Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 24.11.2014 betreffend Windkraftausbau im Wald und Auflagen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Wie viele Windkraftanlagen sind in Hessen seit dem Jahr 2000 auf Waldflächen genehmigt wor- den? Mit Stand vom 1. Dezember 2014 befinden sich derzeit (seit dem Jahr 2000) 627 Windenergieanlagen in Betrieb bzw. unmittelbar vor Inbetriebnahme durch den jeweiligen Betreiber. 175 der genannten Anlagen befinden sich auf Waldstandorten. Frage 2. Wie viele der gegenwärtig in Hessen im Genehmigungsverfahren befindlichen Windkraftanlagen sollen auf Waldflächen errichtet werden? Mit Stand vom 1. Dezember 2014 befinden sich derzeit 415 Windenergieanlagen in Genehmigungsverfahren . Hiervon sollen 289 Windenergieanlagen auf Waldstandorten errichtet werden. Frage 3. Wie hoch ist der Anteil von Waldflächen an den für Windkraftnutzung in Hessen vorgesehenen Vorrangflächen (entsprechend dem aktuellen Planungsstand der Regierungspräsidien)? Der Anteil von Waldflächen an den für Windenergienutzung in Hessen vorgesehenen Vorrangflächen (entsprechend dem aktuellen Planungsstand der Regierungspräsidien) beträgt 86,1 % (rund 56.544 ha Vorranggebiete für Windenergie und hiervon rund 48.686 ha im Wald). Frage 4. In wie vielen Fällen sind den Behörden in der Vergangenheit im Zusammenhang mit der Errich- tung und dem Betrieb von Windkraftanlagen hessenweit Verstöße gegen Rechtsvorschriften und Genehmigungsauflagen bekannt geworden? In den meisten Fällen handelt es sich um Verstöße gegen Rechtsvorschriften oder Genehmigungsauflagen , die nicht dauerhaft sind bzw. innerhalb kürzester Zeit abgestellt und behoben werden können. Es gibt daher keine genaue Anzahl an Verstößen, die den Behörden bekannt sind. Frage 5. Welcher Natur waren diese Verstöße (Frage 4) im Einzelnen? Bei den genannten Verstößen handelte es sich um: - Nichteinhaltung von Auflagen, - Versäumnis der Anzeige der Inbetriebnahme der Windenergieanlage, - nicht rechtzeitig vorgelegte Rückbaubürgschaften, - nicht vorgelegte Konformitätsbescheinigungen, - Versäumnis der Anzeige des Betreiberwechsels der Windenergieanlage, - Verspätete Durchführung von wiederkehrenden Prüfungen, - Nichteinhaltung von Nebenbestimmungen der Waldumwandlungsgenehmigung (hier: Rodungsarbeiten außerhalb des zulässigen Zeitraumes sowie Versäumnis der Anzeigepflicht bei der Oberen Naturschutzbehörde), Eingegangen am 3. Februar 2015 · Ausgegeben am 12. Februar 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1153 03. 02. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1153 - nicht rechtzeitige Anzeige des Rodungsbeginns, - Abweichung vom Genehmigungsbescheid bei der Rodung von Flächen, - nicht rechtzeitige Vorlage der Rückbaubürgschaft nach Betreiberwechsel, - Abweichung vom Genehmigungsbescheid beim Bau des Fundaments, - Nichteinhaltung des maximalen Schallleistungspegels, - Überschreitungen des zugelassenen Baufeldes, - unsachgemäße Lagerung von Erdaushub. Frage 6. Wie wurden diese Verstöße (Frage 4) seitens der Behörden resp. Strafverfolgungsbehörden im Einzelnen geahndet? Die Verstöße und Abweichungen von den Genehmigungsbescheiden werden in der Regel durch Nachbesserungen, nachträgliche Umgestaltung des Geländes in einen plankonformen Zustand, naturschutzrechtliche Nachbilanzierungen und ggf. Nachweis zusätzlicher Kompensationsmaßnahmen oder beispielsweise Wiederaufforstungen ausgeräumt. Nur in Einzelfällen ist eine Ahndung durch Zwangs- oder Bußgeld bis hin zu Verwaltungsverfahren notwendig. Frage 7. Mit welchen Instrumenten setzen die Behörden des Landes Rechtsvorschriften und die in Geneh- migungen zur Errichtung und dem Betrieb von Windkraftanlagen gemachten Auflagen konkret durch, insbesondere auch in Hinblick auf die wirksame Kontrolle von Abschaltzeiten aus Rücksicht auf Schattenwurf, Vereisung, Gefährdung von Vögeln und Fledermäusen sowie der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit? Die in Frage kommenden Windenergieanlagen werden mit voll automatischen Steuereinheiten ausgestattet wie: - Schattenwurfmodul, - Fledermausdetektor mit Ultraschallerkennung im Frequenzbereich der Fledermäuse, - elektronisch gesteuerte Blattheizung. Bei sich abzeichnendem Breitenfrontenzug (Vogelzug) wird die Abschaltung von Windenergieanlagen und Windparks durchgeführt. Im Verantwortungsbereich des Anlagenbetreibers liegen die Grundstückssicherungspflicht sowie Sachverständigenprüfungen für Technik und Standsicherheit . Alle elektronischen Kontroll- und Regelungsmechanismen verfügen über dauerhafte Aufzeichnungsdaten. Abschaltzeiten müssen durch den Anlagenbetreiber aufgezeichnet werden. Nach Aufforderung durch die Aufsichtsbehörde sind diese