Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 14.11.2014 betreffend Schulinspektion und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Ziel der Schulinspektion ist es, den Schulen Anstöße für eine wirksame Schul- und Unterrichtsentwicklung zu geben. Durch die Inspektion sollen die zielführende pädagogische Arbeit der betrachteten Schule als auch Handlungserfordernisse, die bislang nicht im Fokus der Schule lagen, sichtbar gemacht werden. Dazu erhält die Schule einen Bericht über Stärken und Handlungserfordernisse und eine Bewertung zum Qualitätsstand der pädagogischen Arbeit. Die Wirksamkeit und das derzeitige Instrumentarium werden seitens der teilnehmenden Schulen als auch von den Verbänden in Frage gestellt. Dementsprechend besteht die Notwendigkeit, die Form, die Effektivität und die Zielsetzung zu überprüfen und an die tatsächlichen Bedarfe vor Ort anzupassen. Vorbemerkung des Kultusministers: 90 % der Schulleiterinnen und Schulleiter, die an einer Befragung im Nachgang zur Schulinspektion teilnehmen, bewerten Verfahren und Instrumente als verlässlich, inhaltlich angemessen und nützlich (siehe Publikation "Ergebnisse der Schulinspektion, Berichtszeitraum 2011/2012, sowie aktuelle Befragungsergebnisse). Mit Stellungnahme vom 10.12.2013 bzw. vom 07.11.2013 machen der Interessenverband Hessischer Schulleiterinnen und Schulleiter (IHS) sowie die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) deutlich, dass verbandsseitig der Wert des Verfahrens hoch geschätzt wird und die Schulinspektion als nützliches und wirksames Instrument der Schulentwicklung verstanden wird. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welchen Zeitplan und Maßnahmenkatalog verfolgt die Landesregierung, um die im Koalitions- vertrag angekündigte Überarbeitung und Weiterentwicklung der Schulinspektion zu realisieren? Die zweite Schulinspektion wird aktuell gemäß den Kontraktvereinbarungen und dem gültigen Erlass zur zweiten Schulinspektion vom 20.08.2010 durchgeführt. Der zweite Inspektionsdurchgang soll mit Ende des Schuljahres 2015/2016 abgeschlossen werden. Parallel dazu werden Konzepte zur Neuausrichtung des externen Evaluationsverfahrens durch das verantwortliche Dezernat im Landesschulamt erarbeitet, um die Erfahrungen aus der Schulinspektion mit in die Neuausrichtung einfließen zu lassen. Frage 2. In welchem Rahmen soll ein Konzept entwickelt werden, dass eine unabhängige Qualitätsentwick- lung gewährleistet und welche Veränderungen müssen vor diesem Hintergrund eingeleitet werden ? Das Landesschulamt wurde mit Schreiben vom 04.07.2014 mit der Konzepterarbeitung zur Weiterentwicklung der Schulevaluation beauftragt. Erste Diskussionsforen mit Eltern, Schülern, Schulleiterinnen und Schulleitern sowie Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden wurden bereits zur Beratung über vorgeschlagene Konzepte eingerichtet. Der Thematik nimmt sich auch eine Arbeitsgemeinschaft des Bildungsgipfels an. Eingegangen am 8. Januar 2015 · Ausgegeben am 12. Januar 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1128 08. 01. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1128 Grundsätzlich untersucht die Schulevaluation mit transparenten, standardisierten und strukturierten Methoden und Instrumenten eine Schule als Gesamtsystem. Diese Begutachtung braucht zentral vorgegebene Standards bzw. Qualitätsmerkmale. Diese normativen Erwartungen an die Schul- und Unterrichtsqualität sind im Hessischen Referenzrahmen Schulqualität (HRS) beschrieben . Frage 3. Sieht die Landesregierung die Notwendigkeit, den "Hessischen Referenzrahmen zur Qualitätsent- wicklung" zu novellieren und welche Aspekte müssten dabei berücksichtigt werden? Der HRS ist in seiner derzeit gültigen Fassung von 2011 etabliert und bei Schulen, Schulaufsicht , Schulverwaltung und auch über die Landesgrenzen hinaus aufgrund seiner bildungswissenschaftlichen Fundierung als Bezugsrahmen für