BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9964 21. Wahlperiode 04.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Nebahat Güçlü (fraktionslos) vom 27.07.17 und Antwort des Senats Betr.: Zum Umgang mit Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft (MH/A) Am 30. Juli 2017 ist der Welttag gegen Menschenhandel. In Hamburg ist die Zahl der bekannt gewordenen Fälle von MH/A extrem niedrig. In den vergangenen fünf Jahren gab es offenbar nur einen Fall, der sich direkt auf MH/A bezog und auch aufgeklärt werden konnte. Fälle von MH/A bleiben unsichtbar und sind offenbar nur schwer nachweisbar. Das sollte aber nicht bedeuten , dass dieses Thema vernachlässigbar sei. Der Senat sollte MH/A stärker in den Blick nehmen und Maßnahmen zu seiner Bekämpfung entwickeln. Experten schätzen, das Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (§232 StGB) und zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft (§233StGB) in Europa zunehmen wird, unter anderem wegen der anhaltenden „Migrationskrise“.1 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Trotz umfangreicher Regelungen der Arbeits- und Sozialgesetzgebung kann auch in Deutschland Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeugung (MH/A) im Einzelfall nicht verhindert werden und bedarf der strikten Bekämpfung. Hierzu finden sowohl auf Bund-Länder-Ebene als auch auf lokaler Ebene intensive Diskussionen und Abstimmungen statt. Auf der Ebene des Austausches zwischen Bund und Ländern nimmt Hamburg sowohl an der bereits seit Längerem existierenden Arbeitsgruppe Menschenhandel des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend teil als auch an der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Februar 2015 eingesetzten Arbeitsgruppe Menschenhandel (hier Schwerpunkt: zum Zwecke der Arbeitsausbeutung) und berichtet auch gegenüber der Arbeits- und Sozialministerkonferenz. Auf lokaler Ebene organisiert die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) für Hamburg den „Runden Tisch Menschenhandel/Arbeitsausbeutung“. Daran nehmen regelmäßig Vertreterinnen und Vertreter der Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel e.V. (KOOFRA), der Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit (Träger: Arbeit und Leben e.V.), der BASFI (Opferschutz, Arbeitsmarkt), der Behörde für Inneres und Sport (BIS) und dem zuständigen Fachkommissariat „Allgemeine Wirtschaftsdelikte “ des Landeskriminalamts (LKA 53) sowie von Jobcenter team.arbeit.hamburg regelhaft teil. Bedarfsbezogen werden weitere Akteure eingeladen (zum Beispiel Staatsanwaltschaft, Einwohnerzentralamt). Hierdurch wurde ein effektives Kooperationsnetzwerk aufgebaut, das sowohl bei der Lösung von Einzelfällen als auch bei der Abstimmung von Handlungsstrategien die unterschiedlichen Expertisen und Perspektiven im Hinblick auf die Problematik Menschenhandel nutzt. 1 Vergleiche Europol (2016): Situation Report. Trafficking in human beings in the EU, Seite 4. Drucksache 21/9964 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 KOOFRA unterstützt und berät seit 1999 in Hamburg Opfer von Frauenhandel und Zwangsprostitution und kooperiert eng mit dem LKA. Seit dem Jahr 2014 hat die BASFI ihr Profil um die Zielgruppe der Opfer von MH/A erweitert (siehe Drs. 21/9958). Hierfür hat KOOFRA ein eigenes Konzept vorgelegt und eine Kooperationsvereinbarung mit der Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit (des Trägers Arbeit und Leben e.V.) geschlossen. Die bestehende Kooperationsvereinbarung mit dem LKA wird derzeit aktualisiert. Im Übrigen siehe auch Drs. 20/10994. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1) Wie bewertet der Senat die Entwicklung von MH/A in Hamburg in den vergangenen fünf Jahren? Die Datenlage ist bundesweit unsicher. Aktuelle Entwicklungen und veränderte Bedarfe werden regelhaft am Runden Tisch Menschenhandel/ Arbeitsausbeutung diskutiert. In der fachlichen Diskussion liegt derzeit ein besonderes Augenmerk auf Geflüchteten, die besonders gefährdet sein können, Opfer von Arbeitsausbeutung oder MH/A zu werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2) Welche Bemühungen gab es bislang seitens des Senats, mehr lokales Wissen zu der Thematik zu gewinnen? Siehe Vorbemerkung. Darüber hinaus wird in Hamburg zudem an der Akademie der Polizei für Studierende des Dienstzweiges Kriminalpolizei die Bekämpfung des Menschenhandels im Rahmen der Lehrveranstaltung „Organisierte Kriminalität“ behandelt. 3) Gibt es eine Strategie des Senats zur Bekämpfung MH/A? Falls ja, wie sieht diese aus? Falls nein, warum erachtet der Senat dies als nicht angebracht? 4) Welche Ansätze bestehen, um die Erreichbarkeit von Opfern von MH/A zu erhöhen? Neben den Abstimmungsprozessen und Vereinbarungen des „Runden Tisches Menschenhandel /Arbeitsausbeutung“ (vergleiche Vorbemerkung) ist die Koordinierungsstelle KOOFRA mit der regelmäßigen Umsetzung konkreter Maßnahmen zur Bekämpfung von MH/A beauftragt. Hierzu zählen insbesondere Vorträge und Schulungen, um verschiedene Akteure in Hamburg für die Problematik MH/A zu sensibilisieren. Außerdem werden Informationsmaterialien in insgesamt 35 Sprachen für Opfer von MH/A vorgehalten. Die Öffentlichkeitsarbeit von KOOFRA wurde im Zuge der Profilerweiterung an das Thema MH/A angepasst und für 2018 ist ein eigener Fachtag zu MH/A geplant, der von KOOFRA organisiert wird. Aus polizeilicher Sicht gibt es aufgrund des sehr niedrigen Fallaufkommens keine gesonderte polizeiliche Bekämpfungsstrategie. Die Polizei trifft im Rahmen ihrer Zuständigkeit alle straf- und gefahrenabwehrrechtlichen erforderlichen Maßnahmen. Die Staatsanwaltschaft betreibt Strafverfolgung in konkreten Einzelfällen bei Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für die Begehung einer verfolgbaren Straftat . Verlässliche Intervention der Strafverfolgungsbehörden bietet die Gewähr dafür, dass ein Einzelner, dessen Arbeitsbedingungen den Mindeststandard nachhaltig unterschreiten, bereits im Vorfeld eines MH/A Schutz und Hilfe erhält. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5) Welche Unterstützungsstrukturen und spezifischen Beratungsangebote gibt es derzeit für Betroffene von MH/A? Betroffene von Arbeitsausbeutung oder MH/A können sich in Hamburg an KOOFRA, das LKA 53 und auch an die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit wenden. Auch alle anderen Einrichtungen der Opferhilfelandschaft nehmen Bedarfe auf und vermitteln an die spezialisierte Beratung von KOOFRA und/oder das LKA. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9964 3 Zusätzlich berät das Bundeshilfetelefon Gewalt gegen Frauen (www.hilfetelefon.de) jederzeit und in verschiedenen Sprachen auch zur Problematik des Menschenhandels und vermittelt bei Bedarf an KOOFRA oder andere Hilfsangebote vor Ort. Die Polizei trifft individuelle Maßnahmen, die zum unmittelbaren Schutz von Betroffenen im Sinne der Fragestellung erforderlich und geeignet sind. Im Übrigen siehe Drs. 20/10994 und Antwort zu 3) und 4). 6) Wie wird die notwendige Sensibilisierung und Weiterbildung der Mitarbeiter /-innen in den Fachbehörden zum Thema MH/A gewährleistet? Siehe Antworten zu 2) sowie zu 3) und 4). Im Übrigen siehe Drs. 20/10994. 7) Sieht der Senat darüber hinaus Handlungsbedarf betreffend der Problematik von MH/A und wenn ja, welchen? Die beschriebenen Maßnahmen werden fortlaufend überprüft und in Abstimmung mit den betroffenen Akteuren weiterentwickelt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung sowie Antworten zu 1) sowie zu 3) und 4).