Kleine Anfrage des Abg. Weiß (SPD) vom 03.12.2014 betreffend Auswirkungen Einfuhrumsatzsteuer auf den Wirtschaftsstandort Hessen und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Fragestellers: In Deutschland muss ein Unternehmer die Einfuhrumsatzsteuer in jedem Fall beim Zoll entrichten. Im weit überwiegenden Regelfall wird sie anschließend als abzugsfähige Vorsteuer im Rahmen der Umsatzsteuererklärung berücksichtigt und durch die Landesfinanzverwaltung erstattet. Dieses in Deutschland angewendete Erhebungsverfahren für die Einfuhrumsatzsteuer wird von betroffenen Unternehmen und Verbänden stark kritisiert. Im Zusammenhang mit einer Einfuhr von Drittlandwaren in das Gemeinschaftsgebiet über eine deutsche Zollgrenzstelle werden Zahlungsflüsse notwendig. Diese führen bei den betroffenen Unternehmen zu hohen Kosten insbesondere zur Zwischenfinanzierung. Dagegen kann ein deutscher Importeur Einfuhren aus dem EU-Ausland über die niederländische Grenze unter Einschaltung eines niederländischen Fiskalvertreters ohne nennenswerte Kosten und ohne Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer vornehmen. Die niederländischen und belgischen Häfen werben ganz offensiv und erfolgreich auf Veranstaltungen bei Importeuren und Spediteuren mit diesem Verfahren. Etwaige höhere Transportkosten im Vergleich zum Import über deutsche Häfen und Flughäfen sind gegenüber der Zwischenfinanzierung der Einfuhrumsatzsteuer in Deutschland regelhaft zu vernachlässigen. Angesichts der 2012 vereinnahmten rd. 52,2 Mrd. € Einfuhrumsatzsteuer dürften der Aufwand und die Kosten für die deutschen Unternehmen erheblich und damit der Wettbewerbsnachteil gravierend sein. Nicht außer Acht gelassen werden darf auch der vielfach von Unternehmen vorgetragene Hinweis auf die teilweise erheblichen Probleme der Unternehmen bei einer Kreditbeschaffung unter den Vorgaben von Basel II bzw. seit 1. Januar 2014 Basel III. Die Auswirkungen des bestehenden Erhebungsverfahrens sind umso signifikanter, je teurer die importierten Güter sind, je schwieriger die Refinanzierung wird und je höher das Zinsniveau und der administrative Aufwand sind. Anfang des Jahres 2014 wurde in Berlin auf Einladung der Freien und Hansestadt Hamburg eine Fachveranstaltung zum Thema "Erhebungsverfahren der Einfuhrumsatzsteuer" mit Vertretern des Bundesfinanzministeriums durchgeführt. Dort haben Vertreter aus der Wirtschaft (u.a. Deutsche Lufthansa AG, ThyssenKrupp AG, Zalando GmbH), wie auch der betroffenen Unternehmerverbände (z.B. Deutscher Speditions- und Logistikverband , Deutscher Industrie- und Handelskammertag, Zentralverband der Deutschen Seehafenbetriebe, Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen) die mit dem Erhebungsverfahren verbundenen Probleme erläutert. Sie verwiesen im Besonderen auf die administrativen Kosten sowie das Problem der Zwischenfinanzierung . Sie zeigten auf, dass bereits in erheblichem Maß Importe von den deutschen Häfen und auch Flughäfen weg verlagert wurden und verwiesen darauf, dass auch andere Länder, wie z.B. Österreich, das Erhebungsverfahren inzwischen besser geregelt hätten. Mittelfristig seien die als Folge des Erhebungsverfahrens der Einfuhrumsatzsteuer entstehenden Kosten relevant für Standortentscheidungen der Unternehmen. Davon ist Deutschland als Wirtschaftsstandort insgesamt betroffen. Im Ergebnis stellten die Unternehmen und Verbände übereinstimmend fest, dass das jetzige Verfahren einen erheblichen Standortnachteil darstellt und dringender politischer Handlungsbedarf besteht. Die Wirtschaftsministerkonferenz hat daher auf Initiative der Freien und Hansestadt Hamburg am 4./5. Juni 2014 in Berlin beschlossen (Quelle: www.Wirtschaftsministerkonferenz.de): - Die Wirtschaftsministerkonferenz sieht mit Sorge die mit der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer einhergehenden Kosten für die Unternehmen und die daraus resultierenden Konsequenzen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. - Die Wirtschaftsministerkonferenz bittet daher die Bundesregierung, zeitnah Möglichkeiten für eine Gestaltung des Verfahrens der Einfuhrumsatzsteuererhebung zu prüfen, die Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen EU-Mitgliedstaaten vermeidet. - Der Vorsitzende der Wirtschaftsministerkonferenz wird gebeten, diesen Beschluss an den Bundesminister der Finanzen zu übersenden. Eingegangen am 5. Februar 2015 · Ausgegeben am 12. Februar 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1198 05. 02. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1198 Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: In Deutschland knüpft die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) an die Regelungen für die Einfuhrabgaben nach dem Zollkodex an. Deshalb erfolgt die Festsetzung und Erhebung der EUSt in einem Arbeitsgang zusammen mit dem zu zahlenden Zoll und ggf. anderen Verbrauchsteuern durch die Bundesfinanzverwaltung. Selbst wenn, wie beispielsweise in den Niederlanden, die zu entrichtende EUSt mit einem bestehenden Vorsteueranspruch für einen bestimmten Zeitraum im Rahmen des Umsatzsteuerverfahrens verrechnet werden würde, müsste zuvor gleichwohl von der Bundesfinanzverwaltung die Höhe der geschuldeten EUSt berechnet und dem Einführer darüber ein Bescheid erteilt werden. Der in den Vorbemerkungen des Fragestellers beschriebene Liquiditätsnachteil für Importeure über deutsche Zollstellen durch das in Deutschland geltende Erhebungsverfahren muss nicht zwangsläufig eintreten. Durch die Gleichbehandlung mit den Zöllen ist auch bei der Erhebung der EUSt zwischen Zahlung ohne und mit Zahlungsaufschub zu unterscheiden, wobei gewerbliche Einführer praktisch ausnahmslos die Möglichkeit des Zahlungsaufschubs in Anspruch nehmen. In der Folge ist die EUSt nicht unmittelbar zum Zeitpunkt der Einfuhr zu entrichten, sondern erst am 16. Tag des folgenden Kalendermonats. Gleichzeitig können die Unternehmer die entstandene (und noch nicht entrichtete) EUSt bereits in der bis zum 10. Tag des Folgemonats abzugebende Umsatzsteuer-Voranmeldung als Vorsteuer geltend machen. Dadurch ergeben sich in der Regel sogar Liquiditätsvorteile für Unternehmen, die regelmäßig Waren aus Drittländern beziehen. Sofern zum Zeitpunkt der Einfuhr bereits feststeht, dass die Ware unmittelbar in einen anderen Mitgliedstaat befördert werden soll [Durchfuhr, die zu einer innergemeinschaftliche Lieferung führt; § 4 Nr. 1 b, § 6a Umsatzsteuergesetz (UStG)], ist die Einfuhr auch in Deutschland steuerfrei (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG). Große Unternehmen, die über den Flughafen Frankfurt importieren, sind ausnahmslos Inhaber von Aufschubkonten und nutzen diese Fristverlängerungen mit der Vergünstigung, erst zum 16. des auf den Aufschub folgenden Monats die im zurückliegenden Zeitraum aufgeschobene Steuer zu zahlen. Allenfalls Kleinimporteure oder Zollbeteiligte, die seltener importieren, können diesen Vorteil nicht nutzen und müssen die EUSt sofort entrichten, wenn der erste innergemeinschaftliche Bestimmungsort in Deutschland liegt. In Abstimmung mit dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung (HMWEVL) hat Fraport Recherchen bei Importunternehmen des Frankfurter Flughafens angestellt, bei denen keine Probleme mit den bestehenden Regelungen adressiert worden sind. Die Klagen der Hamburger Hafenbetriebe über tatsächliche oder vermeintliche Vorteile, die niederländische Häfen den Importeuren bieten, sind damit offensichtlich auf die Flughäfen nicht übertragbar, eine Gefährdung des hessischen Standortes ist derzeit nicht zu erkennen. Im Lichte dieser Erkenntnis sind auch die Beschwerden der Hafenbetriebe und der Wirtschaftsministerkonferenz (WMK)-Beschluss differenzierter zu bewerten. Die niederländischen Häfen werben auf ausländischen Messen vehement dafür, Importe (auch nach Deutschland) über die Niederlande zu führen um eine steuerfreie Lieferung zum ersten Bestimmungsort in Anspruch nehmen zu können. Diese Werbestrategie mit einem temporären Liquiditätsvorteil mag die Befindlichkeit von Politikern und Hafenbetreibern in Hamburg treffen und eine gefühlte Schlechterstellung des Hafenstandortes Hamburg befördern, die auf das Steuerrecht projiziert wird, aber übersieht, das auch strukturelle Wettbewerbsnachteile gegeben sind. Übersehen wird, dass die EUSt- Regelung eines steuerfreien Versandes zum ersten Innergemeinschaftlichen Bestimmungsort in der gesamten EU gilt; so würde auch bei einer Einfuhr von für Belgien bestimmten Gütern über den Hamburger Hafen keine EUSt in Deutschland zu entrichten sein. Gefühlte oder tatsächliche strukturelle Standortnachteile sind nicht über Änderungen des Erhebungsverfahrens einer Steuer zu lösen. Es ist dem HMWEVL bzw. Fraport nicht gelungen, hessische Unternehmen zu finden, die durch das Erhebungsverfahren der EUSt in Deutschland finanzielle Schwierigkeiten geltend machen . Ein zahlungsloses Verrechnungsverfahren würde sicher begrüßt, ist für Importentscheidungen oder Unternehmensansiedlungen aber nicht entscheidungsrelevant. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1198 3 Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Hessischen Minister der Finanzen wie folgt: Frage 1. Wie bewertet sie die Situation und Effekte des Einfuhrumsatzsteuererhebungsverfahrens für den Wirtschaftsstandort Hessen? Durch das derzeitige Erhebungssystem der EUSt ergeben sich nach bisherigen Erkenntnissen keine Wettbewerbsnachteile für deutsche bzw. hessische Importeure. Für die Erhebung der EUSt sind die Zollvorschriften und damit auch die Regelungen über den Zahlungsaufschub analog anwendbar. Aus diesem Grunde braucht die EUSt im Regelfall nicht unmittelbar zum Zeitpunkt der Einfuhr entrichtet werden, sondern vielmehr erst am 16. Tag des auf den Entstehungszeitpunkt folgenden Kalendermonats. Der Unternehmer darf jedoch die EUSt bereits - unabhängig von der tatsächlichen Zahlung in der bis zum 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums abzugebenden Umsatzsteuer-Voranmeldung als Vorsteuer geltend machen. Durch diese Zahlungserleichterung kommt es somit grundsätzlich nicht zu einer kostenmäßigen Belastung der Unternehmer. Eine Vorfinanzierung der EUSt ist daher in der Regel nicht erforderlich , so dass auch kein Liquiditätsnachteil eintritt. Frage 2. Welche Effekte der Einfuhrumsatzsteuer sieht sie, insbesondere bei den hochpreisigen Gütern im Zusammenhang mit dem Frankfurter Flughafen? Die Landesregierung sieht hier derzeit keine relevanten Effekte bzw. eher einen leichten Liquiditätsvorteil , in dem die EUSt als Vorsteuer sechs Tage früher geltend gemacht werden kann als sie selbst entrichtet werden muss. Frage 3. Welche Effekte der Einfuhrumsatzsteuer sieht sie für die Logistikregion Nordhessen, insbesonde- re im Wettbewerb zu Logistikstandorten in den Niederlanden und Belgien? Die Landesregierung sieht diesbezüglich keine relevanten Effekte. Frage 4. Welche Schritte sind aus ihrer Sicht notwendig, um negative Effekte der Einfuhrumsatzsteuer auf den Wirtschaftsstandort Hessen auszuräumen? Sind der Landesregierung hierfür konkrete Konzepte bekannt und falls ja, wie sehen diese aus? Da solche negativen Effekte derzeit nicht erkennbar sind und auch nicht von hessischen Unternehmen vorgetragen wurden, sind keine auf Abhilfe dieser Effekte zielenden Schritte der Landesregierung erforderlich. Frage 5. Wie ist der Sachstand zur Umsetzung des Beschlusses der Wirtschaftsministerkonferenz zur Ein- fuhrumsatzsteuer vom 4./5. Juni 2014? Gibt es dafür einen Terminplan auf Bundesebene und falls ja, wie sieht dieser aus? Eine offizielle Reaktion des Bundesministeriums der Finanzen auf den Beschluss der WMK liegt bislang nicht vor. Aussagen gegenüber Wirtschaftsverbänden in Hamburg zeigen aber, dass die Behandlung der Thematik auch im Bundesministerium der Finanzen noch nicht abgeschlossen ist. Frage 6. Welche Reaktion der Bundesregierung bzw. des Bundesministers der Finanzen gab es zum Be- schluss der Wirtschaftsministerkonferenz zur Einfuhrumsatzsteuer vom 4./5. Juni 2014? Auf die Antwort zur Frage 5 wird verwiesen. Wiesbaden, 22. Januar 2015 Tarek Al-Wazir