Schulentwicklung und Qualitätssicherung anerkannt . Um bildungswissenschaftlichem Erkenntnisgewinn Rechnung zu tragen, ist eine regelmäßige Aktualisierung des HRS notwendig und für 2016 geplant. Erweiterungen entsprechend bildungspolitischer Schwerpunktsetzungen sind auch innerhalb der Aktualisierungsintervalle angedacht : z.B. Ganztag, Kulturelle Bildung. Frage 4. Auf welcher Grundlage werden die Erwartungen und Anforderungen, die an die Qualität von hes- sischen Schulen gestellt werden evaluiert und ggf. angepasst und in welchem Zeitraum erfolgt eine Überprüfung der Festsetzungen, der damit einhergehenden schulischen Qualitätsbereiche sowie der Qualitätskriterien? Zunächst wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Der HRS bildet die umfassende, normative Grundlage für Qualitätsanforderungen, die an Schulen gestellt werden. Unter breiter Mitwirkung von Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft , Praxis, Politik und Verbänden werden hier turnusmäßige Aktualisierungen vorgenommen . Auf der Grundlage der Gesamtheit der formulierten Anforderungen nimmt die externe Schulevaluation inhaltliche Fokussierungen vor, die im Bereich der schulinternen Evaluation liegen und damit insbesondere den Qualitätsbereich II "Ziele und Strategien der Qualitätsentwicklung" berühren. Neben der regelmäßigen Überprüfung und Aktualisierung der normativen Grundlage führt die Schulevaluation umfangreiche Maßnahmen zur Qualitätssicherung ihrer eigenen Verfahren, Instrumente und Prozesse durch, so dass schnell auf Problemlagen reagiert werden kann (Prüfung der psychometrischen Qualität der Instrumente, schriftliche Befragungen von Schulleiterinnen und Schulleitern, Lehrkräften und Schulaufsichtsbeamtinnen und -beamten zur Qualität der Schulinspektion, Telefoninterviews im Nachgang zur Schulinspektion, Diskussions- und Beratungsforen mit Schulleiterinnen und Schulleiterin, Verbandsvertreterinnen und -vertreter, sowie mit Schülerinnen und Schülern und Eltern). Frage 5. Inwieweit lassen sich Aussagen darüber treffen, ob die vier Wirkungsdimensionen der Schulin- spektionen tatsächlich dazu beitragen, die Qualitätsentwicklung in den hessischen Schulen positiv zu begleiten? Mit Blick auf die vier Wirkungsdimensionen von Landwehr (2011) kann für die Schulinspektion konstatiert werden, dass sie aufgrund ihrer Fundierung im HRS, der schulgesetzlichen Verankerung (Normgebung, Rechenschaftslegung) und ihrer als nützlich erlebten Instrumente und Produkte (Wissen schaffen, Schulentwicklung) alle Merkmale aufweist, die für eine Wirksamkeit erforderlich sind. Wissen schaffen: Die Schulinspektion stellt der Schule datengestütztes Qualitätswissen zur Verfügung, das den Mitgliedern der Schulgemeinde eine Analyse ihres aktuellen IST-Zustands bezogen auf die Qualität der inneren Prozesse ermöglicht. Die Aussage "Wir nehmen die Ergebnisse zum Anlass, um die benannten Punkte gemeinsam und offen mit dem Kollegium zu diskutieren" wird von 97 % der im laufenden Schuljahr befragten Schulleiterinnen und Schulleitern mit "ja" (70 %) oder "eher ja" (27 %) beantwortet. Rechenschaftslegung: Die Schulinspektion mit ihrem professionalisierten Außenblick auf die Qualität der schulischen Prozesse liefert der Schule einen datengesicherten Qualitätsnachweis gegenüber der Auftrag gebenden Instanz (Schulaufsicht, Kultusministerium) bzw. der Öffentlichkeit (z.B. den Eltern) bezogen auf definierte Qualitätsstandards der innerschulischen Arbeit. