BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9928 21. Wahlperiode 01.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Ovens (CDU) vom 25.07.17 und Antwort des Senats Betr.: Die große Nachverdichtung in Lokstedt – Was sagt der Senat dazu? Lokstedt ist ein beliebter und bislang relativ grün bewachsener Stadtteil, ein Idyll dicht an der Innenstadt. In den letzten Jahren sind hier zahlreiche größere Neubauprojekte entstanden, die den Charakter des Stadtteils verändern. Die geplanten Bauten der Hamburger Lehrer-Baugenossenschaft eG und der Baugenossenschaft der Buchdrucker eG im Rimbertweg sowie die Planungen der Wohnungsbaugenossenschaft KAIFU-NORDLAND eG im Ansgarweg stoßen seit Bekanntwerden im letzten Sommer bei immer mehr Anwohnern auf Skepsis. Nach bisherigem Planungsstand werden unter anderem Grünflächen verbaut und vorgegebenen Geschossflächenzahlen (GFZ) missachtet – was die Lebensqualität im Quartier stark einschränkt. Bei den geplanten Projekten ist zudem ein einheitlich gesteuertes Gesamtkonzept seitens der Stadt nicht ersichtlich. Schon vor einem Jahr wurde der Senat auf die Probleme der geplanten Nachverdichtung hingewiesen (Drs. 21/5328), jedoch hat sich die Situation bis jetzt nicht verbessert. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Zur Versorgung der Hamburgerinnen und Hamburger mit angemessenem und bezahlbarem Wohnraum unternimmt der Senat große Anstrengungen und hat hierzu ein umfassendes Wohnungsbauprogramm aufgestellt. Zur Umsetzung werden in allen Hamburger Stadtteilen Flächen für Wohnungsneubau geprüft und mobilisiert. Die Priorität liegt bei der Innenentwicklung, also einer Nachverdichtung bestehender innerstädtischer Flächen, die bislang nicht für den Wohnungsbau genutzt wurden. Damit soll ein gezielter ressourcensparender und effizienter Umgang der wachsenden Stadt mit den Flächenbedarfen ermöglicht werden. Durch eine Erhöhung der baulichen Dichte lassen sich die häufig sehr gute Infrastrukturversorgung, zum Beispiel mit Einzelhandel , Ärzten, öffentlichem Nahverkehr, Kindergärten und Schulen, aufrechterhalten beziehungsweise besser nutzen und städtische Qualitäten, wie zum Beispiel Nutzungsvielfalt und lebendige Straßenzüge, steigern. Dabei können auch zusätzliche Angebote geschaffen werden. So profitieren nicht nur die neuen, sondern auch die vorhandenen Bewohnerinnen und Bewohner. Mit dieser Innenverdichtung wird die Inanspruchnahme anderer, insbesondere größerer Grünflächen, begrenzt und damit der Anspruch, „Grüne Stadt“ zu sein, unterstützt. Die langfristige Strategie „Mehr Stadt in der Stadt“ entspricht dieser Priorität. Ergänzt wird dies durch das Konzept „Mehr Stadt an neuen Orten“. Die Bezirke identifizieren Baupotenziale und beschreiben diese in ihren Wohnungsbauprogrammen . Die Fachbehörden prüfen, ob die von den Bezirken benannten Flächen und Planungsziele den Zielen des Senats entsprechen. Projekte ohne gesamtstädtische Bedeutung werden von den Bezirken in eigener Zuständigkeit geplant. Die Drucksache 21/9928 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Einbindung der Fachbehörden erfolgt bei Wettbewerben nach Bedarf, allerdings regelhaft im Rahmen von Bauleitplanungen, sofern diese erforderlich werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wer ist seitens des Senats oder der zuständigen Behörde für die Betreuung der oben genannten Projekte zuständig? Bitte einen konkreten Ansprechpartner angeben. Zuständig ist das Bezirksamt Eimsbüttel. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Inwieweit war die Stadt Hamburg in das Ausschreibungsverfahren und den Architektenwettbewerb involviert? Für das Gebiet am Rimbertweg Nummer 19 und Nummer 21 in Lokstedt hat von Oktober 2016 bis März 2017 ein eingeladener einphasiger städtebaulich-hochbaulicher Realisierungswettbewerb stattgefunden. Der Wettbewerb wurde von der Lehrer-Baugenossenschaft eG und der Baugenossenschaft der Buchdrucker eG im Einvernehmen mit dem zuständigen Bezirksamt, Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung , ausgelobt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Inwieweit wurde ein umfangreiches Bürgerbeteiligungsverfahren angestrebt ? Für das Vorhaben Rimbertweg: Es wurden bereits sehr frühzeitig Bürgerinnen und Bürger an der Planung beteiligt: Zu Beginn der Planung fand am 29. März 2016 in Lokstedt eine Informationsveranstaltung der Lehrer-Baugenossenschaft eG und der Baugenossenschaft der Buchdrucker eG statt. Eingeladen waren die Mieter der Häuser Rimbertweg 19 und 21 und die Anwohner aus dem Umfeld sowie die südlich benachbarten Kleingärtner. Es waren circa 80 Personen anwesend. Im Preisgericht des Wettbewerbs waren mehrere Bürgerinnen und Bürger (ohne Stimmrecht) vertreten. Für das Vorhaben Ansgarweg: Es fanden Informationsveranstaltungen der Wohnungsbaugenossenschaft KAIFU- NORDLAND eG für die Genossenschaftsmitglieder am 7. Juni 2017 und für die Anwohnerinnen und Anwohner am 8. Juni 2017 statt. Im folgenden Bebauungsplanverfahren werden weitere Beteiligungsverfahren (öffentliche Plandiskussion, öffentliche Auslegung) durchgeführt. 4. War ein ausgebildeter Raumplaner für das Bürgerbeteiligungsverfahren verantwortlich beziehungsweise hier eingebunden? Wenn nein, warum nicht? 5. Waren sonst ausgebildete Raumplaner an dem Projekt beteiligt? Ja, es war städtebauliche-raumplanerische Kompetenz eingebunden. 6. Wie kann es sein, dass für das Projekt am Rimbertweg 19 – 21 ein Konzept ausgewählt wurde, das die vorgegebene GFZ um mehr als 0,3 übersteigt? Die Obergrenzen der städtebaulichen Nutzungsdichte sind in §17 Baunutzungsverordnung aufgeführt. Diese Obergrenzen können im Bebauungsplan „aus städtebaulichen Gründen überschritten werden, wenn die Überschreitung durch Umstände ausgeglichen ist oder durch Maßnahmen ausgeglichen wird, durch die sichergestellt ist, dass die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beeinträchtigt werden und nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden werden .“ Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9928 3 7. Mit welcher Begründung wurde der erste Entwurf des Sieger-Teams nochmals überarbeitet, sodass nun alle Kennzahlen nach oben korrigiert wurden (auch die GFZ von 1,41 auf 1,55)? Für die Überarbeitung wurde auf Empfehlung der Wettbewerbsjury eine Mindestwohnfläche vorgegeben, um die Vergleichbarkeit der beiden Entwürfe herzustellen. Der erste Entwurf von STOY Architekten hatte weniger Wohnungen als der Entwurf des Architekten, der auch zur Überarbeitung aufgefordert wurde. 8. Gibt es für alle geplanten und vergangenen Projekte in diesem Bereich einen verantwortlichen Koordinator seitens der Stadt, der zwischen den Bauprojekten vermittelt und gegebenenfalls eingreift? a. Wenn ja, wer ist dafür zuständig? b. Wenn nein, warum nicht? Ja, siehe Antwort zu 1. 