Kleine Anfrage der Abg. Gnadl und Dr. Neuschäfer (SPD) vom 17.11.2014 betreffend Ferienschutzzeiten für ehrenamtlich in der Jugendverbandarbeit tätige Studierende und Antwort des Ministers für Wissenschaft und Kunst Vorbemerkung der Fragestellerinnen: Viele junge Menschen in Hessen engagieren sich ehrenamtlich, darunter auch viele Studierende an den hessischen Hochschulen, die in der Jugendverbandarbeit tätig sind. Neben der Schulausbildung, der dualen Ausbildung und dem Studium werden auch in der außerschulischen Jugendarbeit Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen für das Berufsleben vermittelt. Durch die Modularisierung der Studiengänge finden in der vorlesungsfreien Zeit zwischen den Semestern vermehrt Klausuren, verpflichtende Praktika und andere Prüfungen statt. Da es an den hessischen Hochschulen keine einheitlich geschützten Zeiträume währen der vorlesungsfreien Zeit gibt, in denen keine Prüfungen stattfinden, wird das Engagement der Studierenden in der Jugendverbandarbeit erschwert. So können viele Studierende nicht mehr, nur kurzfristig oder nur mit Unterbrechungen als Aufsichtspersonen bei Jugendfreizeiten , Ferienspielen, Zeltlagern etc. Verpflichtungen übernehmen, da sie Prüfungstermine nicht frühzeitig genug erfahren, um langfristige Betreuungszusagen machen zu können oder weil Prüfungstermine in die Zeiträume der genannten Aktivitäten der Jugendverbände fallen. Vorbemerkung des Ministers für Wissenschaft und Kunst: Die vorgenannte Thematik wurde teilweise bereits in der Antwort zur Kleinen Anfrage Drucksache 18/6747 behandelt. Auf diese wird verwiesen. Aufgrund übergeordneter Rahmenbedingungen müssen Studiengänge im Durchschnitt einen Umfang von 30 Credits Points (CP) pro Semester aufweisen. 1 CP entspricht 30 Stunden Workload . Im Gesamtworkload eines Semesters sind die vorlesungsfreien Zeiten daher enthalten. Sie sind Bestandteil des Studiums und nicht mit Ferien oder freier Zeit gleichzusetzen, wie der herkömmlich genutzte Begriff "Semesterferien" suggeriert. Die vorlesungsfreien Zeiten dienen der Vor- und Nachbereitung der Studieninhalte, der konkreten Prüfungsvorbereitung und -durchführung . Insbesondere das Anfertigen von wissenschaftlichen Hausarbeiten und Ausarbeitungen erfordert geschlossene längere Zeiträume. Die vorlesungsfreien Zeiten stehen ebenfalls für im Rahmen des Studiums zu absolvierende Praktika zur Verfügung. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Übrigen wie folgt: Frage 1. Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen von über die vorlesungsfreie Zeit verteilten Prüfungsterminen an den hessischen Hochschulen auf die Jugendverbandarbeit? Frage 2. Welche Maßnahmen erwägt die Landesregierung, um das ehrenamtliche Engagement von Studie- renden in der Jugendverbandarbeit hinsichtlich der Kollision von Verbandsaktivitäten wie Ferienzeiten etc. mit Prüfungsterminen an den Hochschulen zu erleichtern? Frage 3. Wie bewertet die Landesregierung die Forderung des Hessischen Jugendrings, Bedingungen an Hochschulen zu schaffen, die es Studierenden ermöglichen, ohne Nachteile für ihre Hochschulleistungen als Betreuer/innen an Ferienzeiten von Jugendverbänden teilzunehmen? Frage 4. Wie wäre es möglich, diese Forderung nach einer Ferienschutzzeit in der vorlesungsfreien Zeit an den hessischen Hochschulen umzusetzen? Frage 5. Welche Möglichkeiten sieht die Landeregierung, eine nachteilslose Freistellung von Studierenden, die sich in der Jugendverbandsarbeit und im Ehrenamt engagieren, von hochschulischen Verpflichtungen (besonders von Prüfungsterminen) sicherzustellen? Die Fragen 1 bis 5 werden im Zusammenhang beantwortet. Eingegangen am 9. Januar 2015 · Ausgegeben am 14. Januar 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1130 09. 01. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1130 Es liegen keine empirischen Befunde vor, dass die Prüfungsorganisation in den vorlesungsfreien Zeiten zivilgesellschaftliches Engagement oder Engagement in der Jugendverbandsarbeit erschwert . Aus Gründen der Prüfungsorganisation wie auch der Pluralität von Prüfungsformen sind in der vorlesungsfreien Zeit mehrere Prüfungstermine (z.B. bei Klausuren) anzubieten, auch um eine den Bedingungen eines modernen Studiums gerecht werdende Flexibilität bei der Vorbereitung und der Verteilung der Prüfungen für die Studierenden zu ermöglichen. Ferienschutzzeiten würden diese Flexibilität einschränken und für Studierende, die etwa Familienaufgaben übernehmen oder für die Finanzierung des Studiums arbeiten müssen, bisherige Spielräume unverhältnismäßig einengen. Aus studien- und prüfungsorganisatorischer Sicht ist die Forderung nach einer Ferienschutzzeit mithin nicht zu vertreten. Sie würde dazu führen, dass Prüfungen noch dichter aneinander liegen als bisher und damit zu unnötigen Erschwernissen der Studierenden führen. Prüfungsleistungen , die eine längere Bearbeitungszeitdauer erfordern, wären dann kaum noch möglich. Schwer vorstellbar wäre ebenfalls die Unterbrechung der Anfertigung von Bachelor- und Masterabschlussarbeiten durch eine Ferienschutzzeit. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass auch Studierende aus anderen Bundesländern an hessischen Hochschulen studieren. Eine Ferienschutzzeit , orientiert an den hessischen Sommerferien, wäre für diese Studierenden, die sich unter Umständen in ihrer Heimat ehrenamtlich engagieren, hinderlich und würde wiederum Schwierigkeiten in der Prüfungsorganisation erzeugen. Auch wenn selbstverständlich nicht auszuschließen ist, dass es in Einzelfällen zu Kollisionen zwischen Prüfungsterminen und ehrenamtlichem Engagement von Studierenden kommen kann, minimieren die hessischen Hochschulen das entsprechende Risiko durch verschiedene Konzepte möglichst weitgehend: An der Technischen Universität Darmstadt (TUD) wird, soweit dies möglich ist, insbesondere bei mündlichen Prüfungen seitens der Prüferinnen und Prüfer auf begründete Terminwünsche (Ehrenämtler, Leistungssportler) der Prüflinge eingegangen. § 19 Abs. 1 der Allgemeinen Prüfungsbestimmungen der TUD gibt dazu die Möglichkeit. An der Universität Kassel werden Prüfungstermine grundsätzlich unmittelbar am Ende der Vorlesungszeit oder am Ende der vorlesungsfreien Zeit angeboten. Ähnlich verhält es sich etwa an der Hochschule Fulda und der Frankfurt University of Applied Sciences (FRA-UAS) mit Prüfungszeiten , die in der Regel zwei Wochen in der vorlesungsfreien Zeit unmittelbar im Anschluss an die Vorlesungen umfassen. Die FRA-UAS weist ergänzend darauf hin, dass in der vorlesungsfreien Zeit jedoch Hausarbeiten und Projekte zur Entzerrung der Vorlesungszeit und zur Entzerrung von Prüfungsleistungen möglich und teilweise erforderlich sind. An der Hochschule Geisenheim gibt es keine Prüfungstermine in der vorlesungsfreien Zeit. Auch an der Technischen Hochschule Mittelhessen werden Prüfungen grundsätzlich vorlesungsbegleitend abgelegt. Im Übrigen verzichten die Hochschulen in ihren Prüfungsordnungen zum Teil auf terminliche Festlegungen für die Wiederholung von nicht bestandenen Prüfungen und/oder bieten Prüfungen in jedem Semester an bzw. geben keine Fristen vor, bis zu denen Studierende eine entsprechende Prüfung abgelegt haben müssen. Dies ermöglicht eine größtmögliche Flexibilität. Frage 6. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag des Hessischen Jugendrings, über ehrenamtli- ches Engagement von Jugendleiter/innen als Kompetenzerwerb und Praxiserfahrung durch CreditPoints im Hochschulstudium zu honorieren, die in den Studiengängen der Hochschulen angerechnet werden können? Frage 7. Wie könnte nach Ansicht der Landesregierung eine solche Credit-Point-Anrechnung über die Juleica ausgestaltet sein? Die Fragen 6 und 7 werden im Zusammenhang beantwortet. Sofern es mit dem jeweiligen Studiengangsziel vereinbar ist, kann ehrenamtliches Engagement als Praxiserfahrung oder als Kompetenzerwerb, z.B. im Rahmen von Optional- oder Profilmodulen , angerechnet werden. So sehen z.B. die im November 2010 in Kraft getretenen Allgemeinen Bestimmungen für Bachelor- bzw. Masterstudiengänge an der Philipps-Universität Marburg im Profilbildungsbereich für Studiengänge die mögliche Anerkennung von "besonderem studentischem Engagement" vor, das der Persönlichkeitsbildung der Studierenden oder der allgemeinen Arbeitsmarktbefähigung dient. Es muss aber sichergestellt sein, dass eine Anrechnung nur unter Berücksichtigung der konkreten Kompetenzziele eines Studiengangs erfolgt. Es ist ein Ausfluss der sogenannten Lissabon- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1130 3 Konvention, wenn Hochschulen - auf Antrag - außerhochschulisch erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium anrechnen, soweit die anzurechnenden Kenntnisse und Fähigkeiten den Studien- und Prüfungsleistungen, die sie ersetzen sollen, gleichwertig sind. Dies bedeutet, dass geprüft werden muss, ob in dem betreffenden Studiengang auch die durch ehrenamtliches Engagement erlangten Kenntnisse und Fähigkeiten erworben werden müssen. Ist dies der Fall und wird dadurch die Grenze einer 50%igen Anerkennung gemäß § 18 Absatz 6 des Hessischen Hochschulgesetzes nicht überschritten, kann grundsätzlich eine Anrechnung erfolgen . Es handelt sich dann jedoch um eine Einzelfallprüfung durch die anerkennende Stelle. Eine generelle Regelung zur Anerkennung bzw. Anrechnung - etwa auf Basis der Vorlage einer Juleica - ist hingegen mit den Anforderungen an wissenschaftliche Studiengänge nicht vereinbar. Wiesbaden, 18. Dezember 2014 Boris Rhein