitteln will der Senat dem Investitionsstau an Hamburgs allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen begegnen? Siehe Vorbemerkung sowie Drs. 21/3490, Drs. 21/5600 und Drs. 21/7484. 8. Mit welchen Konzepten will der Senat die Aufgaben Integration und Inklusion angehen? 9. Hält der Senat am Konzept des Ausbaus von Inklusion fest und wenn ja, mit welchen personellen und finanziellen Mitteln will er die Inklusion zu einem Erfolg führen? Wenn nein, warum nicht? Das Konzept der schulischen Inklusion für Hamburg ist in der Drs. 20/3641 dargelegt. Diese Drucksache beinhaltet den gesamten, von der Hamburgischen Bürgerschaft verabschiedeten Rahmen und umfasst alle Bereiche der schulischen inklusiven Bildung . Auf ihr basieren alle Weiterentwicklungen im Bereich der inklusiven Bildung seit 2012. Hamburg verfügt sowohl im allgemeinbildenden als auch im berufsbildenden Bereich über ein gut etabliertes Aufnahme- und Beschulungssystem zur Integration neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler, das dem jeweiligen Bedarf angepasst wird. Zur Systematik der Beschulung von neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern in Hamburg siehe Drs. 21/2644. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9828 3 Der Senat verfolgt auch weiterhin das Ziel einer erfolgreichen inklusiven Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (siehe Drs. 21/7233). Die Umsetzung der inklusiven Bildung in Hamburg entspricht der geltenden Rechtslage seit der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) durch die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2009, die verpflichtend für alle Bundesländer ist. Die personellen, sächlichen und finanziellen Rahmenbedingungen sind in der Drs. 20/3641 sowie im Haushaltsplan verankert. Die konkrete Ausstattung der Schulen mit personellen Ressourcen erfolgt durch Zuweisung gemäß der Bedarfsgrundlagen, wie sie im von der Bürgerschaft beschlossenen Haushaltsplan des Doppelhaushalts 2017/2018 dargestellt sind. Auch bei einem Anstieg der Schülerzahlen insgesamt würde das Konzept der Inklusion an Hamburgs Schule für die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf gleichermaßen zur Anwendung kommen. 10. Wie begegnet der Senat dem erneuten Anstieg der Abiturientenzahlen und dem damit verbundenen Bedeutungsverlust des ersten und mittleren Abschlusses? Der Trend zu hochwertigen Schulabschlüssen betrifft nicht nur das Abitur, sondern auch den mittleren Schulabschluss (MSA). Immer weniger Hamburger Schülerinnen und Schüler geben sich mit dem ersten Schulabschluss (ESA) zufrieden. Deutlich mehr streben den MSA an, weil sich damit oft bessere Berufsperspektiven verbinden. Die mit der zunehmenden Zahl höherer Schulabschlüsse einhergehenden größeren beruflichen Wahlmöglichkeiten machen es für alle Abschlüsse notwendig, dass die Schülerinnen und Schüler eine fundierte berufliche Orientierung erfahren. Vor diesem Hintergrund wurde die Hamburger Jugendberufsagentur eingerichtet, in der alle für den Übergang von der Schule in den Beruf wichtigen Institutionen der Stadt – Behörde für Schule und Berufsbildung/Hamburger Institut für Berufliche Bildung, Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration die Agentur für Arbeit, Bezirksämter sowie Jobcenter team.arbeit.hamburg – unter einem Dach die Jugendlichen beraten und beim Übergang von der Schule in den Beruf begleiten. Darüber hinaus wurde das Lernfeld „Berufs- und Studienorientierung“ mit festem Stundenkontingent und klarem Curriculum verpflichtend für alle Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschule im Stundenplan der Sekundarstufe I verankert. Das Rahmenkonzept Berufsorientierung in der gymnasialen Oberstufe wird im kommenden Schuljahr erprobt, um sicherzustellen, dass die Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe an Gymnasien, Stadtteilschulen und Beruflichen Gymnasien gezielt auf den Übergang in Beruf und Studium vorbereitet werden. Sie können so bewusster eine Entscheidung für ihren Studienwunsch beziehungsweise eine zukunftssichere und qualifizierte Berufsausbildung treffen. 