BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9923 21. Wahlperiode 01.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Suding (FDP) vom 24.07.17 und Antwort des Senats Betr.: Kontenabrufe durch Dienststellen der Freien und Hansestadt Hamburg (II) TOP 3 der 958. Bundesratssitzung am 02.06.2017 sah die Beschlussfassung über das im Bundesrat zustimmungspflichtige Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz vor. Im „Nachrichtenschatten“ der Neuordnung der Bund- Länder-Finanzbeziehungen sowie des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes wurde mit diesem Gesetz das Bankgeheimnis im Steuerrecht endgültig abgeschafft, indem der § 30a der Abgabenordnung aufgehoben wurde. Entsprechend diesem Paragrafen hatten Finanzbehörden bei der Ermittlung und Prüfung von steuerrelevanten Sachverhalten bislang auf das Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Bank Rücksicht zu nehmen. Nunmehr sind allgemeine Überwachungen von Kontobewegungen sowie überdies Sammelauskunftsersuchen zulässig.1 Dies stellt eine datenschutzrechtlich bemerkenswerte Entwicklung dar, insbesondere in Anbetracht von Bestrebungen zur Einschränkung der Nutzung von Bargeld als unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel.2 Aus der im Transparenzportal veröffentlichten Übersicht des Senats über die entsprechende Bundesratssitzung geht das Abstimmungsverhalten der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) in dieser Sache leider nicht hervor.3 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die erfragten Angaben werden teilweise nicht gesondert statistisch erfasst, sondern liegen einzelfallbezogen in den jeweiligen Sachakten vor. Für eine Einzelfallauswertung müsste der gesamte Aktenbestand der jeweiligen Behörden ausgewertet werden, was in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie hat sich der Senat sich in der 958. Bundesratssitzung sich zum TOP 3 (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz) für die FHH verhalten? Wie 1 Vergleiche http://www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/bankgeheimnis-abgeschafftsteuerzahler -geldwaesche-100.html. 2 Vergleiche https://www.heise.de/newsticker/meldung/EU-Staaten-fordern-einheitliche-Bargeld- Obergrenze-3103321.html sowie https://www.bundestag.de/presse/hib/2017_04/-/504366 & https://ec.europa.eu/info/consultations/eu-initiative-restrictions-payments-cash_de. 3 Vergleiche http://daten.transparenz.hamburg.de/Dataport.HmbTG.ZS.Webservice. GetRessource100/GetRessource100.svc/b107d244-414a-492b-8d6f-2c18f6279e81/Upload__ Abstimmverhalten_Hamburgs_im_Bundesrat_-_958._Sitzung_am_02.06.2017.pdf. Drucksache 21/9923 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 hat er mithin in der eigentlichen Sache sowie in Bezug auf den vom Finanzausschuss vorgelegten Entschließungsantrag abgestimmt? Der Bundesrat hat dem Gesetz mit den Stimmen Hamburgs zugestimmt und die Entschließung in Ziffer 2 mit den Stimmen Hamburgs gefasst. 2. Wie viele Kontenabrufe wurden in den Jahren 2015 bis 2017 durch Dienststellen der FHH (inklusive Jobcenter) durchgeführt? Wie viele davon seit Inkrafttreten des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes am 25.06.2017? a. Jeweils wie viele davon betrafen natürliche Personen? b. Jeweils wie viele davon betrafen juristische Personen? (Bitte jahresweise auflisten.) 3. Wie viele der Abrufe wurden jeweils von Sozial- beziehungsweise Arbeitsämtern, von BAföG-Ämtern, von Finanzämtern, von Strafverfolgungsbehörden sowie von Gerichten respektive Gerichtsvollziehern gestartet? Welche sonstigen Dienststellen haben jeweils wie viele Abrufe gestartet? (Bitte jahresweise nach genannten, die Daten abfragenden Dienststellenkategorien differenzieren.) Zu den vom Bundeszentralamt für Steuern erledigten Kontenabrufen gemäß § 93 Abgabenordnung siehe Anlage 1. Für Zeiträume nach Inkrafttreten des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes liegen noch keine Daten vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 4. In jeweils wie vielen Fällen führten die Kontenabrufe in den genannten Jahren zu weiteren Nachforschungen? a. Wie viele Auskunftsersuchen zum Beispiel über Depotbestände, Kontostände und -bewegungen wurden dabei von Hamburger Dienststellen jeweils direkt an Kreditinstitute gerichtet? b. In wie vielen Fällen wurden in den genannten Jahren in der FHH richterliche Beschlüsse erwirkt, um weitergehende Daten zum Beispiel über Depotbestände, Kontostände und -bewegungen zu erheben ? Die bezirklichen Fachämter für Grundsicherung und Soziales haben im Jahr 2016 in einem Fall Auskunftsersuchen an Kreditinstitute gerichtet. Richterliche Beschlüsse wurden in keinem Fall erwirkt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Jeweils wie viele Fälle von Sozialleistungsbetrug, Steuerbetrug/-hinterziehung sowie von Geldwäsche wurden in den Jahren 2015 – 2017 in der FHH rechtskräftig festgestellt? (Bitte jahresweise auflisten.) Hinsichtlich der Fälle von Verurteilungen (verurteilte Einzelpersonen) wegen Betrugs, Geldwäsche und Steuerhinterziehung siehe Anlage 2. Weitere Differenzierungen ergeben sich aus der Justizstatistik nicht. Für das Jahr 2017 liegen noch keine Daten vor. 6. Welche Veränderungen wurden in Dienst- oder Fachanweisungen oder sonstigen „Handlungsleitfäden“ der FHH hinsichtlich der Nutzung von Kontenabrufen seit 2015 jeweils wann vorgenommen? Keine. 7. Wurden seit 2015 durch Behörden- oder Amtsleitungen mündlich oder schriftlich Anweisungen bezüglich einer (verstärkten) Nutzung der Möglichkeit von Kontenabrufen erteilt? Wenn ja, jeweils wann durch jeweils wen und was besagten diese? Schriftlichen Anweisungen wurden nicht erteilt. Entsprechende mündliche Anweisungen sind der zuständigen Behörde nicht bekannt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9923 3 Anlage 1 2015 2016 2017 (bis einschl. Juni) Finanzämter 3.577 3.312 1.961 Grundsicherung für Arbeitssuchende (Sozialgesetzbuch (SGB II) 662 575 419 Sozialhilfe (SGB XII) 0 2 0 Gerichtsvollzieher 4.835 5.141 5.386 Drucksache 21/9923 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage 2 Verurteilte 2015 2016 § 261 Abs. 1 StGB Geldwäsche - Verschleierung unrechtsmäßig erlangter Vermögenswerte 9 9 § 261 Abs. 2 StGB Geldwäsche - Verschaffen, Verwahren und Verwenden unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte 1 1 § 261 Abs. 4 StGB Besonders schwerer Fall der Geldwäsche 0 2 § 261 Abs. 5 StGB Leichtfertige Geldwäsche 9 20 § 263 Abs. 1 StGB Betrug 1.499 1.626 § 263 Abs. 3 und 5 StGB Schwerwiegende Fälle des Betrugs 132 134 § 370 Abgabenordnung 331 330