BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9876 21. Wahlperiode 25.07.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 19.07.17 und Antwort des Senats Betr.: Gewalttätige Auseinandersetzungen hinter Gittern – Wildwest in Santa Fu? Seit Monaten sind die Plätze in Hamburgs Justizvollzugsanstalten rar, nach dem G20-Gipfel wurde es noch enger. Am 12. Juli 2017 befanden sich in Hamburgs Gefängnissen insgesamt 1.900 Insassen; in der JVA Billwerder (Männervollzug) waren von 673 Plätzen 672 belegt, in der JVA Fuhlsbüttel von 326 Plätzen 316 und in der Untersuchungshaftanstalt gab es 314 männliche Insassen bei 316 Plätzen, wie sich aus der Antwort des Senats auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/9773 ergibt. Trotzdem erklärt der Senat in der Drs. 21/9773, dass die Binnendifferenzierungskonzepte – außer im Bereich des Männervollzuges der JVA Billwerder – in den Justizvollzugsanstalten vor und während des G20-Gipfels eingehalten wurden. Das Prinzip der Binnendifferenzierung ist nicht nur für eine gelingende Resozialisierung notwendig, sondern auch, um Bedienstete und Insassen vor Übergriffen zu schützen. Hinweisen von Gefangenen zufolge soll es jedoch am letzten Juni-Wochenende in der JVA Fuhlsbüttel zu einem Ausnahmezustand gekommen sein. Etliche arabische Gefangene seien dem Aufruf zu einer Schlägerei mit kurdischen Gefangenen gefolgt. Während der Freistunde haben sich zwei Gruppen mit jeweils rund 25 Insassen teils bewaffnet gegenübergestanden und seien aufeinander losgegangen. Daraufhin kam es zum Einschluss aller Gefangenen, eine Woche lang sollen alle Insassen unter Verschluss geblieben sein. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Am Sonntag, den 25. Juni 2017, kam es in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel während der Freistunde um 15.45 Uhr zu einer Rangelei von circa 12 bis 18 Gefangenen . Die aufsichtführenden Bediensteten brachten die Ansammlung auseinander und lösten Alarm aus. Ein Gefangener versuchte, erneut in den Pulk zu gelangen. Dabei hielt er ein in der Anstalt zugelassenes Kartoffelschälmesser in der Hand. Die Bediensteten drängten den Gefangenen von der Gruppe ab und verbrachten ihn auf die Sicherungsstation. Einer der an der Auseinandersetzung beteiligten Gefangenen hat Verletzungen am Augenlid und an der Nase davongetragen, die ambulant versorgt werden konnten. Bedienstete wurden nicht verletzt. Die Aufsichtsbehörde wurde am 26. Juni 2017 um 10.30 Uhr über den Vorfall und die eingeleiteten Maßnahmen informiert . Drucksache 21/9876 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Nach den vorliegenden Erkenntnissen handelt es sich bei dem Vorfall um eine Auseinandersetzung zwischen arabischen beziehungsweise nordafrikanischen und aus Albanien stammenden Gefangenen. Von einer Beteiligung kurdischstämmiger Gefangener ist nichts bekannt. Die JVA Fuhlsbüttel hat die maßgeblich an dem Vorfall beteiligten Gefangenen ermittelt . Einer wurde am 3. Juli 2017 in die JVA Billwerder verlegt. Einer ist gemäß § 74 Absatz 3 des Hamburgischen Strafvollzugsgesetzes (HmbStVollzG) in der Sicherungsstation der JVA Fuhlsbüttel untergebracht. Einer wird seit dem 14. Juli 2017 gemäß § 19 Absatz 3 HmbStVollzG von anderen Gefangenen getrennt untergebracht. Bei zwei weiteren Gefangenen konnte die getrennte Unterbringung am 14. Juli 2017 aufgehoben werden. Das Binnendifferenzierungskonzept der JVA Fuhlsbüttel sieht in seinem Kern die Unterbringung der Gefangenen auf Basis-, Bewährungs- und Entwicklungsstationen vor. Getrennte Freistunden sind hingegen nicht Bestandteil des Konzeptes. Die Auseinandersetzung während der Freistunde am 25. Juni 2017 steht in keinem Zusammenhang mit der Umsetzung der Binnendifferenzierung. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Hat es eine derartige Auseinandersetzung am letzten Juni-Wochenende gegeben? 