11. Mit welchen Konzepten will der Senat dem Lehrermangel insbesondere im Bereich der MINT-Fächer begegnen? Die zuständige Behörde hat in den letzten Jahren durch die gezielte Einstellung von Bewerberinnen und Bewerbern mit den Fächern Physik, Chemie, Informatik in den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien und das Lehramt der Primarstufe und Sekundarstufe I dazu beigetragen, Lehrkräfte mit naturwissenschaftlicher Qualifikation auszubilden, siehe auch Drs. 21/5962. Als attraktive Metropole ist Hamburg zudem Bewerbungsziel von Studienanfängerinnen und Studienanfängern und Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger, sodass die Zahl der Bewerbungen über den erforderlichen Einstellungen liegt. 12. Welche anderen Maßnahmen plant der Senat, um den Lehrerberuf an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen wieder attraktiver zu machen? Zum Studienbeginn 2016/2017 (Stand Oktober 2016) waren für lehramtsbezogene Bachelorstudiengänge 5.716 Bewerbungen gegenüber einer Studienkapazität von 898 Plätzen zu verzeichnen. Im Vorbereitungsdienst stehen zum Starttermin August 2017 238 Einstellungen 1.158 Bewerbungen gegenüber. Insofern kann die zuständige Behörde keine Anzeichen dafür erkennen, dass der Lehrerberuf unattraktiv sei. Drucksache 21/9828 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 13. Bezüglich der Lehrerausbildung geht Hamburg in Deutschland einen Sonderweg, da für die Lehrbefugnis an den Stadtteilschulen ein eigener Ausbildungsgang eingeführt wurde. Damit besteht die Gefahr, dass die Mobilität von Lehrkräften eingeschränkt wird. a) Sieht der Senat ebenfalls diese Gefahr der Mobilitätseinschränkung für Lehrkräfte? b) Gibt es Planungen, diese Unterschiede in der Lehrerausbildung anzugleichen, um somit eine Mobilität der Lehrkräfte zu gewährleisten ? Wenn ja, wie sehen diese aus? Wenn nein, warum nicht? Hamburg agiert mit Blick auf die regionalen Erfordernisse innerhalb der zwischen den Ländern vereinbarten KMK-Rahmenvereinbarungen. So hat Hamburg keinen Sonderweg in der Lehrerbildung und keinen eigenen Ausbildungsgang für die Lehrbefugnis an Stadtteilschulen eingeführt. Darüber hinaus sind der zuständigen Behörde keine Fälle bekannt, in denen Hamburger Absolventinnen oder Absolventen in einem anderen Land keinen Zugang zum Bewerbungsverfahren für den Vorbereitungsdienst oder Schuldienst erhalten haben, sofern die Fächerkombination im potenziell aufnehmenden Land gegeben ist. 14. Bisher beschönigte der Senat die Zahlen für den Unterrichtsausfall (demnach nur 0,7 Prozent) damit, dass Klassen zusammengelegt wurden oder eine Lehrkraft lediglich Arbeitsaufträge an die Schüler verteilte. Wird der Senat bei dieser Praxis des Unterrichtsersatzes für ausgefallene Schulstunden bleiben? Die Vermeidung von Unterrichtsaufall ist für alle Hamburger Schulen ein wichtiges Ziel, das kontinuierlich verfolgt wird. Dabei kann unter anderem die Vergabe von Arbeitsaufträgen in Einzelfällen an Schülerinnen und Schüler in der Oberstufe aus Sicht der zuständigen Behörde ein adäquates Mittel sein, kontinuierliche Lernprozesse abzusichern, wenn andere Formen der Vertretung nicht realisierbar sind. Die zuständige Behörde weist den Schulen zur Vermeidung von Unterrichtsausfall so viele Personalressourcen zu, dass regelhaft über 9 Prozent der Unterrichtsstunden mit zusätzlichem Personal vertreten werden könnten. Darüber hinaus hat die zuständige Behörde regelmäßige Überprüfungen und transparente Darstellung des Unterrichtsausfalls in Hamburg eingeführt, um allen Beteiligten die Bedeutung des Themas darzustellen und gemeinsam mit den Schulen Lösungsstrategien zu entwickeln. Die zuständige Behörde wird auch weiterhin transparent über den Umfang des erteilten, vertretenen und ausgefallenen Unterrichts beziehungsweise die zulässigen Formen der Vertretungsunterricht (fachidentische Vertretung, Vertretung mit andrem Unterrichtsfach in der Lerngruppe, Vertretung durch Arbeitsauftrag beziehungsweise Zusammenlegung/Aufteilung) berichten, siehe unter anderem Drs. 21/8008, Drs. 21/5740 sowie Drs. 21/3405.