BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9947 21. Wahlperiode 01.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein, Michael Kruse und Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 26.07.17 und Antwort des Senats Betr.: Akkreditierungsentzug und Sperrliste für 32 Journalisten während des G20-Gipfels Während des G20-Gipfels wurden insgesamt 32 Journalisten – teilweise trotz zunächst erteilter Akkreditierung – von der unmittelbaren Berichterstattung über den G20-Gipfel ausgeschlossen. Offenbar hatte das Bundeskriminalamt in Kooperation mit dem Bundespresseamt eine entsprechende Sperrliste („Blacklist“) erstellt. Hinsichtlich der Hintergründe, des zusätzlichen Erkenntnisgewinns der Behörden sowie der Gründe für die Ausschlüsse der betroffenen Personen erfolgten keine genauen Angaben. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte hat den Umgang mit diesen vertraulichen und sensiblen Daten gerügt. Die betreffenden Listen wurden als Handzettel an die Polizisten verteilt, sodass die alphabetisch sortierten Namen ohne größere Probleme von Dritten zumindest teilweise einsehbar waren. Darüber hinaus wurden Listen auch aus der Nähe gefilmt, sodass sich einzelne Namen unter anderem in Drehmaterial des ARD-Hauptstadtstudios wiederfanden und dabei gut lesbar waren. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Für die Bereiche der Veranstaltungsorte sowie für die Hotels, für die vom Bundeskriminalamt (BKA) Maßnahmen des Personen- beziehungsweise Objektschutzes veranlasst wurden, erfolgte eine Akkreditierung sämtlicher Journalisten und Service- Mitarbeiter. Für die Akkreditierung von Journalisten war das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA) federführend zuständig, für die Akkreditierung der Service-Mitarbeiter das BKA. Das BKA führt für eigene Bedarfe und für das BPA Personenüberprüfungen zum Zwecke des Personenschutzes unter Beteiligung weiterer Sicherheitsbehörden durch. Angaben zum Verfahren beziehungsweise zur Art der Erkenntnisse, die zum Ausschluss einzelner Personen während des G20-Gipfels oder eventuell schon im Vorhinein geführt haben, liegen der zuständigen Behörde nicht vor. Sie ist insofern auf die Übermittlung der Erkenntnisse und Angaben des BKA angewiesen. Das Bundesministerium des Innern wurde beteiligt, ein Antwortbeitrag ist nicht eingegangen. Siehe auch BT.-Drs. 18/13033 und 18/13146. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wann genau endete die Akkreditierungsfrist für Journalisten zum G20- Gipfel? Drucksache 21/9947 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 a. Wie viele Journalisten hatten sich bis dahin akkreditiert? In wie vielen Fällen wurde die Akkreditierung vor welchen Hintergründen abgelehnt? b. An welche ausländischen Sicherheitsbehörden wurden nach Kenntnis des Senats beziehungsweise zuständiger Dienststellen auf welcher Rechtsgrundlage personenbezogene Daten der Journalisten weitergeleitet? c. Wie viele Journalisten waren schließlich vor Ort? Siehe Vorbemerkung. 2. Jeweils wann genau erlangten jeweils welche Dienststellen der gastgebenden Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) sowie jeweils welche Vertreter von Senat und Staatsrätekollegium erstmals Kenntnis von einer Sperrliste, auf der Personen – insbesondere Journalisten – stehen, die trotz vorheriger Akkreditierung keinen Zutritt mehr zum Tagungsort des G20-Gipfels erhalten sollten? Die Polizei hat am 7. Juli 2017 um 14.24 Uhr durch direkte Kontaktaufnahme der Innenschutzwache des Bundeskriminalamtes (BKA) zu den vor Ort im Rahmen der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Michel tätigen Polizeikräften Kenntnis erlangt. Der Präses und der Staatsrat der Behörde für Inneres und Sport erhielten am Nachmittag des 7. Juli 2017 Kenntnis, dass einzelnen Journalisten die Akkreditierung durch das BKA entzogen wurde. Darüber hinaus wurden keine Vertreter des Senats beziehungsweise des Staatsrätekollegiums informiert. a. Wie viele Personen umfasste diese Liste? 