2. Falls ja, wie stellt sich der Sachverhalt im Einzelnen dar? a. Wie viele Gefangene waren daran beteiligt? b. Waren sie bewaffnet? Falls ja, mit welchen Waffen beziehungsweise gefährlichen Gegenständen ? Ja, im Übrigen siehe Vorbemerkung. c. Wie viele Bedienstete waren zugegen? Wie viele wurden hinzugezogen ? Die Freistunde wurde wie üblich durch zwei Bedienstete beaufsichtigt. Nach Auslösung des Alarms um circa 15:45 Uhr eilten acht weitere Bedienstete sowie drei Bedienstete der Revisionsgruppe der Abteilung Justizvollzug der zuständigen Behörde , die sich aus anderen Gründen in der Anstalt aufhielten, zusätzlich aus dem Hafthaus auf den Freistundenhof. d. Gab es Verletzte? Falls ja, wie viele Gefangene und/oder Bedienstete wurden verletzt? Siehe Vorbemerkung. e. Welche Maßnahmen wurden wann von wem eingeleitet? Über die erforderlichen Maßnahmen im Nachgang zu dem Vorfall am 25. Juni 2017 wurde von der stellvertretenden Leiterin der JVA Fuhlsbüttel in enger Zusammenarbeit mit den für Einzelfragen zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entschieden. Die Gefangenen wurden vom 26. Juni 2017 bis einschließlich 3. Juli 2017 länger als üblich unter Verschluss genommen. Die Polizei wurde am 26. Juli 2017 um 8 Uhr vom Leiter der Revisionsabteilung informiert. Bei zwei Gefangenen wurden am 25. Juni 2017 beziehungsweise 28. Juni 2017 besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet. Drei Gefangene wurden auf der Station getrennt von anderen Gefangenen untergebracht . Die Freistundenbereiche wurden nach jeder Gefangenenbewegung intensiv auf verbotene Gegenstände abgesucht. Die Befragung aller Gefangenen durch die Vollzugsabteilungsleitungen zu dem Vorfall wurde am 27. Juni 2017 abgeschlossen. Die vorläufigen Ermittlungsergebnisse der JVA Fuhlsbüttel wurden am 29. Juni 2017 an die Polizei übergeben. f. Ist es richtig, dass die gesamte JVA Fuhlsbüttel unter Verschluss genommen wurde? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9876 3 Falls ja, für wie lange und aus welchem Grund? Falls ja, zu welchen Einschränkungen führte dies konkret für die Gefangenen? Falls nein, inwiefern wurden welche Stationen unter Verschluss genommen? Nein. Die Anordnung galt nicht für die Abteilung für Sicherungsverwahrte. Die Entscheidung , die übrigen Abteilungen vom 26. Juni 2017 bis einschließlich 3. Juli 2017 länger als üblich unter Verschluss zu nehmen, diente der weiteren Sachverhaltsaufklärung , insbesondere der Befragung aller Gefangenen über etwaige Hintergründe des Vorfalls. Dabei fand auch in dieser Zeit von 17 Uhr bis 17.45 Uhr jeweils ein Aufschluss auf den Stationen statt. Es wurde angeordnet, jegliche Gefangenenbewegung im Haus nur in Begleitung von Bediensteten stattfinden zu lassen. Die Gefangenen, mit Ausnahme der in der Bäckerei und der Küche arbeitenden Gefangenen, sind nicht zur Arbeit ausgerückt. Die Freistunden wurden in kleinere Gruppen eingeteilt und durchgeführt. Auch Rechtsanwaltsbesuche und Besuche der Schuldnerberatungsstelle haben stattgefunden. Termine der externen Suchtberatung sowie das Freitagsgebet für muslimische Gefangene und der Gottesdienst mussten abgesagt werden. Die Medikamentenausgabe fand nicht in der medizinischen Abteilung, sondern an der Haftraumtür statt. 3. Falls ja, welche Informationen liegen über die Hintergründe der Auseinandersetzung vor? 4. Falls ja, wann wurde die Aufsichtsbehörde über den Vorfall und die eingeleiteten Maßnahmen informiert? 5. Falls ja, wie erklärt sich die zuständige Behörde eine derartige Auseinandersetzung , obwohl die Binnendifferenzierung nach Angaben des Senats in der Drs. 21/9773 in der JVA Fuhlsbüttel durchgängig gewährleistet ist? Siehe Vorbemerkung. 6. Gab es seit Beginn der Legislaturperiode ähnliche Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen in der JVA Fuhlsbüttel oder einer anderen JVA? Falls ja, wann und zwischen welchen Gruppen? Nein. 7. Wie hat sich die Personalsituation in der JVA Fuhlsbüttel seit Beantwortung der Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/6092 entwickelt? Bitte Besetzung in VZÄ differenziert nach Verwaltung und AVD inklusive Krankenpflegedienst jeweils zum Stichtag 31.12.2016 und 30.06.2017 angeben. Stichtag Verwaltung/Fachdienste AVD (inkl. Krankenpflegedienst ) Gesamt 31.12.2016 53,65 196,44 250,09 30.06.2017 52,80 192,56 245,36 Die eingeleiteten Maßnahmen zum Personalaufbau können nur zeitversetzt wirken.