Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 09.12.2014 betreffend Windräder in der Nähe von Erdbebenmessstationen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: Das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG) betreibt in Hessen Erdbebenmessstationen. Diese sind mit extrem sensibler Messtechnik ausgestattet, damit sie auch kleinste Erschütterungen im Erdboden spüren können. Windkraftanlagen in der Nähe solcher Messstationen beeinflussen durch die Rotation naturgemäß die Messergebnisse und machen diese unbrauchbar. Daher hat Bayern z.B. einen Abstand von 3 bis 5 km für Windkraftanlagen von solchen Messanlagen vorgeschrieben . Insbesondere muss eine konkrete Prüfung stattfinden, ob Windkraftanlagen die Messergebnisse beeinflussen könnten. Dennoch gibt es in Bayern bereits heute an mehreren Stellen die Situation, dass ohne Wissen der zuständigen Behörden Windräder zu nah an die Messstationen gebaut wurden. So auch in der Gemeinde Berching in der Oberpfalz. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe teilte dazu auf Anfrage mit: "Dabei überlappen sich diese Frequenzen mit den charakteristischen Frequenzen von Erdbeben, sodass deren Analyse erschwert oder gar unmöglich gemacht wird. (...) Die Empfindlichkeit der Messstation wurde erheblich herabgesetzt. Hätte man von dem Bau des Windparks gewusst, hätte man versucht, ihn zu verhindern. Denn die durch die Rotationsbewegung entstehenden Erschütterungssignale stören besonders bei geringem Abstand." Im Kreis Limburg-Weilburg in der Nähe von Villmar-Aumenau gibt es ebenfalls eine solche Erdbebenmessstation , die umzingelt ist von geplanten Windvorranggebieten. Während man in Bayern den an mehreren Stellen erfolgten Fehler bedauert, weil die Messergebnisse unbrauchbar sind und solche Messstationen sich aus Vergleichsgründen nicht verlegen lassen, ist die Messstation dem RP Gießen zwar bekannt, seine Planungen wurden aber nicht entsprechend angepasst. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz: Die Landesregierung hat bereits Erfahrung mit seismologischen Stationen und dem Betrieb von Windenergieanlagen in Hessen gemacht. In Zusammenarbeit mit dem Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG) führten diese Erfahrungen bereits zu Festlegungen im Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen (WEA). Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt: Frage 1. Welche Probleme ergeben sich aus Sicht der Landesregierung durch die unmittelbare Nähe von Windkraftanlagen bei Erdbebenmessstationen? Aufgrund ihrer Rotationsbewegungen und unterschiedlicher Windlasten verursachen Windenergieanlagen (WEA) Schwingungen, die über den Turm und das Fundament der Anlagen in den Boden übertragen werden und sich in Form elastischer Wellen weiträumig in alle Richtungen ausbreiten. In der Nähe von Erdbebenmessstationen können diese Signale Messungen stören, da sich die Frequenzen mit den charakteristischen Frequenzen von Erdbeben überlappen. In verschiedenen wissenschaftlichen Studien wurden Signale von WEA in mehr als 10 km Abstand zur Erdbebenmessstation nachgewiesen. Dabei nimmt der Störfeinfluss mit zunehmender Entfernung ab. Ein nachträgliches "Herausrechnen" der Störsignale ist wegen der sich ständig ändernden Drehbewegung der Rotoren nur sehr eingeschränkt möglich. Eingegangen am 22. Januar 2015 · Ausgegeben am 30. Januar 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1223 22. 01. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1223 Frage 2. An welchen Stellen in Hessen sind geplante Windvorrangflächen innerhalb eines 3,5 bzw. 10 km Radius um eine Erdbebenmessstation vorzufinden? Von einem 3,5 bzw.10 km Radius betroffen sind Erdbebenstationen des Hessischen Erdbebendienstes (HED) in der Nähe von folgenden Orten: Wiesbaden, Romrod, Fürth, Darmstadt, Aumenau , Bieber, Ebsdorfer Grund, Espenschied und Solms. Welche geplanten Windvorrangflächen hier betroffen sind, ist auf den aktuellen Planentwürfen der sachlichen Teilregionalpläne Energie auf den Internetseiten der Regierungspräsidien einsehbar. Eine Information, welche seismologischen Stationen in Hessen betrieben werden, ist im Internet auf den Seiten des HLUG unter folgendem Link veröffentlicht: http://www.hlug.de/start/geologie/erdbeben/stationsnetz.html Frage 3. Was will die Landesregierung tun, um negative Erfahrungen, wie die in Bayern, wo die Messsta- tionen unbrauchbar sind, zu vermeiden? In Hessen wird im Rahmen des Genehmigungsverfahrens grundsätzlich das HLUG als Fachbehörde - unabhängig vom Betreiber der Station - beteiligt, wenn WEA innerhalb eines Radius von weniger als 10 km um eine seismologische Station beantragt werden. Frage 4. Welchen Abstand von Windkraftanlagen zu Erdbebenmessstationen hält die Landesregierung für angemessen, um die Messergebnisse der Erdbebenforschung nicht negativ durch Windkraftanlagen zu beeinflussen? Sind WEA in einer Entfernung von weniger als 10 km zu einer Erdbebenmessstation geplant, beteiligt die Genehmigungsbehörde das HLUG im Genehmigungsverfahren. Derzeit ist eine Pufferzone von 6 km Entfernung zwischen Windenergieanlage und einer Erdbebenstation vorgesehen , sofern nicht nachgewiesen wird, dass die WEA auch bei geringerem Abstand die Messungen an den Erdbebenstationen nur unwesentlich beeinträchtigt. Insbesondere ist dabei zu prüfen , welche störenden Frequenzen von den verschiedenen Windenergieanlagentypen neuerer Bauart über das Fundament als Bindeglied zwischen Turm und Baugrund übertragen werden. Weiterhin wird betrachtet, wie diese Frequenzen im Ausbreitungsmedium über die Entfernung gedämpft werden. Bei einer Entfernung von < 6 km ist somit immer eine Einzelfallprüfung durchzuführen, um gegebenenfalls eine rechtzeitige Verlegung der Messstation vornehmen zu können. Frage 5. Welche Folgen ergeben sich aus Sicht der Landesregierung für die Genehmigungsfähigkeit von Windkraftanlagen innerhalb eines Bereiches, der die Messung negativ beeinflussen könnte? In Einzelfällen, in denen erhebliche Störungen an seismologischen Stationen zu erwarten sind, ist eine Ablehnung des Genehmigungsantrages möglich. Dies ist abhängig von der Empfindlichkeit und der Bedeutung der Messstation sowie von der Frage, ob unter technischen sowie finanziellen Aspekten die betreffende Station des Hessischen Erdbebendienstes (HED) an einen anderen Standort versetzt werden kann. Frage 6. Welche Folgen ergeben sich nach Ansicht der Landesregierung konkret für die Vorrangflächen 1116b, 1117, 1127 und 1128 rund um die Erdbebenmessstation GWBC in Villmar-Aumenau? Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wird zu klären sein, in wie weit Auswirkungen auf die Erdbebenmessstation GWBC in Villmar-Aumenau von künftigen WEA auf den hier genannten Vorrangflächen möglich sind. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 4 und 5 verwiesen. Wiesbaden, 13. Januar 2015 Priska Hinz