BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9907 21. Wahlperiode 28.07.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Jens Meyer (FDP) vom 21.07.17 und Antwort des Senats Betr.: Bauherrenauswahlverfahrenen Elbtower Als Abschluss der HafenCity nach Osten plant der Senat die Errichtung eines 200 Meter hohen Gebäudes. Dafür sucht die Freie und Hansestadt Hamburg derzeit einen Bauherren oder ein Realisierungsteam, das eine belastbare und realisierbare Entwicklungskonzeption für die Hochhausbebauung liefern kann. Das Auswahlverfahren und die zugrunde gelegten Kriterien geben jedoch Anlass zur Nachfrage. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf Grundlage von Auskünften der HafenCity Hamburg GmbH wie folgt: 1. Aus welchen Gründen hat sich die Freie und Hansestadt Hamburg für eine einphasige Bauherrenausschreibung mit Architekturentwurf entschieden ? Welche Vor- und Nachteile bietet diese Verfahrensart? Der übliche Weg, einen Investor/Bauherren über die Auswahlkriterien Erbbauzins beziehungsweise Kaufpreis und Nutzungskonzeption zu bestimmen und im Nachgang über einen Architektenwettbewerb den Entwurf des Gebäudes darzustellen, scheidet für den Elbtower aus, da hier für dieses Projekt besondere Rahmbedingungen gelten: Der Erbbauzins beziehungsweise der Kaufpreis scheiden als Primärkriterium der Auswahl eines Bauherrn aus, da es bei einem nicht belastbaren Angebotsentwurf zu einem Auktionsverhalten (mit Überbieten) und dann im weiteren Verlauf zu einem deutlichen Qualitätsabfall beim Gebäudeentwurf und bei der Gebäuderealisierung kommt, um das Vorhaben doch noch zu ermöglichen. Marktbezogen sind für ein solches Gebäude wie den Elbtower, die Rahmenbedingungen für die Bieter außerordentlich schwer zu kalkulieren, weil das Gebäude mit seinen Herstellungskosten aufgrund der Höhe und den schwer einschätzbaren Mieterlösen auf mittlere Sicht Zukunftsannahmen in einem erheblichen und ganz ungewöhnlichen Maße erfordert. Daher muss es zumindest weitgehend geplant sein, um ein belastbares Angebot zu erhalten. Das alternative Primärkriterium für die Auswahl eines Bieters, die Nutzungskonzeption , scheidet aus, weil nur wenige Nutzungsoptionen am Standort in ein oder zwei vertikalen Gebäuden zur Verfügung stehen, sich also die Angebote nicht wesentlich unterscheiden werden beziehungsweise die Unterscheidung zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der sehr langen Entwicklungszeit nicht belastbar dargestellt werden kann (zum Beispiel wegen fehlender Mietverträge oder fehlender belastbarer Mietangebote ). Ohne den durchgerechneten, hervorragenden Entwurf eines Gebäudes kann es also kein belastbares Angebot für die Realisierung einer Grundstücks- und Gebäudeentwicklung zum Elbtower geben. Drucksache 21/9907 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Aus diesen Gründen hat sich die Stadt für eine einphasige Bauherrenausschreibung mit Architektenentwurf entschieden. 2. Aus welchen Gründen hat der Senat bei der hohen Bedeutung des Projektes den Terminplan beziehungsweise den formellen Rahmen des Verfahrens so eng getaktet? Der Zeitplan für die Auswahl des Investors und den Abschluss eines Erbbaurechtsvertrages geht von einer hohen Zügigkeit aus, aber das Verfahren ist nicht eng getaktet: - Es hat eine intensive zeitliche Information zu allen wesentlichen Rahmenbedingungen gegeben, zum Beispiel auf der Internationalen Immobilienmesse in Cannes im März 2017 sowie in Form von Informationsgesprächen mit Marktmittlern zum selben Zeitpunkt. - Die üblicherweise sehr zeitaufwändige Suche nach Nutzern konnte unberücksichtigt bleiben, da eine Bindung von Nutzern mehr als vier Jahre vor Baubeginn und ohne Garantie, dass der Bauherr mit seinem Angebot zum Zuge kommt, ohnehin nicht verlässlich möglich ist. - Es kommen nur sehr wenige, sehr professionell arbeitende Bauherren für ein belastbares Angebot infrage. 