Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 08.10.2014 betreffend Waldrodungen Windpark "Hallo" in Freiensteinau und Rolle der Behörden und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: Der Hessische Energieminister Tark Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und der Regierungspräsident des Regierungspräsidiums Gießen, Dr. Lars Witteck (CDU) haben zugesagt, im Rahmen eines sogenannten "Windfestes", das von einem besonderen Unterhaltungsprogramm (z.B. Fallschirmspringen von Windrädern) begleitet werden sollte, den Windpark "Hallo" der Firma Luftstrom in Freiensteinau (Vogelsbergkreis) am 21. September 2014 öffentlichkeitswirksam zu eröffnen. Gegen den weiteren Ausbau der Windkraft gibt es vor Ort massiven Widerstand von Bürgern und Bürgerinitiativen . Ein Aktionsbündnis vieler Bürgerinnen und Bürger hat deshalb aus Anlass der Windparkeröffnung unter dem Motto "Rote Karte für Al-Wazir" zu einer Protestveranstaltung am Tag der Eröffnung aufgerufen. Einige Tage vor Eröffnung des Windparks wurde bekannt, dass der Minister seine Teilnahme an der Veranstaltung abgesagt habe. Begründung der vermeintliche Vorzeigeinvestor - lauf eigenen öffentlichen Bekunden der Partei des Ministers eng verbunden - habe deutlich mehr Waldflächen gerodet, als genehmigt. Laut Berichten der regionalen Presse habe ein Vermessungsgutachten des Regierungspräsidiums Gießen ergeben , dass statt der genehmigten 4,1 Hektar (41.000 m²) Wald tatsächlich rund 7,3 Hektar (73.000 m²) abgeholzt wurden, also rund 3,2 Hektar (32.000 m²) oder 78 % mehr als zulässig waren. Auch seien danach der Oberen Forstbehörde seit Monaten die rechtswidrigen Rodungen bekannt gewesen und diese habe die zuständigen Stellen der Genehmigungsbehörde schriftlich über die möglicherweise genehmigungswidrigen Rodungen informiert. Schließlich hat der CDU Verband Freiensteinau alle Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme an der für den 21. September geplanten Veranstaltung unter dem Motto "Rote Karte für Al-Wazir" aufgerufen. Am 25. September 2014 hat Minister Al-Wazir im Hessischen Landtag erklärt, dass ein Verfahren wegen Verstoßes gegen Genehmigungsauflagen gegen den Investor eröffnet werde. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangerstellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt: Frage 1. Wie viel Waldfläche durfte der Investor entsprechend der Genehmigung des Regierungspräsi- diums für die Errichtung des Windparks roden? Entsprechend dem immissionsschutzrechtlichem Genehmigungsbescheid vom 18. Oktober 2012 des Regierungspräsidiums Gießen durften 40.660 m² Wald gerodet werden. Frage 2. Wie viel Waldfläche hat der Investor tatsächlich für die Errichtung der sieben Windkraftanlagen abgeholzt? Eine Vermessung wird durch die für das Ordnungswidrigkeitsverfahren zuständige Obere Forstbehörde des Regierungspräsidiums Darmstadt durchgeführt. Aufgrund des laufenden Ordnungswidrigkeitsverfahrens können hierzu noch keine Angaben gemacht werden. Die Ergebnisse des Verfahrens sind abzuwarten. Frage 3. Seit wann ist den Behörden des Landes Hessen bekannt, dass es zu Verstößen gegen die Geneh- migungsauflagen im Rahmen der Rodungen gekommen ist und wie wurden diese den Behörden zur Kenntnis gebracht? Mit Email vom 4. September 2013 informierte das Unternehmen "Luftstrom" die zuständige Genehmigungsbehörde beim Regierungspräsidium Gießen über abweichende bzw. zusätzlich erfolgte Eingriffe gegenüber dem Genehmigungsbescheid. Eingegangen am 8. Januar 2015 · Ausgegeben am 13. Januar 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1008 08. 01. