BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9939 21. Wahlperiode 01.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Grunwaldt (CDU) vom 26.07.17 und Antwort des Senats Betr.: Erhält inzwischen jeder Flüchtling mit Bleibeperspektive zeitnah den benötigten Platz in einem Deutschkurs? Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Diese Aussage gilt als unbestritten. War die Versorgung der Flüchtlinge mit ausreichend Deutschkursen im vergangenen Jahr noch in den Medien ein weit verbreitetes Thema, so spielt es inzwischen kaum noch eine Rolle. Doch heißt das, dass alle Flüchtlinge, die einen Deutschkurs benötigen, auch einen bekommen? Zwar fragt die CDU allmonatlich die Zahlen der Flüchtlinge ab, die bis dahin im Laufe dieses Jahres einen Deutschkurs absolviert haben, doch da der rot-grüne Senat nicht in der Lage ist, zeitnah die Teilnehmerzahlen für Hamburg vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einzufordern, gibt es bestenfalls Informationen darüber, was das Land in diesem Bereich leistet. Einen Gesamtüberblick über Angebot und Nachfrage des laufenden Jahres, wie ihn die CDU bereit im Mai 2016 gefordert hat (Drs. 21/4430), gibt es bis heute nicht. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Zur Systematik der Sprachförderung in Hamburg hat der Senat wiederholt Stellung genommen (siehe insbesondere Drs. 21/4566, aber auch zum Beispiel Drs. 21/2868). Dort hat der Senat auch dargelegt, dass das BAMF grundsätzlich keine Aussagen zu Bedarfsplanungen trifft, da das Integrationskurssystem flexibel und nachfrageorientiert aufgebaut und mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet sei. Seit dem 01.07.2017 haben Geflüchtete mit unklarer Bleibeperspektive mit den neuen Erstorientierungskursen (EOK) des BAMF erstmalig die Gelegenheit, sowohl wesentliche Informationen über das Leben in Deutschland als auch erste Deutschkenntnisse zu erhalten. Das BAMF hatte den Ländern Gelegenheit gegeben, die Träger auf Grundlage der konkreten Bedarfe vor Ort über ein Ausschreibungsverfahren selbst auszuwählen. Das Verfahren wurde in Hamburg mit Mitteilung der BASFI an das BAMF vom 02.06.2017 abgeschlossen. Zusammen mit den Integrationskursen des BAMF und dem landesfinanzierten Sprachförderprogramm „Deutschkurse für Flüchtlinge“ wird somit erstmals sichergestellt , dass alle Geflüchteten – mit Ausnahme der Asylsuchenden aus den sicheren Herkunftsländern – flächendeckend ein professionelles Sprachförderangebot erhalten. Dieses wird durch ehrenamtliche Angebote ergänzt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Angaben der Hamburger Volkshochschule (VHS), des Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) und der Agentur für Arbeit (BA) wie folgt: 1. Liegt dem Senat inzwischen eine Art Bedarfsanalyse über Art und Umfang der benötigten Plätze für Flüchtlinge in Deutschkursen vor? Wenn ja, was besagt diese? Drucksache 21/9939 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Wenn nein, warum nicht? 2. Gibt es inzwischen Wartelisten für Deutschkurse, damit erkennbar ist, innerhalb von welchem Zeitraum die Versorgung mit einem Deutschkursplatz erfolgt? Wenn ja, was besagt die Liste? Wenn nein, warum gibt es sie nicht? 3. Im Sozialausschuss am 11. Mai 2017 kündigte der Senat an, dass es ab dem 1. Juli 2017 ein „flächendeckendes System zur Sprachförderung für Geflüchtete gebe, mit Ausnahme derjenigen, die aus sicheren Herkunftsländern kämen“. Was genau ist mit „flächendeckend“ gemeint, wie erfolgte durch wen die Umsetzung und erfolgte die Umsetzung zum gewünschten Termin? Siehe Vorbemerkung. 