Kleine Anfrage des Abg. Lenders (FDP) vom 13.10.2014 betreffend der Sanierungsarbeiten an der Bundesautobahn A 45 und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Fragestellers: Im Zuge der Sanierungsarbeiten an der Bundesautobahn A 45 soll die Talbrücke "Sechshelden" errichtet werden . Unmittelbar nach Veröffentlichung dieses Vorhabens im Jahr 2010 hat sich eine Bürgerinitiative (MUT= Menschen unter der Talbrücke) in Sechshelden gebildet. Sie hat alternative Trassenführungen aufgezeigt , um so eine mögliche Entlastung der betroffenen Bürger zu erreichen. Seit Anbeginn wurde der Bürgerinitiative durch die zuständigen Behörden glaubhaft die mehr als realistische Chance zur Umverlegung der Autobahnbrücke vermittelt. Es gab zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Erkenntnisse oder Gründe, die aus technischer Sicht die Realisierung dieser sogenannten "kleinräumigen Verlegung" verhindert hätten. Im Gegenteil wurde allen Beteiligten, einschließlich der Stadt Haiger, (Machbarkeitsstudie) diese Tunnelvariante als die wahrscheinlichste und favorisierte Lösung präsentiert. Nach langer Vorplanungsphase wurde dann unerwartet seitens Hessen Mobil mitgeteilt, dass diese Variante nicht umgesetzt werde, da sie nicht kostenneutral sei. Obwohl alle Vorplanungen die technische Realisierbarkeit aufgezeigt hatten, wurden nun plötzlich Kostengründe zur Ablehnung der Tunnellösung angeführt. Zur Plausibilität der Kosten- und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung führte die Behörde nun Vergleichsberechnungen an, welche nach unserer Auffassung jegliche gemeinsame Grundlage entbehrt. Insbesondere können mit der nun geplanten Umsetzung auf "vorhandener Trasse" historische Fehler durch die geografische Lage der Autobahnbrücke nicht behoben werden. Diese einmalige und über die nächsten Jahrzehnte nicht mehr wiederkehrende Chance, planungstechnische Fehler der Vergangenheit zu beheben, wird aus vorgeschobenen Kostengründen leichtfertig vertan. Die einmalige Chance, durch eine kleinräumige Trassenverschiebung mit Tunnellösung zukunftsweisend und problemlösend die Fehler der Vergangenheit zu kompensieren und eine Lösung für die lärm- und feinstaubgeplagten Bürger Sechshelden zu erreichen, bleibt hiermit ungenutzt. Wie aus der Polizei- Unfallstatistik hervorgeht, ist der Abschnitt der Talbrücke Sechshelden ein gravierender Unfallschwerpunkt, mit 175 Unfällen in einem Zeitraum von 2006 bis 2013. Rechnet man die Verkehrsunfälle auf die Standzeit der Brücke (50 Jahre) um, so erhält man eine Unfallzahl von 1250 Verkehrsunfällen nur für den Abschnitt der Talbrücke. Diese außergewöhnlich hohe Unfallzahl mit ihren volkswirtschaftlichen Schäden (bisher statistisch schon weit über 12 Mio. €) nimmt man bewusst für einen kostengünstigeren Ersatzneubau in Kauf. Wider besseres Wissen verstößt man dabei vorsätzlich gegen bestehende Planungsgrundsätze (Nichteinhaltung von Mindestradien, Planungsgeschwindigkeiten, Entwässerungsproblematik, etc.). Die damalige bewusste Verletzung der Planungsregel trägt sicherlich auch zu diesen sehr hohen Unfallzahlen bei. Somit wird dieser Abschnitt "Talbrücke Sechshelden" ggf. bewusst im Wissen heutiger Verkehrsgegebenheiten und Planungsgrundsätze für nächste Generationen wieder zu einem Unfallschwerpunkt geplant. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Die Talbrücke Sechshelden ist eine von 22 Talbrücken im Zuge der A 45 zwischen der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen und dem Gambacher Kreuz, die in den kommenden Jahren aufgrund ihres baulichen Zustandes durch Neubauten ersetzt werden müssen. Aufgrund ihrer unmittelbaren Nähe zur Bebauung nimmt die Talbrücke Sechshelden dabei eine Sonderstellung ein. Abweichend zur Vorgehensweise bei den anderen Bauwerken erfolgte daher in diesem Fall nach Abstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) in der Planungsstufe der Vorplanung eine Variantenuntersuchung, in der neben dem Ersatzneubau an Ort und Stelle (Bestandsvariante) als Alternative auch eine kleinräumige Trassenoptimierung mit teilweiser Verlegung in einen Tunnel untersucht wurde (Tunnellösung). Im Zuge des Alternativenvergleichs stellte sich heraus, dass mit dem Ersatzneubau an Ort und Stelle eine Lösung vorliegt, die allen rechtlichen Anforderungen entspricht und im Vergleich zu der Tunnellösung um rund 57 Mio.