BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9853 21. Wahlperiode 25.07.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Daniel Oetzel (FDP) vom 17.07.17 und Antwort des Senats Betr.: Psychische Misshandlungen von Kindern in Hamburg Im Jahr 2015 wurden in 27 Prozent der bundesweit gemeldeten beziehungsweise bekannt gewordenen Fälle von Misshandlung von Kindern psychische Misshandlungen festgestellt.1 Im Ländervergleich ist der Anteil in Hamburg mit gut 16,7 Prozent psychischer Misshandlung an den Kindeswohlgefährdungen nicht so hoch, wie die Stadtstaaten Berlin (30,4 Prozent) oder Bremen (21,9 Prozent).2 Dies vorausgeschickt, frage ich den Senat: 1. Wie viele Fälle von „psychischer Misshandlung“ gab es in der Freien und Hansestadt Hamburg in den Jahren 2016 und 2017 (bitte monatsweise und nach Alterskohorten null bis drei, drei bis sechs, sechs bis zehn, zehn bis 14 und 14 bis 18 Jahren aufschlüsseln)? Siehe Anlage. 2. Welche Definition legt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde für die Einordnung der „psychische Misshandlung“ zugrunde? Welche Standards zur Feststellung von „psychischer Misshandlung“ im Rahmen der Kindeswohlgefährdung gelten in Hamburg? Die Arbeitsrichtlinie zur Bearbeitung von Kindeswohlgefährdung im Anlagenband der Fachanweisung ASD vom 01.01.2016 definiert psychische Misshandlung wie folgt: „Psychische Misshandlung umfasst feindselige, abweisende oder ignorierende Verhaltensweisen der Eltern oder anderer Bezugspersonen sofern sie fester Bestandteil der Erziehung sind. Dazu gehört z.B. die feindselige Ablehnung des Kindes, das Anhalten/ Zwingen des Kindes zu strafbarem Verhalten, das Isolieren des Kindes vor sozialen Kontakten oder das Verweigern von emotionaler Zuwendung. Eine weitere Fallgruppe der psychischen Misshandlung sind Minderjährige, die wiederholt massive Formen der Partnergewalt in der Familie erleben oder eine gezielte Entfremdung von einem Elternteil erfahren.“ Bei der Überprüfung einer Kindeswohlgefährdung nutzt der ASD die verbindliche Kinderschutzdiagnostik . Jedes Modul enthält dabei Fragen, die sowohl auf eine körperli- 1 https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2016/10/PD16_354_22 5.html. 2 Vergleiche: Kaufhold, Gundula: Hinweise aus amtlichen Statistiken auf Gefährdung durch Unfälle, Kindesmisshandlungen und -vernachlässigungen, Enquete-Kommission „Kinderschutz und Kinderrechte weiter stärken“. Hamburg, den 13./14.07.2017. Drucksache 21/9853 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 che als auch auf eine psychische Misshandlung abzielen, sodass der ASD in der abschließenden Beurteilung eine genaue Differenzierung der Gefährdungsinhalte leisten kann. Ein spezieller Orientierungskatalog Kinderschutzdiagnostik bietet den Fachkräften mit Ankerbeispielen Sicherheit und sorgt für eine gleichbleibend hohe Qualität in der Diagnostik. 3. Wer nimmt die Einordnung/Einschätzung „psychische Misshandlung“ im Rahmen der Kindeswohlgefährdung vor? Die Einschätzung, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt und ob es sich dabei gegebenenfalls um eine psychische Misshandlung handelt, obliegt dem ASD beziehungsweise dem KJND. Die Gefährdungsanalyse wird im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte im Rahmen einer kollegialen Beratung durchgeführt. Dazu hat der ASD die Möglichkeit, weitere Experten einzuladen und sich mit diesen zu beraten. 4. Welche statistische Einordnung wird bei einer Kindeswohlgefährdung vorgenommen, wenn sowohl physische als auch psychische Misshandlungen vorgekommen sind? Der ASD hat per Mehrfachnennung die Möglichkeit, sowohl physische als auch psychische Misshandlung statistisch zu erfassen. 5. Welche Maßnahmen sind bei der Einordnung/Einschätzung „psychische Misshandlung“ im Rahmen der Kindeswohlgefährdung durch welche Stellen zu ergreifen? Wenn der ASD eine psychische Misshandlung feststellt, handelt er gemäß der Arbeitsrichtlinie zur Bearbeitung einer Kindeswohlgefährdung. Insofern hat die Sicherstellung des Kindeswohls oberste Priorität. Dazu kann der ASD unter anderem Hilfen zur Erziehung einleiten, das Kind in Obhut nehmen und/oder einen Antrag auf Sorgerechtsentzug beim Familiengericht stellen. 6. Durch welche Stellen werden die zuständigen Behörden zumeist auf „psychische Misshandlungen“ von Kindern aufmerksam gemacht? Eine Differenzierung der Melder mit dem Merkmal „psychische Misshandlung“ wird statistisch nicht erfasst. 7. Wie erklärt sich der Senat das Auseinanderfallen der Zahlen zwischen Hamburg, Berlin und Bremen? Die Bundesjugendhilfestatistik des statistischen Bundesamtes stellt den Anteil psychischer Misshandlung nicht länderspezifisch dar. Damit ist auf dieser Datenbasis ein Vergleich nicht möglich. Bezüglich der vom Fragesteller genannten Vergleichszahlen fehlt ein Hinweis darauf, wo, wie und wann die dort genannten Daten erhoben wurden. Daher kann der Senat diesbezüglich keine Bewertungen vornehmen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9853 3 Anlage Im Rahmen einer Gefährdungseinschätzung nach 8a Abs. 1 SGB VIII festgestellte psychische Misshandlungen in Hamburg 2016 0-2 Jahre 3-5 Jahre 6-9 Jahre 10-13 Jahre 14-17 Jahre Summe Jan 3 1 2 4 3 13 Feb 1 0 2 4 1 8 Mrz 1 1 2 4 4 12 Apr 3 2 5 4 7 21 Mai 2 2 0 7 8 19 Jun 6 1 3 3 2 15 Jul 4 2 4 1 4 15 Aug 1 3 1 2 3 10 Sep 2 1 1 3 10 17 Okt 1 5 2 2 6 16 Nov 2 2 0 4 5 13 Dez 1 5 4 2 6 18 Summe 27 25 26 40 59 177 Quelle: JUS-IT, Datenbestand und Abfrage vom 19.07.2017 2017 0-2 Jahre 3-5 Jahre 6-9 Jahre 10-13 Jahre 14-17 Jahre Summe Jan 1 2 4 0 2 9 Feb 2 2 5 2 10 21 Mrz 2 4 3 1 9 19 Apr 2 0 1 2 3 8 Mai 2 2 1 2 4 11 Jun 0 1 2 5 2 10 Jul 2 0 0 0 2 4 Summe 11 11 16 12 32 82 Quelle: JUS-IT, Datenbestand und Abfrage vom 19.07.2017