3. Auch der geplante Bearbeitungszeitraum für die Aufstellung des Bebauungsplans HC 19 erscheint ambitioniert (Aufstellungsbeschluss bis April 2019, Vorweggenehmigungsreife bis Ende 2019). Wie begründet der Senat diesen ambitionierten Zeitplan und wie will er die Einhaltung sicherstellen? Der Zeitplan für das Bebauungsplanverfahren HafenCity 16 reflektiert einerseits die vorhandenen, relativ klaren Möglichkeiten der Bebauung in einem durch Infrastruktur klar abgegrenzten Stadtraum durch einen einzigen Bauherrn/Investoren, andererseits die unter diesen Rahmenbedingungen gewollte zügige Realisierung des Vorhabens, um die in Hamburg und im Marktumfeld bestehenden positiven Bedingungen zu nutzen . Die zuständige Fachbehörde wird das Bebauungsplanverfahren zügig durchführen . 4. Aus welchen Gründen hält der Senat es für erforderlich, bis zu drei Bürgschaften von den zukünftigen Investoren zu verlangen? Bürgschaften schaffen die zentrale wirtschaftliche Grundlage für die Sicherung der wirtschaftlichen Realisierung des Vorhabens zu einem frühen Zeitpunkt, ohne dass bereits ein Grundstückskaufpreis gezahlt oder andere belastbare Regelungen getroffen wurden. Solche kaufmännischen Regelungen sind international nicht unüblich und bei der wirtschaftlichen Bedeutung des Vorhabens mehr als angemessen. Die Bürgschaften sichern unterschiedliche Ansprüche und werden nach Verfahrensstand gestaffelt. In der ersten Phase, zu Beginn der Vertragsverhandlungen, wirkt die erste Bürgschaft als „Garant“, dass sich ein Bieter bis zum Ende der Vertragsverhandlungen an sein Angebot hält (Vorabbürgschaft). Ansonsten läuft dieser Gefahr, dass Schadensersatzansprüche entstehen und zur Befriedigung dieser Ansprüche die Bürgschaft gezogen wird. Insofern wirkt sich die erste Bürgschaft auch als kaufmännisches Soliditäts - und Selektionskriterium aus. Eine zweite Bürgschaft wird mit Abschluss des Erbbaurechtsvertrages gestellt (Vertragsbürgschaft ). Diese soll den Anspruch auf die erste Zahlung absichern. Die Vorabbürgschaft und die Vertragsbürgschaft werden Zug um Zug gegen Vertragsleistungen und Befriedigung etwaiger Ansprüche der Erbbaurechtsgeberin aus einem beabsichtigten Letter of Intent zurückgegeben. Im Falle eines Erbbaurechtsvertrages hat der Erbbaurechtsnehmer eine weitere Sicherheit für die Zahlung des Erbbauzinses in Höhe des für zwei Jahre geschuldeten Erbbauzinses zu leisten. Diese Sicherheit kann entweder als Barkaution oder als Bürgschaft geleistet werden. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9907 3 5. Wie begründet der Senat die erforderliche Eigenkapitalquote von mindestens 25 Prozent? Inwiefern führt diese hohe Eigenkapitalquote nicht zu einem Ausschluss einer breiten Anzahl potenzieller Bieter und somit zu einem nur eigeschränkten Teilnehmerkreis? Da es sich um eine eigenkapitalbasierte Finanzierung handelt, wird mit der gewählten Quote dem Thema der belastbaren Finanzierung von vornherein eine ausreichende Aufmerksamkeit seitens der Bieter zu teil. Die mit der Ausschreibung geforderte Eigenkapitalquote ist für risikobehaftete Großprojekte in einer frühen Phase ohne Nutzer eher gering. 6. Aus welchen Gründen dürfen für den Baubeginn nur Vorvermietungsquoten zugrunde gelegt werden, die insgesamt der Höhe der geplanten Mieterlöse nach unter 40 Prozent liegen? Hohe Vorvermietungsquoten, wie sie von Banken bei eher eigenkapitalschwachen Bauherren gefordert werden, sichern weder einen zügigen Baubeginn noch die notwendige Vermietung während des relativ langen Bauprozesses noch die ausreichende Sicherheit, dass der Bauherr wie gefordert ausreichend gut über Eigenkapital finanziert ist. Projektentwickler als Bieter müssen sich daher frühzeitig mit Investoren verbinden, wenn letztere selbst nicht die Bieter sind. 7. In der im März 2017 veröffentlichen Bekanntmachung des Bauherrenauswahlverfahrenens wird noch auf die Durchführung eines Grundstücksverkaufes mit Bebauungsverpflichtung abgehoben. In der Angebotsbroschüre und in den bislang zur Verfügung gestellten Unterlagen wird stattdessen ein Erbbaurechtsvertrag angeboten. Nur unter bestimmten Umständen wäre demnach ein Kaufvertrag möglich. a. Aus welchen Gründen präferiert der Senat nun einen Erbbaurechtsvertrag ? Ein Erbbaurechtsvertrag wird präferiert, weil er die die