9. Bei den geplanten fünfgeschossigen Bauten mit Staffelgeschoss werden die umliegenden Bungalows und Reihenhäuser deutlich überragt und verschattet. Wie bewertet dies der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde? Die geplanten Gebäude des Entwurfs am Rimbertweg sind viergeschossig mit Staffelgeschoss . Sie überragen die ein- bis zweigeschossigen Bungalows und Reihenhäuser , fügen sich aber mit ihrer Struktur und Höhenentwicklung in das Umfeld gut ein, das überwiegend aus vier- bis zehngeschossigen Gebäuden besteht. Die Verschattung der angrenzenden Bestandsgebäude bleibt weit hinter dem zurück, was im innenstadtnahen Bereich üblich ist. 10. Wie lautet die Begründung der Wettbewerbsjury für die Wahl des Konzepts der STOY-Architekten? Warum wurde ein Konzept ausgewählt, bei dem die vorgegebenen Parkplatzanforderungen nicht erfüllt werden? Die Wettbewerbsjury kam bezüglich des Siegerentwurfes von STOY Architekten zu der Auffassung, dass es den Verfassern gelingt, vier Häuser so in das heterogene Umfeld zu integrieren, dass maßstäbliche Freiräume unterschiedlicher Prägung zwischen den Bestands- und den Neubauten entstehen. Ein angemessen kleiner Quartiersplatz liegt gut platziert an zentraler Stelle. Die viergeschossigen Gebäude mit Staffelgeschoss nehmen städtebauliche Bezüge geschickt auf und korrespondieren in ihrer Setzung mit der Umgebung. Die Anforderungen an öffentliche Parkplätze sind keine strikten Vorgaben, sondern werden in Abwägung mit dem jeweiligen Konzept getroffen. Zudem ist die Prüfung, wie viele öffentliche Parkplätze entstehen werden, mit dem Wettbewerb noch nicht abgeschlossen. Dies wird final im Bebauungsplanverfahren entschieden. 11. Auf Nachfrage gab der Senat an (Drs. 21/5328), dass er „regelhaft“ die sozialen Belange, wie schulische und soziale Infrastruktur, prüft. Was hat die letzte Prüfung seitens des Senats für diesen Bereich ergeben? Wann wurde diese durchgeführt? Wer war/ist dafür verantwortlich? Wann ist die nächste Prüfung vorgesehen? Diese Belange werden regelhaft in jedem Bebauungsplanverfahren geprüft, zuständig sind die für Schule zuständige Behörde beziehungsweise die für Soziales zuständige Behörde. Die nächste Prüfung wird im anstehenden Bebauungsplanverfahren durchgeführt . Das letzte Bebauungsplanverfahren in Lokstedt, bei dem dies geprüft wurde, war Lokstedt 65/Stellingen 68 und Lokstedt 66 im Rahmen der Grobabstimmung im April 2016. Die Prüfung seitens der für Soziales zuständigen Behörde hat für den Bereich einen Kita-Bedarf von 60 Plätzen ergeben, die Prüfung seitens der für Schule zuständigen Behörde hat ergeben, dass ein zusätzlicher Grundschulbedarf besteht, der anteilig durch das genannte Vorhaben ausgelöst wird. Drucksache 21/9928 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 12. Inwieweit werden Verluste von Bäumen und Grünanlagen bei diesen Projekten insgesamt beziehungsweise vor Ort im Interesse der betroffenen Anwohner kompensiert? Sämtliche grünplanerischen Belange sowie ein möglicher Verlust von Bäumen werden im Bebauungsplanverfahren bewertet, Eingriffe werden gegebenenfalls ausgeglichen. 13. Was hatte es mit den vergangenen Straßenbauarbeiten im Lohkoppelweg sowie in der Max-Tau-Straße und der Emil-Andresen-Straße auf sich? a. Was wurde hier genau gemacht? Es wurden Fernwärmeleitungen verlegt, die die Bauvorhaben im Bereich der Julius- Vosseler-Straße an das Fernwärmenetz anschließen sollen. b. Warum wurden die Arbeiten nicht bei den Straßenbauarbeiten in den vergangenen Jahren gleich miterledigt? c. Wurden diese Arbeiten übergeordnet koordiniert? Wenn ja, von wem? Wenn nein, warum nicht? Der Bezirk als Träger der Wegebaulast informiert die Versorgungsunternehmen zeitnah über seine Straßenbauvorhaben. So haben die Unternehmen Gelegenheit, ihre Maßnahmen in den zeitlichen Ablauf der Straßenbaumaßnahmen zu integrieren. Dem Träger der Wegebaulast sind die Gründe des Versorgungsunternehmens nicht bekannt, warum eine Anmeldung des Vorhabens nicht erfolgte.