€ günstiger ist. (151 M€: Tunnellösung, 94 M€: Bestandslösung ). Eingegangen am 3. Dezember 2014 · Ausgegeben am 5. Dezember 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1009 03. 12. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1009 Die Kostenlast des Straßenbaulastträgers (in diesem Fall: der Bund) ist als gewichtiger öffentlicher Belang in der Abwägung zwischen beiden Alternativen zu berücksichtigen. Der Bau neuer und die wesentliche Änderung bestehender Straßen ist Ausfluss der Straßenbaulast und damit eine öffentliche Aufgabe, die mit öffentlichen Mitteln finanziert und in die öffentlichen Haushalte einzustellen sind. Der finanzielle Aufwand für den Straßenbaulastträger stellt einen öffentlichen Belang dar, und sein Interesse, den finanziellen Aufwand für den Straßenbau gering zu halten, gehört zu den öffentlichen Belangen, denen in der Abwägung Rechnung zu tragen ist. Aber nicht nur die Mehrkosten der Tunnellösung waren ausschlaggebend dafür, dass sich die Straßenbauverwaltung für die Bestandsvariante entschieden hat. Hinzu kommt, dass die Mehrkosten der Tunnelvariante in keinem Verhältnis zu den Vorteilen stehen, die diese Lösung mit sich bringen würde. Die Tunnellösung ist unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange weder mit den öffentlichen noch mit den privaten Belangen besser vereinbar als der Ersatzneubau an Ort und Stelle. Mit allen Varianten können - nach den Erkenntnissen auf Grundlage der Voruntersuchung - die Lärmgrenzwerte zur Lärmvorsorge am Tage aufgrund der neu vorgesehenen aktiven Lärmschutzmaßnahmen eingehalten werden. Darüber hinaus ist die Bestandsvariante auch unter dem Blickwinkel der Schonung der Natur und Landschaft der Tunnelvariante überlegen. Der Vorhabenträger hat bei der Planung naturschutzrechtliche Vorschriften zu beachten, die als striktes Recht in der Abwägung nicht überwindbar sind. Durch die Tunnelvariante würden Konflikte im FFH-Gebiet "Wald und Grünland bei Donsbach" ausgelöst, die bei der Bestandsvariante nicht entstehen. Weitere umweltfachliche Konflikte, die durch die Tunnelvariante ausgelöst würden, sind im Bereich des europäischen Artenschutzes zu erwarten. Darüber hinaus besteht das strikte naturschutzfachliche Gebot, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft durch Eingriffe zu unterlassen. Hiernach ist ein Eingriff unzulässig, wenn vermeidbare erhebliche Beeinträchtigungen nicht unterlassen werden. Mit der Verlegung der A 45 und Bau des Tunnelbauwerks wären zahlreiche Eingriffe verbunden , die vermeidbar sind, da in der Bestandslösung eine Alternative existiert, mit der wesentlich geringere Eingriffe in Natur und Landschaft verbunden sind. Hinzu kommt, dass nach dem Bundesnaturschutzgesetz die mit dem Straßenbauvorhaben verbundenen Eingriffe und Beeinträchtigung von Natur und Landschaft auszugleichen sind. Für die Bereitstellung der notwendigen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen müssen öffentliche und unter Umständen private Grundstücksflächen in Anspruch genommen werden. Eine Inanspruchnahme von Eigentumsflächen für naturschutzfachliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen muss ebenfalls als abwägungserheblicher privater Belang (Art. 14 GG) berücksichtigt werden. Darüber hinaus entspricht die ausgewählte Bestandsvariante allen verkehrssicherheitsrelevanten Anforderungen und verstößt nicht gegen Planungsgrundsätze. Die Trassierung folgt zwar in der Lage dem Bestand. Durch die Anpassung der Quer- und Längsneigungen entsprechend den gültigen technischen Regelwerken genügt die Planung sowohl im Hinblick auf die Fahrdynamik, als auch auf die Fahrbahnentwässerung den aktuellen Anforderungen. Zum anderen sieht die Planung eine Anordnung von Standstreifen in beide Fahrtrichtungen sowie von höhenmäßig optimierten Schutzeinrichtungen vor. Beides führt zu einer Aufweitung des Querschnittes und zu einer deutlichen Verbesserung der Sichtverhältnisse gegenüber dem Bestand. Insgesamt wird die Verkehrssicherheit verbessert. Daher ist eine Übertragung der Unfallzahlen aus den vergangenen Jahren auf den künftigen Zustand nach dem Ersatzneubau aus fachlicher Sicht nicht möglich . Nur am Rande sei erwähnt, dass nach einer im April 2009 durchgeführten Fahrbahndeckenerneuerung (griffigkeitsverbessernde Maßnahmen) die Unfallzahlen in den Jahren 2009/2010 von vorher durchschnittlich 48 Unfällen pro Jahr (Zeitraum 2006 bis 2007) auf 12 signifikant gesunken sind. Die endgültige Entscheidung, welcher Alternative der Vorzug einzuräumen ist und weiter geplant werden soll, obliegt bei Bundesautobahnen dem Bund als Straßenbaulastträger. Dieser hat sich vor dem Hintergrund des eindeutigen Ergebnisses des Variantenvergleichs für den Ersatzneubau der Talbrücke an Ort und Stelle entsprechend der Bestandsvariante entschieden. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt. Frage 1. Wann beginnt die Hessische Landesregierung mit der Wiederaufnahme von Verhandlungen und damit eine erneute Prüfung der Sachlage für eine ggf. doch mögliche Trassenverlegung der Talbrücke Sechshelden durch Hessen Mobil und allen weiteren am Entscheidungsprozess beteiligten Gremien in Land und Bund? In Anbetracht der eindeutigen Planungsergebnisse und der Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zugunsten der Bestandsvariante wird von einer Wiederaufnahme von Verhandlungen bzw. einer erneuten Prüfung der Trassenverlegung abgesehen . Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1009 3 Frage 2. Wann beginnt die Hessische Landesregierung mit der Entscheidungsfindung (ggf. durch Hessen Mobil) zu einer möglichen Trassenverlegung der A45 im Bereich der Talbrücke Sechshelden? Die Entscheidungsfindung durch den Bund als Straßenbaulastträger ist abgeschlossen. Frage 3. Ist der Hessischen Landesregierung bekannt, dass nach langer Vorplanungsphase und der Ein- bringung einer Machbarkeitsstudie durch die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Haiger zur Prüfung alternativer Wegführungen bzw. einer möglichen Trassenverlegung im Bereich der Talbrücke Sechshelden unerwartet seitens Hessen Mobil mitgeteilt wurde, dass diese Variante nicht umgesetzt werde? Hessen Mobil hat die betroffenen Anwohner, die Kommune und die Bürgerinitiative von Beginn des Planungsprozesses an über die komplexen Kriterien zur Beurteilung der untersuchten Varianten und die Vielzahl zu berücksichtigender Belange informiert. Den Prozess der Vorplanung für die Varianten hat die Verwaltung objektiv und ergebnisoffen betrieben und kommuniziert. Zu den Gründen der Entscheidungsfindung wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Die Entscheidung sowie die maßgeblichen relevanten Kriterien der Abwägung hat Hessen Mobil der Stadt Haiger und der Bürgerinitiative MuT transparent und ausführlich erläutert. Frage 4. Ist der Hessischen Landesregierung bekannt, dass alle Vorplanungen die technische Realisier- barkeit aufgezeigt hatten? Ja, der Landesregierung ist bekannt, dass eine Verlegung der Trasse grundsätzlich technisch realisierbar wäre. Frage 5. Ist der Hessischen Landesregierung bekannt, dass alle Fraktionen (CDU, SPD, Freie Wähler, FDP) des lokalen Stadtparlaments, eine Wiederaufnahme der Verhandlungen und damit eine erneute Prüfung der Sachlage für eine ggf. doch mögliche Trassenverlegung durch Hessen Mobil und allen weiteren am Entscheidungsprozess beteiligten Gremien in Land und Bund verlangt haben? Ja, der Landesregierung ist bekannt, dass alle Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Haiger eine erneute Prüfung der Sachlage gefordert haben. Frage 6. Wird die Hessische Landesregierung ihre bisherige Entscheidung hierzu überdenken und in Be- zug auf die Faktenlage ggf. revidieren? Die endgültige Entscheidung, welcher Alternative der Vorzug einzuräumen ist, obliegt bei Bundesautobahnen dem Bund als Straßenbaulastträger. Wiesbaden, 20. November 2014 Tarek Al-Wazir