82 Personen. b. Befanden sich darunter auch Personen aus dem Ausland? Wenn ja, wie viele? c. Für welche Medien beziehungsweise Agenturen arbeiteten die betroffenen Personen? 3. Existierte eine ähnliche Sperrliste bereits im Vorfeld des Gipfels im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens für diverse Service-Dienstleister und Journalisten? a. Wenn ja, seit wann? Wenn nein, warum nicht? b. Standen die Personen, denen die Akkreditierung nachträglich wieder entzogen wurde, auch auf dieser früheren Liste? Wenn nein, warum nicht? 4. Aus welchen Gründen ist es zu den nachträglichen Entziehungen der Akkreditierung und der Erstellung der entsprechenden Sperrliste gekommen? a. Wurde nach Kenntnisstand von Senat beziehungsweise zuständigen Dienststellen der FHH durch Geheimdienste Einfluss auf die Erstellung dieser Sperrliste genommen oder in sonstiger Form hierzu beigetragen? Wenn ja, durch welche Dienste? Welche ausländischen Dienste waren hierunter? b. Was wusste der Senat beziehungsweise was wussten zuständige Dienststellen ab jeweils wann über diese Hintergründe? Hierzu liegen der zuständigen Behörde keine Erkenntnisse vor. Darüber hinaus siehe Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9947 3 5. Wurden die beteiligten Einsatzkräfte vorab über die Sensibilität der Daten auf der Sperrliste aufgeklärt? a. Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wann und durch wen? Die Übergabe der Listen in Papierform durch das BKA an die eingesetzten Kräfte der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Michel erfolgte ohne Vorankündigung direkt an die an den Kontrollstellen eingesetzten Beamten. Über eine gesonderte Sensibilisierung durch die Kräfte des BKA liegen der zuständigen Behörde keine Informationen vor. Es gehört jedoch zu den Grundpflichten jedes Polizeibeamten, mit personenbezogenen Daten sensibel und zurückhaltend umzugehen . Für die Beantwortung müssten die entsprechenden Dienstpläne ausgewertet und die eingesetzten Kräfte – gegebenenfalls auch auswärtige Kräfte – konkret befragt werden . Dies ist in der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. b. Wie wurde sichergestellt, dass die an die Einsatzkräfte ausgeteilten Listen im Anschluss alle eingesammelt und datenschutzkonform vernichtet werden? Die ausgehändigten Listen wurden am 7. Juli 2017 ab 18.00 Uhr durch Innenschutzkräfte des BKA eingezogen beziehungsweise durch Kräfte des Einsatzabschnittes (EA) Objektschutz sowie des EA Veranstaltungsschutz datenschutzkonform an Polizeidienststellen vernichtet. c. Wie viele Personen hatten Zugriff auf die Daten? Wurde oder wird die Liste gelöscht? Die Einsatzkräfte, die an den Durchlassstellen mit Kontrollaufgaben betraut waren, sowie die Mitarbeiter des Führungsstabs der Polizei und der Befehlsstellen der EA der BAO Michel hatten Zugriff auf die Daten. Die Ermittlung der genauen Personenanzahl erfordert die Durchsicht der Dienstpläne sämtlicher EA der BAO Michel und eine Abfrage bei den Polizeien der eingesetzten auswärtigen Kräfte. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage Verfügung stehenden Zeit nicht möglich . Im Übrigen siehe Antwort zu 5. b. 6. Wie hat der Senat bislang aktiv dazu beigetragen, die Geschehnisse um den Akkreditierungsentzug und die Sperrliste für 32 Journalisten während des G20-Gipfels aufzuklären? 7. Welche Maßnahmen werden zudem durch den Senat getroffen, um den Hamburger Datenschutzbeauftragen bei dessen Untersuchungen dieser Vorgänge zu unterstützen? Wie ist der aktuelle Stand seiner Untersuchungen ? Dem Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBf- DI) werden von der zuständigen Stelle auch zu diesen Vorgängen im Rahmen ihrer Möglichkeiten gemäß der gesetzlichen Verpflichtung Auskünfte zu seinen Fragen und Einsicht in von ihm abgeforderte Unterlagen gegeben. Die vom HmbBfDI an das Justitiariat der Polizei herangetragenen Fragen konnten bislang (Stand: 27. Juli 2017) noch nicht beantwortet werden, da