BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/986 21. Wahlperiode 14.07.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Inge Hannemann (DIE LINKE) vom 06.07.15 und Antwort des Senats Betr.: Negative Auswirkungen durch einen fehlerhaften Wirtschaftlichkeitsrechner für ALG-II-Berechtigte in Bezug auf die Kosten der Unterkunft? Jobcenter team.arbeit.hamburg arbeitet nach dem sogenannten Kostensenkungsverfahren , welches in der Fachanweisung der Hamburger Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI), § 22 SGB II Punkt 6, verankert ist. Um ein Kostensenkungsverfahren zu überprüfen, wird ein Wirtschaftlichkeitsrechner angewandt. Er dient dazu, zu errechnen, ob sich die Kosten für einen Umzug nach 36 Monaten amortisieren. Wenn bestimmte Voraussetzungen nach § 22 Absatz 1 Satz 4 SGB II vorliegen, kann von Kostensenkungsmaßnahmen abgesehen werden. Dieses wird, wie bereits im Text erwähnt, in der Fachanweisung der BASFI entsprechend erläutert. Der Wirtschaftlichkeitsrechner, über welchen die Kostenbemessungsgrenze der Kosten der Unterkunft berechnet wird, wurde im 1. Quartal aufgrund einer nicht korrekten Umsetzung der Fachanweisung korrigiert und an die Fachanweisung angepasst. Aufgrund der Fehlerhaftigkeit des Wirtschaftlichkeitsrechners hatten ALG-II-Berechtigte ungerechtfertigt Aufforderungen zum Wohnungswechsel erhalten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften von Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) wie folgt: 1. Wie viele Bedarfsgemeinschaften wurden seit 2011 aufgrund der Fehlerhaftigkeit im Wirtschaftlichkeitsrechner unberechtigt zu einem Umzug aufgefordert? Bitte jährlich seit 2011 und nach Bezirken auflisten. Es erfolgt keine statistische Erhebung und Auswertung im Sinne der Fragestellung durch die Bundesagentur für Arbeit, die gemäß § 53 SGB II für die Statistik zuständig ist. Eine Auswertung der Einzelakten von circa 100.000 Bedarfsgemeinschaften ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass Leistungsberechtigte im Rahmen eines Kostensenkungsverfahrens nicht zum Umzug, sondern zur Kostensenkung aufgefordert werden. Diese kann auch auf andere Weise, zum Beispiel durch Untervermietung sichergestellt werden. Darüber hinaus ist die Wirtschaftlichkeit nur ein kleiner Teilaspekt im Kostensenkungsverfahren. Wenn eine Kostensenkung dem Leistungsberechtigten nicht zumutbar ist (zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen), ist eine etwaige Wirtschaftlichkeit unbeachtlich. Zudem führte die Nichtberücksichtigung eines Kostenfaktors nur in einem Teil der Fälle zu einer unrichtigen Wirtschaftlichkeitsberechnung . Drucksache 21/986 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Wie hoch ist der aktuelle, zulässige Toleranzbetrag, der die Nettokaltmiete übersteigen darf? Bitte nach Bezirken auflisten. 3. Wie viele Bedarfsgemeinschaften liegen über diesem Toleranzbetrag? Die Entscheidung über die Einleitung eines Kostensenkungsverfahrens wird immer individuell aufgrund der persönlichen Situation des Leistungsberechtigten, aber auch aufgrund der im konkreten Einzelfall entstehenden Kosten getroffen. Deswegen gibt es keinen festgelegten „Toleranzbetrag“. 4. Bei wie vielen der alleine wohnenden Betroffenen lag der Überhang zu der zulässigen Nettokaltmiete unter 35,85 Euro? 5. Wie viele der insgesamt fälschlicherweise aufgeforderten Bedarfsgemeinschaften sind seit 2011 nach der Aufforderung umgezogen? 6. Wie viele der insgesamt fälschlicherweise aufgeforderten Bedarfsgemeinschaften zahlen seit 2011 einen Teil der Miete über einen Eigenanteil aus der Regelleistung? 7. Wie viele der insgesamt fälschlicherweise aufgeforderten Bedarfsgemeinschaften wurden seit 2011 zwangsgeräumt? Siehe Antwort zu 1. 8. Wurden die fälschlicherweise aufgeforderten Bedarfsgemeinschaften über die Fehler in den Bescheiden informiert und die Bescheide im Nachhinein korrigiert? Derartige Fälle können aus technischen Gründen aus dem System nicht herausgefiltert werden. Sämtliche laufenden Kostensenkungsverfahren werden jedoch aktuell erneut auf ihre Wirtschaftlichkeit überprüft. 9. Ist Jobcenter team.arbeit.hamburg bereit, Kosten, die durch unnötige Umzüge entstanden sind, den Betroffenen zu erstatten und wurde hier eine feste Regelung seitens Jobcenter team.arbeit.hamburg getroffen? Durch ein Kostensenkungsverfahren entstehende Umzugs- und etwaige Renovierungskosten werden entsprechend der Fachanweisung zu den Kosten der Unterkunft und Heizung, § 22 SGB II durch Jobcenter team.arbeit.hamburg übernommen (http://www.hamburg.de/basfi/fa-sgbii-kap03-22/4269084/fa-sgbii-22-kdu/). Im Übrigen siehe Antwort zu 8. 10. Ist eine Evaluation des Kostensenkungsverfahrens ab 01.01.2011 geplant oder wurde eine Evaluation durchgeführt? Wenn nein, warum nicht? Nein. Siehe Antworten zu 1. und zu 8. 11. In welchen zeitlichen Abständen wird der Wirtschaftlichkeitsrechner auf Plausibilität und Aktualität überprüft und angepasst? Der Wirtschaftlichkeitsrechner wird anlassbezogen, beispielsweise bei einer Anpassung der Höchstwerte, überprüft und gegebenenfalls angepasst. 12. Wer ist für eventuelle Korrekturen des Wirtschaftlichkeitsrechners zuständig? Bitte Behörde und Abteilung benennen. Zuständig ist die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, Abteilung SI 2 – Grundsatzaufgaben des Sozialhilfeträgers – Soziale Hilfen und flankierende Leistungen . 13. Besteht ein schlüssiges Konzept bei Jobcenter team.arbeit.hamburg oder der BASFI für die Berechnung der Höchstgrenzen der Kosten der Unterkunft (KdU)? Wenn ja, seit wann und wer wurde mit der Erstellung beauftragt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/986 3 Wenn nein, warum nicht und auf welcher Basis berechnet sich dann die angemessenen KdU? 14. Auf welcher Grundlage basiert ein eventuell schlüssiges Konzept? 15. Wie häufig wird ein eventuell vorhandenes schlüssiges Konzept der in Hamburg bestehenden Mieten angepasst? Für das SGB II bestand in Hamburg schon immer ein schlüssiges Konzept, das von der Rechtsprechung nicht beanstandet wurde. Das schlüssige Konzept basiert auf der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (sogenannte Produkttheorie, siehe beispielsweise Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R). Im Übrigen siehe auch Drs. 20/4631. Die Höchstwerte werden unter Beteiligung der für die Erstellung des Hamburger Mietenspiegels zuständigen Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) berechnet. Bei jedem Erscheinen des Hamburger Mietenspiegels wird geprüft, ob auch eine Anpassung der Höchstwerte erforderlich ist.