BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/9989 21. Wahlperiode 08.08.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dirk Nockemann, Prof. Dr. Jörn Kruse, Dr. Bernd Baumann und Detlef Ehlebracht (AfD) vom 01.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Qualifizierte ärztliche Bescheinigungen als Abschiebehindernisse Bei Abschiebungen wird gemäß § 60a Absatz 2c vermutet, dass gesundheitliche Gründe dieser nicht entgegenstehen. Ein abzuschiebender Ausländer muss gesundheitliche Gründe, die einer Abschiebung im Wege stehen, mittels einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung glaubhaft machen, die er der zuständigen Behörde gemäß Absatz 2d der Vorschrift „unverzüglich“ vorlegen muss. Bei Vorlage einer solchen Bescheinigung kann die Behörde eine ärztliche Untersuchung anordnen, der der Ausländer Folge zu leisten hat. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. In wie vielen Fällen scheiterte im Jahr 2016 und im bisherigen Verlauf des Jahres 2017 eine Abschiebung daran, dass die ausreispflichtige Person gesundheitliche Gründe gegen ihre Abschiebung vorbrachte? Welcher Staatsangehörigkeit waren die jeweiligen Personen und in welches Land sollte die Abschiebung jeweils erfolgen? Bitte einzeln aufzählen . Im Jahr 2016 wurden insgesamt 67 Maßnahmen am Tag der geplanten Durchführung aus Krankheitsgründen storniert. In 2017 waren es bislang 15 Maßnahmen. Hierbei handelt es sich um eine Betriebsstatistik, die keinen Rückschluss auf die Staatsangehörigkeit oder das Zielland zulässt. Darüber hinaus ist eine vergangenheitsbezogene Auswertung von Personen, die aufgrund von Krankheit nicht für eine Maßnahme vorgesehen waren, nicht möglich. 2. Wurden in all diesen Fällen qualifizierte ärztliche Bescheinigungen vorgelegt , die die Erkrankung glaubhaft machten? Wenn nein, in welchen Fällen nicht und weshalb nicht? Gesundheitliche Gründe, die einer Abschiebung entgegenstehen, finden als tatsächliches Abschiebungshindernis Berücksichtigung gemäß § 60a Absatz 2, Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). In allen Fällen liegen qualifizierte ärztliche Bescheinigungen im Sinne von § 60a Absatz 2c AufenthG vor. 3. Hat es in dem genannten Zeitraum Fälle gegeben, in denen der abzuschiebende Ausländer die qualifizierte ärztliche Bescheinigung verspätet , also nicht unverzüglich, vorgelegt hat, aber diese trotzdem berücksichtigt wurde? Wenn ja, in welchen Fällen aus welchen Gründen? Eine Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung begründet nach § 60a Absatz 2d AufenthG das Verbot, das Vorbringen zur Erkrankung noch zu berücksichtigen. Dieses Verbot gilt nicht, wenn der Ausländer Drucksache 21/9989 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert war oder anderweitige tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, bestehen. Die Anzahl der Fälle, in denen ärztliche Bescheinigungen verspätet vorgelegt werden, wird nicht erfasst. 4. In wie vielen Fällen in dem genannten Zeitraum hat der abzuschiebende Ausländer die qualifizierte ärztliche Bescheinigung erst unmittelbar am Tag der Abschiebung vorgelegt? Dies wird statistisch ebenfalls nicht erfasst. Das krankheitsbedingte Scheitern von Abschiebungen am Tag der Maßnahme zeichnet sich in der Regel dadurch aus, dass die Betroffenen zunächst mündlich auf eine Erkrankung hinweisen oder durch ihr Verhalten eine solche Schlussfolgerung erfolgen muss. In diesen Fällen wird ein Rettungswagen herbeigerufen, der die Betroffenen vor Ort untersucht und gegebenenfalls behandelt. Die Maßnahme wird abgebrochen, wenn die betroffene Person ins Krankenhaus eingeliefert werden muss. Darüber hinaus kann auch der Pilot der betroffenen Maschine oder die Bundespolizei die Maßnahme abbrechen. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 5. In wie vielen Fällen in dem genannten Zeitraum hat die zuständige Behörde nach Vorlage einer solchen Bescheinigung eine ärztliche Untersuchung angeordnet? 6. Gab es Fälle, in denen er betroffene Ausländer dieser Anordnung nicht Folge geleistet hat? Wenn ja, mit welcher Begründung und was war jeweils die Folge für das betreffende Abschiebeverfahren? 7. In den Fällen, in denen ärztliche Untersuchungen nach Vorlage einer Bescheinigung stattgefunden haben: Gab es Abweichungen zwischen der qualifizierten ärztlichen Bescheinigung und dem Untersuchungsergebnis ? Wenn ja, in wie vielen Fällen und wie sahen die Unterschiede jeweils aus? 8. In den Fällen, in denen eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung durch eine angeordnete ärztliche Untersuchung als unzutreffend erkannt wurde : Sind Anhaltspunkte festzustellen, dass bestimmte Ärzte sogenannte Gefälligkeitsatteste ausgestellt haben (beispielsweise dadurch zu vermuten , dass ein bestimmter Arzt mehrfach unzutreffende Bescheinigungen ausgestellt hat oder dass offensichtlich unzutreffende Krankheiten bescheinigt wurden)? Siehe Antwort zu 1. 9. Gibt es einen bestimmten Ärzte-Pool, auf den die Behörde bei der Anordnung ärztlicher Untersuchungen in Abschiebeverfahren zurückgreift ? Wenn ja, nach welchen Kriterien wurden diese Ärzte ausgewählt und weshalb hält die Behörde sie für besonders zuverlässig? Ja. Sowohl auf den ärztlichen Dienst des Einwohner-Zentralamtes als auch auf weitere Ärzte, die anhand ihrer fachlichen Qualifikation ausgewählt werden und zudem regelhaft auch Rückführungsmaßnahmen anderer Länder und der Bundespolizei begleiten. Darüber hinaus sind sie mit den Vorgaben der zuständigen Ausländerbehörde über den Vollzug von Abschiebungen vertraut. 10. Welche Rolle spielt der amtsärztliche Dienst in Abschiebeverfahren? Der amtsärztliche Dienst ist nicht involviert. 11. Welche Rolle spielt bei der Beurteilung der Bescheinigungen und bei einer etwaigen ärztlichen Untersuchung der ärztliche Dienst beim Einwohner -Zentralamt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/9989 3 Der ärztliche Dienst prüft die Qualifikation sowie die Plausibilität von Bescheinigungen und beurteilt, ob die Rückführung in ärztlicher Begleitung erfolgen muss.