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1008 Das Regierungspräsidium Gießen hat gegenüber der Firma auf Einhaltung der Auflagen des Genehmigungsbescheides vom 18. Oktober 2012 bestanden sowie aktuelle Unterlagen eingefordert . Am 9. Mai 2014 hat eine Überprüfung durch das Forstamt Schotten als Untere Forstbehörde Abweichungen bei den Rodungsflächen ergeben, die am gleichen Tage an die Obere Forstbehörde beim Regierungspräsidium Gießen gemeldet wurden. Mit Schreiben vom 22. Mai 2014 hat die Obere Forstbehörde der Firma Luftstrom eine Frist bis zum 25. August 2014 gesetzt, Flächenvermessungen über die genutzten Flächen vorzulegen. Nach nochmaliger Aufforderung der Oberen Forstbehörde vom 2. September 2014 hat die Firma Luftstrom die Vermessungsprotokolle am 8. September 2014 vorgelegt. Am 11. September 2014 hat die Obere Forstbehörde beim Regierungspräsidium Gießen aufgrund von Abweichungen bei den Rodungsflächen eine Ordnungswidrigkeit bei dem Regierungspräsidium Darmstadt als Obere Forstbehörde (zuständige Verwaltungsbehörde nach § 29 Abs. 5 Hessisches Waldgesetz) angezeigt. Frage 4. Welche Sofortmaßnahmen wurden bei Bekanntwerden von möglichen unzulässigen Rodungen er- griffen, insbesondere um Beeinträchtigungen für Natur und Umwelt zu begrenzen? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Frage 5. Wer überwachte und kontrollierte die Durchführung der Rodungen? Die eigenverantwortliche Bauüberwachung erfolgte durch die Planungsgruppe Grün GmbH. Die Einschlagsmaßnahmen wurden von einem Unternehmer durchgeführt, der direkt von der Gemeinde Freiensteinau beauftragt worden ist. Die Maßnahmen des Holzeinschlags wurden von einem Mitarbeiter des Landesbetriebes Hessen-Forst Forstamt Schotten überwacht und kontrolliert . Die Gemeindewaldflächen von Freiensteinau werden von Hessen-Forst beförstert. Frage 6. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um Genehmigungsauflagen wirksam umzusetzen? Auf die Antworten zu den Fragen 3 und 4 wird verwiesen. Frage 7. Welche Strafen drohen dem Investor aufgrund möglicher rechtswidriger Rodungen und wie soll der entstandene Schaden an Natur und Umwelt ersetzt werden? Im Falle eines Verstoßes gegen § 59 Abs. 1 Ziffer 2 Hessisches Forstgesetz (HForstG) oder gegen § 29 Abs. 2 Ziffer 2 des Hessischen Waldgesetzes (HWaldG) kann ein Bußgeld bis zu einer Höhe von 100.000 € festgesetzt werden. Da das Anhörungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, kann zur Höhe des gegebenenfalls zu verhängenden Bußgeldes derzeit keine abschließende Aussage getroffen werden. Frage 8. Seit wann wussten Regierungspräsident Dr. Witteck und Minister Al-Wazir von möglicherweise rechtswidrigen Rodungen? Herr Regierungspräsident Dr. Witteck wusste seit dem 18. August 2014 (Information durch die Stabstelle PÖR) von den möglicherweise rechtswidrigen Mehrrodungen. Am 19. August 2014 wurde das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung durch die zuständige immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde auf die Rodungssituation hingewiesen. In mehreren Gesprächen mit der zuständigen Forstbehörde und der Genehmigungsbehörde wurde der Sachverhalt erörtert. Dem Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wurde mitgeteilt, dass eine finale Bewertung der Mehrrodung durch die Fachbehörden frühestens am 12. September 2014 erfolgen konnte (Fristsetzung). Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1008 3 Frage 9. Wie erklärt die Landesregierung, dass Landesbehörden laut den Berichten der regionalen Presse anscheinend schon seit Monaten von Verstößen gegen Genehmigungsauflagen im Zusammenhang mit Rodungen wussten und Minister Al-Wazir und Regierungspräsident Dr. Witteck trotzdem ihre Teilnahme an der Eröffnung zusagten resp. die Zusage aufrechterhielten und erst nach Ankündigung von Protesten die Teilnahme an der Veranstaltung sehr kurzfristig absagten? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. Frage 10. Welche direkten Kontakte gab es zwischen dem, Investor und Vertretern des Hessischen Ministe- riums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung? Im Zuge der Sachverhaltsermittlung, die im Zusammenhang mit der Windparkeröffnung stattgefunden hat, wurden nach der Kenntnisnahme am 19. August 2014 Telefongespräche zwischen dem zuständigen Fachreferat und dem Investor geführt. Wiesbaden, 22. Dezember 2014 In Vertretung: Dr. Beatrix Tappeser