Aufzeichnungen vorzulegen. Die Durchsetzung der Rechtsvorschriften erfolgt mit den Mitteln des Verwaltungszwangs, z.B. Festsetzung von Zwangsgeld oder Ersatzvornahme. Als Instrument zur Umsetzung von naturschutz- und artenschutzrechtlichen Vorgaben dienen entsprechende Nebenbestimmungen in den immissionsschutzrechtlichen Bescheiden zur Genehmigung von Windenergieanlagen. Zur Kontrolle von naturschutzrechtlichen Nebenbestimmungen , die für die Errichtung und den Betrieb der Windenergieanlagen festgelegt worden sind, dienen einerseits Berichtspflichten z.B. über den Nachweis der Abschaltprogrammierung bzw. der Herstellung der technischen Voraussetzungen im Vorfeld der Inbetriebnahme wie auch betriebsbegleitende Monitoring- und Berichtspflichten. Entsprechende betriebsbegleitende Berichte sind in regelmäßigen Abständen vorzulegen und werden von der zuständigen Behörde aus überprüft . Bei der Genehmigung von Windparks wird regelmäßig eine ökologische Baubegleitung festgelegt , die die Umsetzung aller in den Antragsunterlagen aufgeführten und in den Nebenbestimmungen festgesetzten naturschutzrechtlich relevanten Maßnahmen in der Bauphase sicherstellt sowie regelmäßige Berichte hierzu vorlegt. Die Prüfung der bauordnungsrechtlichen Anforderungen im Genehmigungsverfahren sowie deren nachfolgende Überwachung obliegen den Bauaufsichtsbehörden. Demnach obliegt die Überwachung der Betriebssicherheit den Bauaufsichtsbehörden, grundsätzlich zuständig ist die Untere Bauaufsichtsbehörde. Die Einhaltung von wasser- und bodenschutzrechtlichen Nebenbestimmungen wird durch die Einbindung einer hydrogeologischen und bodenkundlichen Baubegleitung sichergestellt. Die Hinzuziehung bzw. die Pflicht zur Benennung einer hydrogeologischen und bodenkundlichen Baubegleitung ist als eigene Nebenbestimmung im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid bestimmt. Zusätzlich wird im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren eine hydrogeologische Stellungnahme des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1153 3 angefordert, um ein Gefährdungspotential, das vom Bau und dem Betrieb der Anlagen auf den Trinkwasserschutz ausgehen könnte, zu beurteilen. In unregelmäßigen Abständen werden Baustellenbegehungen , auch gemeinsam mit der hydrogeologischen und bodenkundlichen Baubegleitung , wahrgenommen. Frage 8. Wie oft und wie lange wurden in Hessen Windkraftanlagen aufgrund entsprechender Genehmi- gungsauflagen seit dem Jahr 2000 zeitweise abgeschaltet? Hierzu liegen keine Informationen vor. Eine Statistik über die tatsächliche Abschaltung wird nicht geführt. Grundsätzlich wird - soweit sich das Kollisionsrisiko für Fledermäuse nicht vollständig ausschließen lässt - eine Abschaltung mit begleitendem Gondelmonitoring gemäß den Vorgaben des gemeinsam vom Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUELV) und dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (HMWVL) erstellten "Leitfadens zur Berücksichtigung der Naturschutzbelange bei der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen (WKA) in Hessen" vom 29. November 2012 festgesetzt. Konkret bedeutet das Abschaltzeiten vom 1. April bis 31. Oktober zu bestimmten Tageszeiten und bei bestimmten Witterungsverhältnissen. Hierzu kann es je nach konkreter örtlicher Situation Modifikationen geben. Die Abschaltdauer und Häufigkeit wird maßgeblich von den Witterungsverhältnissen bestimmt und kann daher stark schwanken, hinzu kommen weitere Abschaltzeiten aus betriebstechnischen Gründen wie Störungen und Wartungen . Regelmäßig verpflichten Nebenbestimmungen in den Genehmigungsbescheiden die Betreiber der Anlagen dazu, die Abschaltungen zu dokumentieren und diese Dokumentation auf Anforderung an die zuständige Behörde zu übermitteln. Frage 9. Welche Gefahren und gefährlichen Vorkommnisse wurden seitens der Betreiber den zuständigen Behörden im Zusammenhang mit dem Betrieb von Windkraftanlagen in der Vergangenheit gemeldet ? Frage 10. Von welcher Natur waren diese gemeldeten Vorkommnisse (Frage 9) im Einzelnen? Die Fragen 9 und 10 werden zusammen beantwortet. Beim Betrieb von Windenergieanlagen in Hessen kam es bis heute nur zu wenigen gefährlichen Vorkommnissen. Den Behörden sind nur vier Vorfälle bekannt. Dabei handelte es sich um: 1. Einen Abriss des Rotors, der Gondel und Teilen des Turms durch einen Ausfall des Bremsprogramms , 2. einen Teilabriss eines Rotors durch Blitzschlag, 3. einen Bruch der Rotorwelle und Absturz des gesamten Rotors durch einen individuellen Fehler bei der Montage einer neuen Rotorwelle nach einem Getriebeschaden und 4. einen Abbruch einer Rotorblattspitze durch einen Herstellungsfehler beim Blattprofil. Wiesbaden, 19. Januar 2015 Priska Hinz