BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9913 21. Wahlperiode 01.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Grunwaldt und André Trepoll (CDU) vom 24.07.17 und Antwort des Senats Betr.: Massenschlägerei im Flüchtlingsheim – Woher kamen plötzlich die vielen mit Schlagwerkzeugen bewaffneten Männer? Laut Informationen der Polizei Hamburg gerieten am Freitag, 21. Juli 2017, in der Folgeunterkunft in der Cuxhavener Straße ein tschetschenischer Junge und ein syrisches Mädchen in Streit. Innerhalb von kürzester Zeit soll der Streit eskaliert sein, der Vater des tschetschenischen Jungen soll rund 30 mit Schlagwerkzeugen bewaffnete Männer hinzugeholt und die Syrer angegriffen haben. Erst ein Warnschuss der gerufenen Polizei soll die Schlägerei aufgelöst haben, wobei ein Großteil der Täter unerkannt geflüchtet sein soll. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie alt sind der Junge und das Mädchen? Wie alt ihre Väter? Der tschetschenische Junge ist zwölf Jahre alt, sein Vater ist 35 Jahre alt. Das syrische Mädchen ist fünfzehn Jahre alt, ihr Vater ist 46 Jahre alt. 2. Worum ging der Streit? Im Verlauf eines Streits unter Kindern/Jugendlichen warf der tschetschenische Junge einen Schuh des Mädchens über den mit Stacheldraht versehenen Zaun der Folgeunterkunft . Daraufhin gerieten der Vater des Jungen und der Onkel des Mädchens in einen Streit. 3. Wann begann er an welchem Ort in der Unterkunft? Der Streit begann am 21. Juli 2017 gegen 21 Uhr im Außenbereich der Folgeunterkunft . 4. Wie viele weitere Personen haben den Streit noch mitbekommen? Die Identifizierung von Tatzeugen ist Bestandteil der polizeilichen Ermittlungen. Bisher sind 15 Personen namentlich bekannt. 5. Waren Mitarbeiter von f & w fördern und wohnen (f & w) in der Unterkunft anwesend? Wenn ja, wie viele in jeweils welcher Funktion und haben sie den Streit mitbekommen? Wenn nein, warum nicht? Der angesprochene Vorfall ereignete sich außerhalb der Dienstzeiten von f & w fördern und wohnen – Anstalt öffentlichen Rechts (f & w). In dieser Angelegenheit erschien nach Alarmierung ein Mitarbeiter der Rufbereitschaft von f & w. 6. Wann verließ der Vater des Jungen, mit der Drohung sich Unterstützung zu holen, die Unterkunft? Drucksache 21/9913 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Der genaue Zeitpunkt ist bisher nicht bekannt. 7. Wann rief wer die Polizei? Der auslösende Notruf eines Bewohners der Unterkunft ging am 21. Juli 2017 zunächst bei der Polizeileitstelle Lüneburg ein. Dieser wurde um 21 Uhr von dort an die Polizeieinsatzzentrale (PEZ) Hamburg durchgestellt. 8. Wann war die Polizei mit wie viel Kräften vor Ort? Aufgrund der Einsatzklassifizierung „Streit“ wurde zunächst nur ein Funkstreifenwagen (FuStw) zum Einsatzort entsandt. Der eingesetzte FuStw erreichte den Einsatzort um 21.38 Uhr und war mit zwei Beamten besetzt. Erst aufgrund der weiteren vor Ort gegebenen Einsatzentwicklung erfolgte eine Änderung der Einsatzeinstufung und somit der Priorität und Kräftezuweisung. 9. Holten die eingetroffenen Polizeibeamten weitere Unterstützung? Wenn ja, wann kamen wie viele weitere Beamte? Wenn nein, warum nicht? Ja. Weitere Kräfte erreichten den Einsatzort sukzessive in der Zeit von 21.55 bis 22.45 Uhr. Insgesamt waren 26 FuStw mit einer Personalstärke von 48 Polizeibeamten eingesetzt. 10. Wann kam der Vater des Jungen mit wie vielen Personen in etwa zurück? Während der Sachverhaltsklärung der Polizei vor Ort erschien zwischen 21.50 und 21.55 Uhr eine Gruppe von 30 bis 40 Personen. Ob sich der Vater des Jungen in dieser Gruppe befand, ist derzeit nicht bekannt. 11. Wie hat er seine Unterstützer kontaktiert? Hierzu liegen der zuständigen Behörde bisher keine Erkenntnisse vor. 12. Welcher Art waren die Schlagwerkzeuge? Überwiegend wurden Metallstangen mitgeführt. 13. Wie viele Polizeibeamte standen ihnen zu dem Zeitpunkt gegenüber? Zwei. 14. Zeigten sich die Angreifer von der Polizei nicht beeindruckt? Die in Antwort zu 10. benannte Personengruppe kam auf die Beamten sowie die vor Ort befindlichen Familienmitglieder des Mädchens zu. Eine direkte Ansprache der Personengruppe durch die eingesetzten Beamten wurde zunächst ignoriert. Aufgrund der massiven Gewalteinwirkung der angreifenden Gruppe auf einzelne Personen wurde durch einen Beamten ein Warnschuss abgegeben. Die Situation beruhigte sich daraufhin und die Tätergruppe flüchtete. 15. Wen griffen die Männer an? Durch die angreifende Personengruppe wurde eine Vielzahl von Bewohnern der Folgeunterkunft angegriffen und verfolgt, die daraufhin flüchteten. Nicht alle Personen konnten bisher abschließend identifiziert werden. 