Möglichkeit beinhaltet, dass die Stadt Hamburg, nach Ablauf der Laufzeit wieder über das Grundstück verfügen kann. Dadurch kann langfristig die Qualität der Bebauung des Standorts und der Zustand des solitären Gebäudes besser abgesichert werden. Ein Erbbaurechtsvertrag lässt auch eine andere wirtschaftliche Grundstückspreisgestaltung zu, vor allem vor dem Hintergrund einer Baufläche, die sich in den nächsten Jahren durch die Realisierung der S- und U-Bahn-Haltestelle sowie der benachbarten Bebauung im Quartier Elbbrücken West erst zu einem nachgefragten Standort entwickeln wird. Außerdem kann so eine wirtschaftliche Beteiligung an der Weiterentwicklung des Standorts aufgrund der Umfeld-Entwicklung durch eine entsprechende Vertragskonstellation besser umgesetzt werden. Im Übrigen ist das Erbbaurecht an einem Standort mit bedeutender Hochhausbebauung gerade auch international genauso üblich wie die rechtliche Verfügung über den Kauf. b. Unter welchen Voraussetzungen/Bedingungen ist auch der Verkauf des Grundstücks möglich? Wenn der Bieter nachweist, dass er keinen Erbbaurechtsvertrag schließen kann oder nur zu für Hamburg außerordentlich nachteiligen Bedingungen, kann auch ein Grundstückskaufvertrag geschlossen werden. Dieser muss allerdings die Kernintention des Erbbaurechtsvertrages wahren und die wesentlichen Regelungen müssen sinnentsprechend im Grundstückskaufvertrag enthalten sein. In diesem Fall werden beide Vertragsformen gleichwertig behandelt. c. Inwiefern führt der nun gewünschte Erbbaurechtsvertrag nicht zu einer Benachteiligung von institutionellen Anlegern, da diese in der Regel Erbbaurechte nicht akzeptieren können? Da auch der Abschluss eines Kaufvertrages nicht ausgeschlossen wird, gibt es keine Benachteiligung institutioneller Anleger, siehe auch Antwort zu 7. b. Viele institutionelle Anleger aus dem deutschen Rechtsraum werden allerdings aus verschiedenen Drucksache 21/9907 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Gründen (zum Beispiel Größe der Finanzierungssumme für eine Projektentwicklung, Risikokonzentrationswirkung und so weiter) für ein Investment nicht infrage kommen, da die Investmentkriterien dieser Institutionen mit einem derartigen Projektentwicklungsvorhaben nicht in Einklang stehen. d. Aus welchen Gründen wird in den Auswahlkriterien und Mindestanforderungen nur auf die Option der Erbbaurechte benannt und die Option des Grundstücksverkaufs ausgelassen, obwohl diese offiziell als gleichwertige Option benannt sind? Die Gleichwertigkeit der Optionen wird in den Rückfragen und Anmerkungen, die allen Bietern zugänglich sind, noch einmal deutlich gemacht. Hier heißt es: „Insofern sind beide Vertragsformen möglich und werden … gleichwertig behandelt.“ 8. Aus welchen Gründen wird den Investoren ein Erbbaurechtsvertrag mit einer Laufzeit von 80 Jahren und einer Verlängerungsoption von weiteren 40 Jahren angeboten? Welche Überlegungen stehen hinter den gewählten Laufzeiten? Die Laufzeiten berücksichtigen die wirtschaftlich-technische Lebensdauer des Gebäudes sowie die Instandhaltungs- und Instandsetzungs- sowie sehr weitgehende Modernisierungsnotwendigkeiten . Die Details der Überlegung finden im Übrigen Eingang in die Vertragsverhandlung und werden zur Wahrung der Verhandlungsposition, hier des Sondervermögens Stadt und Hafen, nicht vorher veröffentlicht. 9. Aus welchen Gründen plant der Senat, nach Beendigung des Erbbaurechts sämtliche baulichen Anlagen zu übernehmen? Welche Risiken und Chancen gehen mit der Übernahme der dann 80 beziehungsweise 120 Jahre alten Bausubstanz einher? Für die Freie und Hansestadt Hamburg ist es von entscheidender stadtentwicklungsstrategischer Bedeutung, die Verfügbarkeit über das Grundstück nicht aufzugeben. Ist das Gebäude instandsetzungsfähig und werthaltig, erhält Hamburg mit der oben genannten Regelung auch über das Gebäude Marktpotenzial. Eine Abbruchverpflichtung zu vereinbaren würde hingegen als ein Negativanreiz für die Aufrechterhaltung der Gebäudequalität wirken, was bei der Lage und Sichtbarkeit des Gebäudes auf jeden Fall vermieden werden muss.