4. „Die Einsteuerung werde zunehmend direkt im Ankunftszentrum vorgenommen “, hieß es weiter. Welche Stelle im Ankunftszentrum übernimmt die Einsteuerung wohin angesichts welcher Voraussetzungen und was bedeutet das für Jugendberufsagentur, Jobcenter, Agentur für Arbeit und W.I.R? Im Rahmen eines neuen Modellprozesses, welcher vom BAMF im Saarland und in Hamburg seit Frühjahr 2017 erprobt wird, steuert das BAMF neuankommende, integrationskursberechtigte Geflüchtete direkt im Ankunftszentrum in Integrationskurse. Integrationskursberechtigten Asylsuchenden wird hier bei der Asylantragstellung oder Anhörung eine Teilnahmeberechtigung vom BAMF ausgestellt. Sie erhalten einen Termin für die zentrale Test- und Meldestelle zur Durchführung der Einstufungstests, welche sich in der Sachsenstraße befindet. Nach dem Einstufungstest werden sie für die Teilnahme an einem Integrationskurs angemeldet und ein passender Kursplatz wird reserviert. Bis zur Einmündung in einen Kurs sollen nicht mehr als sechs Wochen vergehen. Die Verpflichtung zur Teilnahme im Integrationskurs erfolgt weiterhin durch Ausländerbehörde und Jobcenter. Schon länger hier lebende Integrationskursberechtigte, die von der Ausländerhörde zur Kursteilnahme verpflichtet werden, erhalten mit der Verpflichtung ebenso einen Termin für die neue, zentrale Test- und Meldestelle des BAMF, von wo aus auch für diese Gruppe die Anmeldung und Reservierung eines passenden Integrationskursplatzes erfolgt. Ab 15. August soll dieses Verfahren auch für schon länger hier lebende Personen gelten, die vom Jobcenter eine Verpflichtung erhalten haben. Alle in der Fragestellung genannten Institutionen, insbesondere Ausländerbehörde und Jobcenter, werden hierdurch in ihrer Beratungs- und Vermittlungstätigkeit entlastet . 5. Verfügt der Senat inzwischen über die Information, wie viele Plätze in Integrationskurse für jeweils welche Zielgruppen das BAMF im laufenden Jahr anbietet? Wenn ja, wie viele davon sind für Flüchtlinge und deckt das Angebot die Nachfrage? Wenn nein, warum stimmen sich Senat und BAMF immer noch nicht besser ab? Siehe Vorbemerkung. 6. Für Flüchtlinge mit unsicherer Bleibeperspektive bietet Hamburg als Land eigene Kurse an. Hierzu hieß es im Sozialausschuss: „Eine Kalkulation habe ergeben, dass diese Zahl vielleicht nicht ausreiche, um jeden Geflüchteten mit unsicherer Bleibeperspektive zu versorgen, so dass man die Entscheidung getroffen habe, mit landesfinanzierten Kurse aufzustocken . Die Länder selbst hätten ausgeschrieben und das Auswahlverfahren sei noch nicht abgeschlossen.“ Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9939 3 a) Wie viele Plätze waren jeweils bei welchem Träger im Jahr 2017 vorgesehen? b) Aus welchen Gründen hat sich der Senat für eine Aufstockung entschieden ? c) Auf wie viele Plätze im Jahr 2017 wird aufgestockt? d) Was hat die Ausschreibung ergeben? Die im Sozialausschuss getroffenen Aussagen bezogen sich auf das neue Angebot der Erstorientierungskurse des BAMF. Das BAMF hat hierfür zunächst bis zu 51 Kurse bis Ende 2017 mit insgesamt maximal 1.275 Plätzen geplant, die sich gleichmäßig auf drei Träger verteilen. Dies sind die Hamburger Volkshochschule (im Trägerverbund mit IBH e.V., Bilim sowie Estudio Espanol) und die SBB Kompetenz gGmbH (im Trägerverbund mit KOM gemeinnützige Gesellschaft für berufliche Kompetenzentwicklung mbH und Grone Netzwerk Hamburg GmbH) sowie die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. Eine Aufstockung der vorhandenen Plätze für 2017 ist nach jetziger Einschätzung nicht erforderlich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 7. Viele Flüchtlinge benötigen auch noch nach erfolgreicher Vermittlung in eine Ausbildung