16. Gibt es Hinweise, woher diese innerhalb so kurzer Zeit gekommen sein können? Nein. 17. Wann fiel der Warnschuss? Der Warnschuss wurde um 21.55 Uhr abgegeben. 18. Wie viele Polizeibeamte verfolgten die Täter? Nachdem der Warnschuss abgegeben worden war, flüchteten die Täter in unterschiedliche Richtungen. Einige wenige Täter liefen bei ihrer Flucht auf die zwei Beam- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9913 3 ten zu. Es gelang hierbei nicht, diese zu ergreifen. Eine unmittelbare Verfolgung der Flüchtenden war aufgrund der Situation nicht möglich. Die Versorgung der Verletzten sowie die Alarmierung weiterer Polizei- und Rettungskräfte waren vorrangig. Nach Eintreffen weiterer Kräfte wurde unter anderem ein Einsatzabschnitt „Fahndung“ eingerichtet . Die Fahndungsmaßnahmen führten nicht zur Festnahme weiterer Tatverdächtiger . 19. Wann kamen wie viele Krankenwagen mit wie viel Besatzung? Zunächst erschien eine Erstversorgung durch einen Krankenwagen ausreichend. Erst aufgrund der sich im Weiterten vor Ort ergebenen dynamischen Einsatzentwicklung, bestand die Notwendigkeit im Verlauf des Geschehens sukzessive Krankenwagen anbeziehungsweise nachzufordern. Die Einsatzzeit ist nachfolgender Tabelle zu entnehmen : Einsatzzeit Rettungswagen (RTW) Besatzungsstärke 21.07.2017 22:12:26 1 2 21.07.2017 22:32:40 1 2 21.07.2017 22:40:42 1 2 21.07.2017 23:10:22 1 2 21.07.2017 23:45:27 1 2 20. Die Unterkunft ist für wohnungslose Menschen, bleibeberechtigte Flüchtlinge , anerkannte Asylbewerber, Asylbewerber und Spätaussiedler. Wie ist der jeweilige Status der beiden Familien, wie viele Angehörige zählen sie jeweils und wie lange leben die Familien jeweils bereits in Deutschland ? Die achtköpfige Familie des Mädchens ist am 13. Oktober 2015 nach Deutschland eingereist und verfügt über eine befristete Aufenthaltserlaubnis bis zum 6. November 2019. Die siebenköpfige Familie des Jungen ist am 20. Juli 2015 nach Deutschland eingereist und verfügt aktuell über eine Aufenthaltsgestattung. 21. Wie viele Bewohner zählt die Unterkunft und aus welchen Ländern stammen sie? Wie ist der jeweilige Aufenthaltsstatus? Zum Stichtag 30. Juni 2017 waren in der öffentlich-rechtlichen Unterkunft in der Cuxhavener Straße 178 Personen untergebracht. Davon waren 40 Prozent afghanischer , 35 Prozent syrischer, 10 Prozent eritreischer, 9 Prozent irakischer sowie 4 Prozent russischer Staatsangehörigkeit. Die übrigen 2 Prozent verteilen sich auf drei weitere Staatsangehörigkeiten. Die Überprüfung von 178 Personendatensätzen auf den ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus ist der in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 22. Es heißt, die Täter seien unerkannt geflüchtet: Wurden inzwischen welche gefasst? Wenn ja, wo (Stadtteil, Art der Unterkunft) wohnen sie, wie ist ihr Aufenthaltsstatus und welche Erkenntnisse bestehen darüber, wie es möglich war, dass sie innerhalb so kurzer Zeit für den Vater des Jungen zur Unterstützung zur Verfügung standen? Bisher konnte lediglich der Vater des Jungen als Tatverdächtiger identifiziert werden. Die polizeilichen Ermittlungen bezüglich einer im Tatzusammenhang angehaltenen Personengruppe dauern an. Darüber hinaus siehe Antwort zu 20. 23. Wo sind der Vater und der Junge verblieben, die doch eigentlich in der Unterkunft wohnen? Zum Schutz des sozialen Friedens wurde die Familie in eine andere Unterkunft verlegt . 24. Stammt der ins Krankenhaus eingelieferte 35-jährige tschetschenische Tatverdächtige ebenfalls aus der Unterkunft? Wenn ja, seit wann lebt er mit welchem Aufenthaltsstatus dort? Drucksache 21/9913 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Wenn nein, aus welcher Unterkunft stammt er stattdessen? Hierbei handelt es sich um den Vater des Jungen. Dieser lebte seit dem 3. März 2016 in der Folgeeinrichtung. Im Übrigen siehe Antwort zu 20. 25. Gab es in Hamburg bereits ähnliche Vorfälle dieser Art? Wenn ja, wann, wo und wie verliefen sie (Zahl und Herkunft der Beteiligten , wie viele Täter, wie viele Opfer, wie viel Polizei und so weiter)? Es gab in Einrichtungen der Flüchtlingsunterbringung in den vergangenen Jahren verschiedene Vorfälle mit einer größeren Anzahl von Beteiligten. Die Polizei führt keine Statistik im Sinne der Fragestellung. Für die Beantwortung der Fragen wäre eine Auswertung sämtlicher Ermittlungsvorgänge bei der Polizei notwendig . Die händische Durchsicht mehrerer Tausend Hand- und Ermittlungsakten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.