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1128 3 Normgebung: Die Schulinspektion schafft mit ihrer konsequenten Orientierung an den Qualitätskriterien des HRS ein Bewusstsein für geltende Normen im Hinblick auf Schulqualität und fordert deren Umsetzung ein. Bereits mit der Ankündigung der Schulinspektion und der Information über die Inhalte und Kriterien der externen Evaluation werden in der Schule Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsverschiebungen ausgelöst und zentral gültige Qualitätsanforderungen in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Untersuchungen über Wirkungen und Effekte vor, bei und nach der Schulevaluation in Brandenburg, die vom Institut für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg (ISQ) durchgeführt wurden, haben deutlich gemacht, dass oft bereits vor einer externen Evaluation sinnvolle Entwicklungsprozesse eingeleitet wurden. Auch eine internationale Studie von Ehren (2014) belegt die Wirkung von Inspektionsverfahren im Hinblick auf die Effektivität und Motivation von Schulentwicklung dadurch, dass explizite Erwartungen an die Schule gestellt werden. Schulentwicklung: Landwehr (2011) bezeichnet die Schulentwicklung als "letztinstanzliche" Wirkungsdimension von Schulinspektion und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass die tatsächliche Nutzung von Ergebnissen zur Schulentwicklung von innerschulischen Merkmalen, der politischen Verbindlichkeit und vor allem den Unterstützungssystemen abhängig ist. Jene Merkmale des Schulinspektionsprozesses , die eine Schulentwicklung wahrscheinlicher machen (wahrgenommene Kompetenz des Personals, Verlässlichkeit der Instrumente, Verständlichkeit der Berichte usw.) werden sowohl von den Schulleiterinnen und Schulleitern als auch von den Lehrkräften zu 90 % als äußerst positiv bewertet. Frage 6. Welche Veränderungen der Schulinspektion sind notwendig, wenn diese als Unterstützungsange- bot aber auch Steuerungselement für selbstständig handelnde Schulen fungieren sollen? Die externe Schulevaluation setzt thematisch an den schulinternen Maßnahmen zum Aufbau einer internen Evaluationskultur an und überprüft vor Ort den aktuellen Entwicklungsstand der Schulen. Hier kann an die bereits erfolgreich implementierten Evaluationskonzepte an Selbstständigen Schulen und Selbstständigen Beruflichen Schulen angeknüpft werden, die ebenfalls das schulinterne Qualitätsmanagement in den Fokus der Evaluation rücken. Gleichzeitig sollte die Untersuchung von schriftlichen Konzepten (als Produkte) zugunsten einer stärkeren Aufmerksamkeit auf die tatsächlichen Prozessqualitäten reduziert werden. Diese Vorgehensweise impliziert, dem Prozess vor einer Schulevaluation, in dem die Schulen in die genaue Festlegung des Evaluationsauftrags eingebunden werden, künftig eine größere Bedeutung zuzumessen. Diese Vorgehensweise gibt der Schule bei entsprechendem zeitlichem Vorlauf die Chance, sich gezielt auf die Evaluation vorzubereiten und maximal davon zu profitieren . Die Impulsfunktion wird durch diesen Schritt nicht erst nach dem Vorliegen des Berichts angestrebt, sondern ist zum Teil schon vorher möglich. Frage 7. Welche Möglichkeiten gibt es, um die Kritik an den Unterrichtsbesuchen auch hinsichtlich der vermeintlichen mangelnden Fachlichkeit und/oder didaktischen Kompetenzen abzufedern und die Akzeptanz zu steigern? Die Schulinspektion orientiert sich an den fachübergreifend formulierten Qualitätsanforderungen des HRS und folgt damit den Merkmalen einer allgemeinen Didaktik. Es wird insofern auf die Antwort zu den Fragen 2, 4, 5 und 6 verwiesen. Weiterhin werden die Erfahrungen und die zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen der Neukonzeption mit einfließen. Frage 8. Wie bewertet die Landesregierung die Stellungnahme der im dbb Hessen organisierten Lehrer- verbände zur Schulinspektion und in welchem Punkte gibt es Übereinstimmung oder Abweichungen in der Bewertung? Die Landesregierung hat sich bereits mit Schreiben der damaligen Kultusministerin Beer vom 12.12.2013 an den dbb Hessen zu dieser Stellungnahme verhalten und dabei grundsätzlich betont , dass die Schulinspektion erheblich dazu beiträgt, den Qualitätsgedanken in den hessischen Schulen zu verankern und das Prinzip der Eigenverantwortung der Schulen zu stärken. Wiesbaden, 19. Dezember 2014 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz