Kleine Anfrage des Abg. Rentsch (FDP) vom 03.11.2014 betreffend Pensions- und Beihilfeverpflichtungen des Landes Hessen und Antwort des Ministers der Finanzen Vorbemerkung des Ministers der Finanzen: Bereits im Jahr 1999 machte sich das Land Hessen auf den Weg, das Rechnungswesen nach kaufmännischen Grundsätzen auszurichten. Hessen ist bis jetzt das einzige Flächenland in Deutschland, das nach kaufmännischen Regeln Jahresabschlüsse erstellt. Damit werden Vermögen und Schulden vollständig und transparent ausgewiesen sowie der jährliche Ressourcenverbrauch und damit die Wirkungen politischen Handelns verursachungsgerecht aufgezeigt. Dabei lehnen sich die hessischen Vorschriften für die Rechnungslegung sehr stark an das Handelsgesetzbuch (HGB) und die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) an. Hessen ist damit Vorreiter in ganz Deutschland und unterstreicht, dass nur ein entsprechender vollständiger Ausweis aller Verpflichtungen des Landes auch die langfristigen Auswirkungen politischer Entscheidungen transparent macht. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie haben sich die Rückstellungen für Beihilfen und Pensionsansprüche im Zeitraum von 2000 bis 2014 entwickelt? Das Land Hessen erstellt seit dem 01.01.2009 nach handelsrechtlichen Grundsätzen doppische Jahresabschlüsse, die von Wirtschaftsprüfern testiert und vom Hessischen Rechnungshof festgestellt werden. Rückstellungsbeträge liegen daher erst seit 01.01.2009 nach einheitlichen Bewertungsgrundsätzen von Wirtschaftsprüfern geprüft und vom Hessischen Rechnungshof festgestellt vor. Die Pensions- und Beihilferückstellungen haben sich in den Jahren 2009 bis 2013 wie folgt entwickelt : Stichtag Rückstellungen für Pensions - und Beihilfeverpflichtungen Beschäftigte Abgeordnete Pensionen Beihilfen 01.01.2009 38.250.577.745 € 4.956.357.059 € 108.999.838 € 31.12.2009 40.000.197.890 € 4.479.500.913 € 111.726.762 € 31.12.2010 40.229.274.507 € 4.864.742.649 € 117.642.812 € 31.12.2011 42.144.278.692 € 5.368.656.735 € 133.582.612 € 31.12.2012 48.625.981.548 € 6.988.365.090 € 152.765.874 € 31.12.2013 51.613.121.861 € 7.575.531.010 € 157.735.799 € Der Jahresabschluss 2014 wird auf den Stichtag 31.12.2014 aufgestellt. Für diesen Stichtag liegen noch keine Werte vor. Eingegangen am 30. Januar 2015 · Ausgegeben am 3. Februar 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1055 30. 01. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1055 Frage 2. Wie hoch ist das derzeit gebildete Sondervermögen zur Deckung der Pensions- und Beihilfever- pflichtungen des Landes Hessen (Versorgungsrücklage Hessen) und wie hat sich diese Versorgungsrücklage seit 2000 entwickelt? Das Sondervermögen Versorgungsrücklage hat sich entsprechend vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2013 (siehe Hinweis zu Nr. 1) wie folgt entwickelt: Stichtag Bilanzwert 01.01.2009 573.467.674 € 31.12.2009 728.600.907 € 31.12.2010 918.958.437 € 31.12.2011 1.097.713.844 € 31.12.2012 1.312.504.929 € 31.12.2013 1.578.868.573 € Für das Jahr 2014 liegen noch keine abschließenden Zahlen vor. Bis zum 30.10.2014 erfolgten Zuführungen in Höhe von rd. 112.290.000 €. Der Kurswert (gemeiner Wert) des Sondervermögens belief sich am 30.10.2014 auf 1.843.260.301 €. Frage 3. Mit welchem Zinssatz werden die Pensions- und Beihilfeverpflichtungen des Landes Hessen dis- kontiert und wie wird dieser im Detail festgelegt? Der Zinssatz zur Bewertung der Pensions - und Beihilfeverpflichtungen ergibt sich aus den Standards für die staatliche doppelte Buchführung (Standards staatlicher Doppik) nach § 7a HGrG i. V. m. § 49a HGrG. Danach gilt aktuell folgende Regelung1: Rückstellungen für Pensions- und Beihilfeverpflichtungen sind pauschal mit einem Zinssatz von 3,95 % abzudiskontieren. Der Zinssatz wird jährlich durch das Gremium zur Standardisierung des staatlichen Rechnungswesen (§ 49a HGrG) überprüft und bei Abweichung von mehr als 0,5 Prozentpunkten vom Referenzzinssatz durch das Gremium entsprechend angepasst. Der Referenzzinssatz ergibt sich aus dem 7-jährigen Durchschnitt der Umlaufsrenditen für börsennotierte Bundeswertpapiere mit einer Restlaufzeit von über 15 bis einschließlich 30 Jahren (Deutsche Bundesbank, Statistik, Zeitreihe WU 3975). Der durchschnittliche Zinssatz errechnet sich aus den Monatsendständen der vergangenen sieben Jahre. Mit dieser Regelung werden grundsätzlich die entsprechenden Vorgaben des § 253 Abs. 2 HGB übernommen. Es