oder Arbeitsstelle eine Sprachförderung. a) Wie viele Plätze werden im laufenden Jahr in diesem Bereich durch wen angeboten? b) Wie erfolgt durch wen die Vermittlung? c) Wie viele der derzeit aktuell zur Verfügung stehenden Plätze sind auch derzeit besetzt? A. Sprachförderung während der Ausbildung In der dualen Ausbildung bieten die berufsbildenden Schulen ab dem Schuljahr 2017/ 2018 bedarfsdeckend integrierte und additive Sprachförderangebote an. Die Sprachförderangebote stehen allen neu zugewanderten Berufsschülerinnen und -schülern, die nach Einschätzung der Klassenkonferenz ein Sprachniveau unterhalb von B2 haben, zur Verfügung. Für diese Schülerinnen und Schüler ist die Teilnahme ab dem Schuljahr 2017/2018 nach Beschluss der Klassenkonferenz verpflichtend. Die integrierte Sprachförderung im Umfang von 80 Stunden innerhalb der Stundentafel des Berufsschulunterrichts ist regelhaft in der Unterrichtszeit verankert. Zur Wahrnehmung weiterer 80 Stunden additiver Sprachförderung innerhalb der betrieblichen Ausbildungszeit ist es erforderlich, dass die Betriebe ihre Auszubildenden zur Wahrnehmung des Kursangebotes freistellen. Hierzu stehen die Berufsschulen im Austausch mit den Ausbildungsbetrieben. B. Sprachförderung während der Beschäftigung - Berufsbezogene Sprachförderung Das Gesamtprogramm Sprache (GPS) des Bundes sieht im Anschluss an den abgeschlossenen Integrationskurs die Vermittlung in Berufssprachkurse (BSK) vor. Die Zuweisung erfolgt in der Regel über die Agentur für Arbeit oder die Jobcenter. 2.400 Personen nehmen derzeit an Berufssprachkursen in Hamburg teil (Stand 25.07.2017). Eine Teilnahme ist auch für Arbeitnehmer oder Auszubildende möglich. Die Deutschkurse haben als Ziel, die Chancen der Teilnehmenden auf dem Ausbildungs - und Arbeitsmarkt zu verbessern. Die berufsbezogene Deutschsprachförderung wurde entsprechend den Sprachniveaus nach dem GER modularisiert. Durch die Module kann der individuelle Sprachförderbedarf besser berücksichtigt und der Spracherwerb mit einer Berufsausbildung, einer Beschäftigung oder mit Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem SGB II und Maßnahmen nach dem SGB III kombiniert werden. Drucksache 21/9939 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 - Offenes Kursprogramm der Volkshochschule Hamburg (VHS) Geflüchtete Menschen, die sich in Ausbildung oder Arbeit befinden, können begleitend Sprachkursangebote an der VHS im allgemein offenen Kursprogramm Deutsch als Fremdsprache auf den Niveaustufen A1 – C2 wahrnehmen. Im offenen Kursangebot sind für 2017 insgesamt 260 Kurse mit 5.200 Kursplätzen (Belegungen) geplant. Von Januar bis Ende Juli 2017 waren davon 2.667 Kursplätze belegt. 198 Kursbelegungen wurden davon von Menschen wahrgenommen, die aus Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran und Syrien stammen. Der Flüchtlingsstatus wird nicht erhoben. - Betriebliche Qualifizierung Im Übrigen tragen auch die Betriebe die Verantwortung, die Beschäftigten zu fördern und gegebenenfalls entsprechende Förderunterstützung beim Regelsystem anzufragen . 8. Bei der 12. Integrationsministerkonferenz (IntMK) am 16. und 17. März 2017 war festgestellt worden, dass „der Bedarf an Lehrkräften für Integrationskurse , insbesondere im Bereich Alphabetisierung, das Angebot an Lehrkräften auf dem Arbeitsmarkt immer noch weit übersteigt und es daher insbesondere im Bereich der Alphabetisierungskurse aufgrund der hohen Nachfrage in vielen Städten und Regionen immer noch zu langen Wartezeiten für Interessenten kommt“. Welche Maßnahmen wurde ergriffen, um diesen Missstand zu beheben und zu wann wird er behoben sein? Siehe Drs. 21/8723.