eine erstmals am 13. Juli 2017 vom BKA erbetene Zulieferung zur Erläuterung des Sachverhalts noch aussteht. Der HmbBfDI hat der Polizei Hamburg am 26. Juli 2017 für die Beantwortung seiner Fragen eine Frist bis zum 1. August 2017 gesetzt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit teilte nachstehenden Sachstand mit: Mit der zum 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Verfassungsänderung verfügt der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) über eine vom Senat unabhängige verfassungsrechtliche Stellung (Artikel 60a Verfassung Drucksache 21/9947 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 der Freien und Hansestadt Hamburg – HmbVerf). Anfragen nach Artikel 25 HmbVerf verpflichten jedoch ausdrücklich den Senat, der HmbBfDI unterliegt nicht der Pflicht zur Beantwortung. Die Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft haben das Recht, sich mit Anfragen direkt an den HmbBfDI zu wenden (Artikel 60a Absatz 4 HmbVerf). Vor diesem Hintergrund wird in der Regel von einer Stellungnahme oder einem Antwortbeitrag abgesehen. Da sich der zweite Teil der Frage Nummer 7. aber ausdrücklich an den HmbBfDI richtet und da das Thema von hohem öffentlichen Informationsinteresse ist, wird dennoch folgender Antwortbeitrag dazu erstellt: Der HmbBfDI hatte sich mit Schreiben vom 11., 12. sowie vom 13. Juli 2017 an die Polizei gewendet und um Beantwortung eines umfänglichen Fragenkatalogs gebeten. Mit Schreiben vom 13. Juli 2017 teilte die Polizei Hamburg mit, dass unter anderem wegen der Beteiligung des Bundeskriminalamtes (BKA) „mit einer derzeit nicht konkret bestimmbaren Bearbeitungsdauer bis zur Beantwortung Ihrer Fragestellungen“ gerechnet werden müsse. Die Bitte vom 14. Juli 2017, dem HmbBfDI die Erkenntnisse der Polizei Hamburg zukommen zu lassen, wurde am 17. Juli 2017 dahin gehend beantwortet, dass eine kurzfristige Mitteilung der Erkenntnisse und des Wissensstandes in Anbetracht der aktuellen Auftragslage nicht möglich sei. Hingewiesen wurde unter anderem auf die Vorbereitung der Sitzung des Innenausschusses am 19. Juli 2017. Mit Schreiben vom 26. Juli 2017 wurde der Polizei Hamburg eine Frist zur Beantwortung des Fragenkatalogs bis 1. August 2017 gesetzt. Parallel dazu hat der HmbBfDI sich an die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit mit der Bitte um Amtshilfe gewandt und diese um Mitteilung der zwischenzeitlich durch das Bundeskriminalamt erteilten Informationen gebeten. Es ist derzeit davon auszugehen, dass die Erstellung der Negativliste und die damit zusammenhängende Verarbeitung von personenbezogenen Daten in den Verantwortungsbereich des BKA fallen und der datenschutzrechtlichen Aufsicht durch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit unterliegen. Der offene Umgang mit der Negativliste und die Möglichkeit für Außenstehende, darin Einblick zu nehmen, widersprechen datenschutzrechtlichen Grundsätzen. Die datenschutzrechtliche Verantwortung hierfür wie auch für den Verbleib der Liste kann erst nach Beantwortung der offenen Fragen beurteilt werden. Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit wird eine abschließende Bewertung der Vorgänge unverzüglich vornehmen, sobald die erforderlichen Angaben vorliegen. 8. Gibt es Bemühungen seitens des Senats beziehungsweise zwischen Bund und Ländern, eine gesetzliche Rechtsgrundlage für einen einheitlichen und besser überprüfbaren Akkreditierungsvorgang insbesondere von Journalisten zu schaffen? Wenn ja, bitte kurz die Überlegungen dazu darstellen. Wenn nein, warum nicht? Nein. Der Arbeitskreis II der Innenministerkonferenz hat sich mit seinen Gremien in der Vergangenheit, insbesondere im Zusammenhang mit Großveranstaltungen, allgemein mit der Frage der Ausgestaltung von Akkreditierungsverfahren und gegebenenfalls damit zusammenhängenden Zuverlässigkeitsüberprüfungen befasst. Dabei besteht Konsens, dass ein Akkreditierungsverfahren nach willkürfreien und sachlichen Kriterien auszurichten ist.