wird jedoch nicht der für private Unternehmen anzuwendende Zinssatz der Rückstellungsabzinsungsverordnung verwendet, sondern die Umlaufsrendite für börsennotierte Bundeswertpapiere mit 15 bis 30jähiger Restlaufzeit, die die spezifischen Refinanzierungskonditionen der staatlichen Haushalte besser widerspiegeln. Um die Darstellung der Vermögenslage des jeweiligen staatlichen Haushalts nicht durch kurzfristige, rein finanzmarktbedingte Schwankungen der Zinsniveaus zu verzerren, sieht ein Anpassungskorridor von 0,5 %punkten vor, dass der Diskontierungszinssatz vom Gremium erst bei Überschreiten dieser Grenze angepasst wird. Der Diskontierungszinssatz der Jahre 2009 bis 2014 entwickelte sich wie folgt: Stichtag Zinsfuß 01.01.2009 4,5 % 31.12.2009 4,5% 31.12.2010 4,5 % 31.12.2011 4,5 % 31.12.2012 3,95 % 31.12.2013 3,95 % 31.12.2014 3,95 % 1 Beschluss des Gremiums nach § 49a HGrG am 23. Oktober 2013; Stand nach Bearbeitung durch die AG VKR/Standards staatlicher Doppik am 27. August 2013; Dok._SsD_2013_0811781 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1055 3 Frage 4. Wie ist das Sondervermögen zur Deckung der Pensions- und Beihilfeverpflichtungen (Versor- gungsrücklage Hessen) nach derzeitigem Stand angelegt? Das Sondervermögen setzt sich aktuell zu 29,53 % aus Aktien, zu 0,73 % aus Fondspapieren und zu 69,74 % aus Rentenpapieren zusammen. Frage 5. Wie prognostiziert die Landesregierung die laufenden Ausgaben für die Pensionen und Beihilfen in den kommenden Jahren bis 2020? (Bitte nach Kalenderjahren aufschlüsseln) Der Anstieg der Pensionsausgaben wird insbesondere durch die Zahl der künftigen Versorgungsempfänger determiniert. Im aktuellen Finanzplanungszeitraum dürfte die Zahl der Versorgungsempfänger von 67.800 Anfang des Jahres 2014 auf rd. 80.400 im Jahre 2020 anwachsen. Mit dieser Datenbasis erwartet die Landesregierung einen Anstieg der Ausgaben von 2.322,3 Mio. € 2014 auf 2.435,1 Mio. € im Jahre 2015, 2.527 Mio. € im Jahre 2016, 2.628 Mio. € im Jahre 2017 und 2.729 Mio. € im Jahre 2018 (siehe Finanzplan des Landes Hessen für die Jahre 2014 bis 2018). Bei den Beihilfeausgaben ist eine Steigerung von 582 Mio. € 2014 auf 623 Mio. € im Jahre 2015, 623 Mio. € im Jahre 2016, 643 Mio. € im Jahre 2017 und 663 Mio. € im Jahre 2018 zu erwarten. Der Anstieg erfolgt insbesondere vor dem Hintergrund steigender Kosten im Gesundheitswesen . Für die Jahre 2019 und 2020 werden nach derzeitiger Einschätzung jeweils Zuwächse entsprechend der Vorjahre erwartet, mithin für Pensionsausgaben rd. 100 Mio. € jährlich sowie für Beihilfen rd. 20 Mio. € jährlich. Frage 6. Wie plant die Landesregierung, die bestehende Lücke zwischen den derzeit in Form eines Son- dervermögens bestehenden Rücklagen (Versorgungsrücklage Hessen) und den derzeit ausgewiesenen Rückstellungen zu schließen? Die Landesregierung strebt eine Fortsetzung der Zuführungen zur Versorgungsrücklage auf dem bisherigen Niveau an und will den Aufbau des Sondervermögens nachhaltig verfolgen. Die ursprüngliche gesetzliche Regelung, wonach das Sondervermögen bereits ab dem 1. Januar 2018 verwendet werden konnte, wurde im Jahr 2013 durch das 2. Dienstrechtsmodernisierungsgesetz geändert. Eine Entnahme von Mitteln aus dem Sondervermögen ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen und bedarf zudem in Zukunft einer eigenen gesetzlichen Grundlage. Es ist zwar erkennbar, dass die bestehende Lücke zwischen den im Jahresabschluss zum 31.12.2013 ausgewiesenen Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen in Höhe von 59,4 Mrd. € und dem Sondervermögen auf absehbare Zeit nicht geschlossen werden kann. Allerdings steigt die Pensionslast-Finanzierungsquote stetig an. Diese berechnet sich aus dem Verhältnis des Sondervermögens zu den passivierten Pensions- und Beihilferückstellungen. Somit ist ein immer größer werdender Teil der Verpflichtungen des Landes in diesem Bereich durch eine entsprechende Rücklage gedeckt. Mit diesem kontinuierlichen Aufbau des Sondervermögens Versorgungsrücklage werden zukünftige Generationen bezüglich der Ausfinanzierung der bereits heute verursachten Pensionsverpflichtungen immer weiter entlastet. Frage 7. Gibt es Aktiva jenseits des genannten Sondervermögens, die der Versorgungsrücklage in Hessen dienen? Wenn ja, welche und in welcher Höhe? Neben dem genannten Sondervermögen gibt es keine weiteren Aktiva, die als Versorgungsrücklage dienen. Wiesbaden, 19. Januar 2015 Dr. Thomas Schäfer